27.04.2014 Aufrufe

Kann hier auch als PDF-Dokument heruntergeladen werden.

Kann hier auch als PDF-Dokument heruntergeladen werden.

Kann hier auch als PDF-Dokument heruntergeladen werden.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

April 2007 Unsere Archive Nr. 52 57<br />

Kernaufgaben archivischen Arbeitens gehört. Da<br />

Archive in langfristigen Zeiträumen ‚tickende’<br />

Institutionen sind, führt nach Überzeugung des<br />

Verfassers <strong>auch</strong> in einer Zeit intensiver Diskussionen<br />

über Fragen der Verzeichnungsstrategien<br />

und vertretbarer Erschließungstiefen in Zeiten<br />

immer knapper <strong>werden</strong>der Ressourcen bei Akten<br />

des <strong>hier</strong> vorzustellenden Zuschnitts kein Weg an<br />

einer ‚klassischen’ Verzeichnung vorbei. 4 Dass<br />

<strong>hier</strong>bei unter bestimmten Voraussetzungen der<br />

Einsatz engagierter studentischer Praktikantinnen<br />

und Praktikanten mit Erfolg durchgeführt<br />

<strong>werden</strong> kann, sollte <strong>auch</strong> andere Archive mittlerer<br />

und ggf. kleinerer Größe zu einer solchen<br />

Zusammenarbeit bewegen.<br />

Die drei vorzustellenden Aktenbestände entstammen<br />

allesamt kommunaler Provenienz und<br />

besitzen für Aspekte der kommunalen Wirtschafts-<br />

und Sozialgeschichte erheblichen Wert.<br />

Es handelt sich um Akten des Wormser Kaufmanns-<br />

und Gewerbegerichts (1895-1927, Abt.<br />

14), des Lebensmittelamtes (1916-1924, Abt.<br />

15) und des Wohnungsamtes (1918-1933, Abt.<br />

17).<br />

Abt. 14 Kaufmanns- und Gewerbegericht<br />

(Laufzeit: 1895 – 1927, Umfang: 352 Verzeichnungseinheiten<br />

= 74 Archivkartons)<br />

Das Gewerbegericht, zu dessen zentralen Aufgaben<br />

die Gerichtsbarkeit in Arbeitssachen gehört<br />

hat, nahm seine Tätigkeit im Mai 1895 auf,<br />

nachdem die Wormser Stadtverordnetenversammlung<br />

im Jahre 1894 die nötigen rechtlichen<br />

Voraussetzungen dazu geschaffen hatte. Grundlage<br />

der Arbeit waren die vom hessischen<br />

Ministerium des Innern und der Justiz bestätigten<br />

„Satzungen betr. Die Errichtung eines<br />

Gewerbegerichts zu Worms“, 5 die am 10.5.1895<br />

wirksam wurden. Das paritätisch mit Vertretern<br />

von Arbeitnehmern und Arbeitgebern besetzte<br />

Gericht stellte seine Arbeit mit Inkrafttreten des<br />

Arbeitsgerichtsgesetzes vom 23.12.1926 zum<br />

1.7.1927 ein; dies gilt <strong>auch</strong> für das 1905 gebildete<br />

Kaufmannsgericht. Von da an oblag diese<br />

Gerichtsbarkeit dem neu aufgebauten Instanzenzug<br />

Arbeitsgerichte, Landesarbeitsgerichte und<br />

Reichsarbeitsgericht. Worms wurde Sitz eines<br />

Arbeitsgerichts für das Gebiet der Amtsge-<br />

4 Im Mai 2006 hat sich das 11. Archivwissenschaftliche<br />

Kolloquium der Archivschule Marburg mit der<br />

Problematik der Anforderungen an archivische Erschließung<br />

und Findmittel befasst; siehe den Bericht<br />

über die Tagung auf der Homepage der Archivschule<br />

(www.archivschule.de).<br />

5 StadtAWorms Abt. 14 Nr. 186.<br />

richtsbezirke Worms, Pfeddersheim, Osthofen<br />

und Lampertheim, in Darmstadt wurde ein Landesarbeitsgericht<br />

für den Volksstaat Hessen gebildet.<br />

6 Das Gewerbegericht Worms hat während<br />

seines Bestehens insgesamt 7289 Streitsachen<br />

verhandelt. 7 Einen Überblick über die Zahl<br />

der behandelten Fälle geben die bis 1914 und ab<br />

1924 überlieferten Verwaltungsrechenschaftsberichte<br />

der Stadtverwaltung bzw. des Oberbürgermeisters.<br />

8<br />

Die Aktenüberlieferung ist wohl direkt nach<br />

dem Abschluss der Tätigkeit des Gerichts vollständig<br />

in das Stadtarchiv gelangt. Die Akten<br />

sind für die Erforschung des Arbeitslebens und<br />

der Verhältnisse zwischen Arbeitern und Unternehmen<br />

in der Zeit des späteren Kaiserreiches,<br />

des Ersten Weltkriegs und der frühen und mittleren<br />

Jahre der Weimarer Republik von großem<br />

Wert. In den mehreren tausend verhandelten<br />

Streitsachen geht es um Lohn- und Gehaltsforderungen<br />

bzw. -rückstände, Fragen des Arbeitsvertrags,<br />

Kündigungsschutz und Ähnliches.<br />

Bemerkenswert war dabei die paritätische Besetzung<br />

des Gremiums mit einer gleichen Anzahl<br />

Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter.<br />

Der größte Teil der Klagen wurde dabei von Arbeitnehmern<br />

eingereicht, wobei sich das besondere<br />

Vertrauen der Arbeiterschaft gegenüber der<br />

Institution <strong>auch</strong> auf die Freiheit von anwaltlicher<br />

Vertretung zurückzuführen lässt. Mehr <strong>als</strong> die<br />

Hälfte der Fälle konnte durch einen Vergleich<br />

beigelegt, der weit überwiegende Teil der Verfahren<br />

innerhalb einer Woche erledigt <strong>werden</strong>.<br />

Dadurch haben die Gewerbegerichte einen bedeutenden<br />

Beitrag zum sozialen Frieden in einer<br />

wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbruchzeit<br />

geleistet. Ergänzende Hinweise finden<br />

6 Staatshandbuch für den Volksstaat Hessen, bearb.<br />

beim Staatspräsidenten, Darmstadt 1928, S. 133-<br />

135 mit Übersicht über die Arbeitsgerichte im<br />

Land.<br />

7 Verwaltungs-Rechenschaftsbericht des Oberbürgermeisters<br />

für 1927, S. 37 f., zum Gewerbegericht<br />

vor dem Hintergrund der Sozialgeschichte im Überblick:<br />

Hedwig Brüchert, Soziale Verhältnisse und<br />

Arbeitsbedingungen in der Industriestadt Worms<br />

bis zum Ersten Weltkrieg, in: Geschichte der Stadt<br />

Worms, hg. v. Gerold Bönnen, Stuttgart 2005, S.<br />

793-823, <strong>hier</strong> v. a. S. 810 f.<br />

8 Als Hilfsmittel zum Auffinden einzelner Akten ist<br />

wichtig Nr. 53 (Prozessregister 1895-1898) und Nr.<br />

323 (desgl. 1898-1903); <strong>als</strong> Findmittel für diese<br />

Prozessregister wiederum ist zu nennen Nr. 324<br />

(alphabetisches Verzeichnis zum Prozessregister,<br />

alphabetisch nach Beklagten, i. d. R. die Arbeitgeber,<br />

Zeitraum 1895-1903).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!