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KUNSTHANDWERK 95<br />
tarium seiner Kunstkammerstücke<br />
zeigt deren Umfang und Inhalt,auch<br />
die Art ihrer Lagerung bzw. Schaustellung.<br />
Untergebracht war seine<br />
Sammlung in eigens dafür errichteten<br />
Zubauten zum oberhalb von<br />
Innsbruck gelegenen Schloss Ambras,das<br />
Ferdinand an Philippine<br />
Welser,mit der er 1557 eine nicht<br />
standesgemäße Ehe eingegangen<br />
war,geschenkt hatte. In einer Reihe<br />
von Sälen waren die Objekte in rund<br />
zwanzig großen und kleinen Kästen,<br />
innen mit verschiedenfarbigem Leinen<br />
bespannt,nach Materialien aufgeteilt:<br />
Gegenstände aus edlen und<br />
unedlen Metallen und Steinen,Glas,<br />
Elfenbein,Holz,Uhren,Automaten,<br />
musikalische und technische Instrumente,Handsteine,Antiken.<br />
Dazwischen<br />
standen zahlreiche Stücke<br />
seiner bedeutenden Harnisch- und<br />
Waffensammlung,an den Decken<br />
hingen präparierte Tiere,an den<br />
Wänden Gemälde. Mineralien,Münzen<br />
und Medaillen wurden in Tischen<br />
verwahrt. Als kostbarste Stücke<br />
befanden sich in Ambras neben<br />
den unveräußerlichen Erbstücken<br />
vier prunkvolle Gefäße,die Ferdinand<br />
1570 von König Karl IX. von<br />
Frankreich zum Dank dafür erhalten<br />
hatte,dass er ihn bei der Hochzeit<br />
mit Elisabeth,der Tochter Kaiser<br />
Maximilians II.,vertreten hatte,darunter<br />
die Saliera des Benvenuto Cellini.<br />
Die in den in seiner Zeit aufgekommenen<br />
und publizierten theoretischen<br />
Konzepten zu Gestaltung,<br />
Gehalt und Sinn einer Kunstkammer<br />
können als ein Versuch einer sinngebenden<br />
Rechtfertigung für die Anhäufung<br />
von zahllosen Kostbarkeiten<br />
unterschiedlichster Art gesehen<br />
werden. Damals wurden die Grundlagen<br />
für die späteren Schlagwörter<br />
erfunden,diese Form von Sammlungen<br />
als eine beispielhafte Darstellung<br />
für die Vielgestaltigkeit der<br />
Welt,als Spiegel des Kosmos,den<br />
Mikrokosmos als Abbild des Makrokosmos,als<br />
Archiv der Weisheit,die<br />
Francesco Segala (1557-1597):Erzherzog<br />
Ferdinand II. um 1580, Venedig, um 1580,<br />
Wachs, bemalt, Kupfer, Holz, Perlen,<br />
Bergkristall, Glas, H 22,3 cm, B 19,9 cm<br />
(mit Rahmen) (Foto:© Kunsthistorisches<br />
Museum Wien)<br />
Erde als Kunstkammer Gottes,den<br />
Eigentümer der Kunstkammer als<br />
Herrscher über die Welt aufzufassen.<br />
Die Ambraser Sammlung,von der<br />
viele Teile bis heute erhalten geblieben<br />
sind,entsprach ganz der Vorstellung<br />
des 16. Jahrhunderts,auf welche<br />
Bereiche sich der Bestand einer<br />
Kunstkammer als enzyklopädische<br />
Sammlung erstrecken sollte: Kunstwerke<br />
(artificialia),Naturgegenstände<br />
(naturalia),Uhren und wissenschaftliche<br />
Instrumente (scientifica),<br />
Erinnerungsstücke (memorabilia),<br />
Kuriositäten (mirabilia),Gegenstände<br />
fremder und unbekannter Kulturen<br />
(exotica).<br />
Die kostspielige Erhaltung von<br />
Schloss und Kunstkammer veranlasste<br />
nach Ferdinands Tod seinen jüngsten<br />
Sohn,Markgraf Karl von Burgau,<br />
als Erben bald,in Verkaufsverhandlungen<br />
mit Kaiser Rudolph II. zu treten,der<br />
diese Sammlung unbedingt<br />
erlangen wollte,und 1606 Schloss<br />
und Sammlung um 170.000 Gulden<br />
erwarb,rund 100.000 Gulden allein<br />
für die Stücke der Kunstkammer.<br />
Die Objekte blieben allerdings in<br />
Ambras,bis sie,mit Ausnahme einzelner<br />
Teile der Sammlung schon früher,erst<br />
1806 aufgrund der damaligen<br />
politischen Verhältnisse nach<br />
Wien überbracht wurden.<br />
RUDOLPH II.<br />
Kaiser Rudolph II. (1552-1612,Kaiser<br />
ab 1576) war zweifellos der bedeutendste,leidenschaftlichste<br />
und anspruchsvollste<br />
<strong>Sammler</strong> unter allen<br />
Habsburgern. Auch bei ihm werden<br />
die Erlebnisse seiner Jugend,die er<br />
am Hofe seines Onkels,König Philipp<br />
II. von Spanien,verbrachte,mit des-