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KERAMIK 79<br />
Solitaire (Déjeuner) mit Blumendekor,<br />
Mosbach, zweite Periode Johann Samuel<br />
Friedrich Tännich, zwischen 1779<br />
und 1781 (Inv. Nr. E 1923)<br />
Dieses Geschirr mit dem Wappen des<br />
Fürstbischofs von Münster zählt zu den<br />
ersten Fayence-Stücken, die in Deutschland<br />
produziert wurden. Hergestellt<br />
wurde es in der Manufaktur im westfälischen<br />
Ahaus, die nur vier Jahre lang,<br />
von 1653 bis 1657, in Betrieb war (Foto:<br />
Stadt Ahaus)<br />
ze der hauseigenen Fayence-Sammlung<br />
aus dem Magazin geholt und in<br />
einer Ausstellung versammelt. Das<br />
gewählte Motto ist doppelsinnig:<br />
Fayence besticht zum einen mit seiner<br />
– im Vergleich zum Porzellandekor<br />
– meist ursprünglicheren und<br />
lebhafteren Malerei, zum anderen<br />
spiegelt es das Bemühen wider, das<br />
Porzellan aus Ostasien möglichst<br />
nah am Vorbild nachzuahmen.<br />
80 MANUFAKTUREN<br />
In Deutschland verfolgten rund 80<br />
Manufakturen dieses Ziel ab Mitte<br />
des 17. bis hinein ins frühe 19. Jahrhundert.<br />
38 von ihnen sind in der<br />
Kölner Ausstellung mit Beispielen<br />
vertreten. Während der zweijährigen<br />
Vorbereitung wurde die Sammlung<br />
erstmals wissenschaftlich bearbeitet,<br />
viele Stücke mussten von<br />
Jahrzehnte altem Staub befreit und<br />
teilweise auch aufwändig restauriert<br />
werden. Der 440 Seiten starke<br />
Katalog spiegelt nun den aktuellen<br />
Wissensstand über die Geschichte<br />
der deutschen Fayencekunst wider,<br />
die nach Meinung von Kuratorin<br />
Patricia Brattig noch längst nicht<br />
ausreichend erforscht wurde. Es<br />
würde sich lohnen, denn das Kunsthandwerk<br />
gibt Interessantes preis<br />
über die Zeit seiner Blüte. Wer seine<br />
Geschichte studiert, lernt viel über<br />
die Prunkliebe des Barock, über die<br />
spannenden Wege technischer Innovation,<br />
über Handelswege, kaufmännischen<br />
Wagemut und nicht zuletzt<br />
über das Alltagsleben im 17. und 18.<br />
Jahrhundert. Doch das Interesse ist<br />
ziemlich erlahmt, als Sammelgebiet<br />
ist deutsche Fayence zur Zeit wenig<br />
in Mode. Das war vor Jahrzehnten<br />
ganz anders. 1938, zu seinem 50. Geburtstag,<br />
zeigte das Kölner Museum<br />
die Schätze Kölner <strong>Sammler</strong>. 16.000<br />
Besucher sahen damals die Ausstellung.<br />
Von einem solchen Andrang<br />
können die Organisatoren im Sommer<br />
2013 nur träumen.<br />
Der Aufschwung des „unächten Porcellain",<br />
wie die Fayence zu ihrer<br />
Hochzeit gern bezeichnet wurde, begann<br />
erst nach Ende des Dreißigjährigen<br />
Krieges, obwohl das Herstellungsverfahren<br />
seit Jahrhunderten<br />
bekannt war. Schon 500 v. Chr. wurden<br />
in Mesopotamien Gefäße aus<br />
Irdenware mit der charakteristischen<br />
weißen Zinnglasur hergestellt. Die<br />
Technik brachten die Mauren nach<br />
Spanien. Über den Umschlagplatz<br />
Mallorca kam die Keramik nach Italien,<br />
wurde als „Majolika" geschätzt<br />
und gehandelt. In den mittelitalienischen<br />
Städten Faenza und Urbino<br />
Diese Fächerschüssel mit dem Wappen<br />
des Fürstbischofs von Münster zählt zu<br />
18 erhaltenen Teilen der ältesten Fayence-Manufaktur<br />
auf deutschem Boden,<br />
die zwischen 1653 und 1657 im westfälischen<br />
Ahaus in Betrieb war (Foto: Stadt<br />
Ahaus)