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KUNSTHANDWERK<br />
FERDINAND I.<br />
Für Kaiser Ferdinand I. (1503-1564),<br />
ab 1521 Herrscher in den österreichischen<br />
Erbländern,ab 1556 Kaiser<br />
nach dem Rücktritt seines Bruders<br />
Carl V. (1500-1558,Kaiser 1519-1556),<br />
waren die Schätze seiner Tante in<br />
Mecheln von Jugend an aus eigener<br />
Anschauung vertraut und prägten<br />
seine persönlichen Vorlieben. Wohl<br />
aus derartigem Interesse erließ er<br />
schon 1537 eine Instruktion an seine<br />
Hofämter,dass diese außer auf die<br />
üblichen kostbaren Dinge ausdrücklich<br />
auch auf „antiquitetn,instrumenta,kunststuckh"<br />
(Die Kunstkammer,S.<br />
14) aufmerksam sein sollten.<br />
Der Begriff „Kunsst Camer"<br />
(ebd.,S. 14) lässt sich für die Habsburger<br />
direkt dann in einer Notiz<br />
aus dem Jahr 1554 erstmals nachweisen,als<br />
vermerkt wurde,dass<br />
verschiedene Gegenstände in dieser<br />
hinterlegt wurden,nämlich ein<br />
Glasbecher,ein Brettspiel,Handschriften,ein<br />
Straußenei und ein<br />
Löffel aus Serpentin. Auch „das Verdienst<br />
… den ersten Museumsbau in<br />
Deutschland errichtet zu haben" (G.<br />
Kugler; ebd.,S. 17),kann Ferdinand I.<br />
zugeschrieben werden,wie eine<br />
Quelle aus dem Jahr 1558 „auf die<br />
erpauung einer khunstkhamer" im<br />
Verband der Hofburg" schließen<br />
lässt. In zeitgenössischen Sammlungen<br />
dieser Art,die an fürstlichen<br />
Höfen im Lauf der Zeit zustande<br />
kamen,aber doch auch in nacheifernder<br />
Weise von begüterten und<br />
gebildeten Adeligen und Bürgern in<br />
mehr oder weniger großem Umfang,<br />
Inhalt und Wert errichtet wurden,<br />
waren kunstvolle Werke der menschlichen<br />
Hand wie Münzen,Medaillen,Goldschmiedearbeiten,Uhren,<br />
Gemälde und wunderliche Gebilde<br />
der göttlichen Natur vorhanden,<br />
naturbelassen oder in einfallsreicher,<br />
künstlerischer Verarbeitung für Zierund<br />
Schmuckstücke,z. B. aus Elfenbein,edlen<br />
und halbedlen Steinen,<br />
Schneckengehäusen,Muschelschalen,Korallen,Nüssen.<br />
Zweifellos<br />
konnten solche Sammlungen der<br />
Neugierde und dem Wissensdurst,<br />
auch dem besinnlichen Zeitvertreib,<br />
der Freude am Schönen und Kostbaren<br />
seines Besitzers entsprechen,<br />
ebenso aber diesem das Selbstverständnis<br />
seines Interesses an Kunst<br />
und Wissenschaft,Geist und Kultur<br />
sichtbar vorzuführen dienen,als anspruchsvolle<br />
Repräsentation seines<br />
Vermögens und seiner Macht,seines<br />
Geltungsstrebens,seiner Prunksucht.<br />
Welche Kosten für manches<br />
der Prachtstücke entstanden,lässt<br />
sich nur in seltenen Fällen aufgrund<br />
mangelnder Quellen lediglich ungefähr<br />
annehmen,und zu Lasten welcher<br />
Personen – dafür sollte zumindest<br />
ein Gedanke auftauchen dürfen.<br />
Aus Ferdinands I. vielfältiger Hinterlassenschaft<br />
ist seine Sammlung<br />
von alten Münzen und Antiken hervorzuheben.<br />
In seiner Sammlung befanden<br />
sich auch der altmexikanische<br />
Federfächer und die beiden unveräußerlichen<br />
Erbstücke der Familie,die<br />
berühmte Achatschale und<br />
das Einhorn. Sein Herrschaftsgebiet<br />
wurde unter seinen drei Söhnen aufgeteilt,ebenso<br />
sein Schatzbestand:<br />
Maximilian II. (1527-1576,ab 1564 Kaiser)<br />
residierte in Wien über Niederund<br />
Oberösterreich,Erzherzog Carl<br />
(1540-1590) über Innerösterreich<br />
(Steiermark,Kärnten,Krain) in Graz<br />
und Erzherzog Ferdinand (1529-1595)<br />
über Tirol und die Vorlande in Innsbruck.<br />
Für Maximilian II.,der besonders<br />
am Erwerb von Antiken interessiert<br />
war,vermittelten Agenten,und<br />
Künstler wie Giuseppe Arcimboldo,<br />
Wenzel Jamnitzer oder Gasparo Miseroni<br />
waren für ihn tätig. Erzherzog<br />
Carl ließ sich in Graz eine Kunstkammer<br />
einrichten,die sich vor allem<br />
durch zehn Dutzend Tapisserien auszeichnete,sonst<br />
aber weit hinter jener<br />
seines älteren Bruders zurückblieb.<br />
FERDINAND II.<br />
Auch Erzherzog Ferdinand II. von<br />
Tirol setzte für die Vergrößerung<br />
und Erweiterung seiner Sammlung<br />
Agenten ein,nützte diplomatische<br />
und familiäre Beziehungen,beauftragte<br />
Künstler und Handwerker,<br />
gründete sogar eine Glasmanufaktur.<br />
Zu seiner anhaltenden und nachdrücklichen<br />
Sammeltätigkeit liegen<br />
zahlreiche Quellen vor,und das nach<br />
seinem Tode angefertigte Inven-<br />
Hans Kels d. Ä. (um 1480 - um 1559/60),<br />
Schnitzerei; Jörg Breu d. Ä. (1475-1537),<br />
Werkstatt, Entwurf; Georg Hörmann<br />
(1491-1552), Konzept, zugeschrieben:<br />
Brettspiel für den „Langen Puff” mit<br />
Spielsteinen, Kaufbeuren, 1537 datiert,<br />
Eichen-, Nuss-, Rosenholz, Palisander,<br />
Mahagoni, Bronze, H 56 cm, B 56 cm<br />
(Foto:© Kunsthistorisches Museum<br />
Wien)