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April 2007 Unsere Archive Nr. 52 59<br />
offenbar direkt nach dem Abschluss der Tätigkeit<br />
des Amtes in das Stadtarchiv gelangt. Da<br />
ein Aktenplan für den Bestand nicht vorlag (nur<br />
für einen Teil der Akten ließ sich eine Registratursignatur<br />
feststellen), wurden die Akten nach<br />
ihrer 2001 erfolgten Neuverzeichnung durch eine<br />
studentische Praktikantin des Stadtarchivs<br />
nach den Aufgaben und vorgefundenen Tätigkeitsfeldern<br />
des Amtes neu gegliedert und eine<br />
Klassifikation bzw. ein Aktenplan für den Bestand<br />
erarbeitet (vgl. Anhang).<br />
Der Wert der Akten ist für zahlreiche Fragen der<br />
Sozial- und Kommunalgeschichte von Worms<br />
für die Zeit der Weimarer Republik <strong>als</strong> sehr<br />
hoch einzuschätzen. Die Unterlagen, denen etwa<br />
30 weitere Akten des Bestandes ‚Stadtverwaltung<br />
1815-1945’ (Abt. 5) ergänzend an die Seite<br />
zu stellen sind, erlauben einen tiefen Einblick in<br />
die Lebensverhältnisse breiter Bevölkerungsschichten<br />
und dokumentieren eines der gravierendsten<br />
sozialpolitischen Probleme in der Stadt<br />
nach dem Ersten Weltkrieg im Detail. Bei einem<br />
Teil der Akten handelt es sich im übrigen um<br />
Handakten des Beigeordneten für das Wohnungswesen;<br />
von Oktober 1920 über seine Wiederwahl<br />
1926 bis 1933 amtierte <strong>als</strong> solcher unbesoldet<br />
der von der Zentrumspartei gestellte<br />
Geometer Adam Winkler (1868-1945).<br />
Die Wohnungsnot gehörte nach dem Ersten<br />
Weltkrieg zu den schwierigsten kommunalen<br />
Problemen. Auch in Worms wurde ihre Bekämpfung<br />
<strong>als</strong> dringendste Aufgabe der Stadtverwaltung<br />
angesehen, wie es der rechtsliberale<br />
Oberbürgermeister Wilhelm Rahn (1924-1933)<br />
mehrfach betont hat. In Hessen hatte es seit der<br />
ersten gesetzliche Regelung der Wohnungsaufsicht<br />
(1893) und einer weiteren Intensivierung<br />
der Wohnungsfürsorge (Wohnungsfürsorgegesetz<br />
1902), an der jeweils Wormser Politiker in<br />
erheblichem Maße beteiligt waren, trotz aller<br />
Unzulänglichkeiten deutliche Fortschritte in der<br />
Wohnungsfrage gegeben. Auch überregional<br />
wurden die Erfolge bei der Wohnraumbeschaffung<br />
gewürdigt, die u. a. durch die Förderung<br />
gemeinnütziger Bauvereinigungen erreicht <strong>werden</strong><br />
konnten. Allerdings war trotz dieser Anstrengungen<br />
die Wohnungsknappheit bereits vor<br />
1914 durchaus <strong>auch</strong> in Worms ein allgemeines<br />
Problem. Für die Stadt charakteristisch waren<br />
nographie: Hedwig Brüchert-Schunk, Städtische<br />
Sozialpolitik vom Wilhelminischen Reich bis zur<br />
Weltwirtschaftskrise. Eine sozial- und kommunalhistorische<br />
Untersuchung am Beispiel der Stadt<br />
Mainz 1890-1930, Stuttgart 1994 (Geschichtliche<br />
Landeskunde 41).<br />
die bis 1918 beachtlichen Anstrengungen der<br />
Fabrikherren der Lederindustrie (v. a. die Lederwerke<br />
Cornelius Heyl, Doerr & Reinhart) um<br />
Ansiedlung ‚ihrer’ Arbeiter und Arbeiterinnen<br />
und die Förderung des Kleinwohnungsbaus. Seit<br />
1906 begann <strong>auch</strong> die Stadt mit dem Bau von<br />
Wohnungen für städtische Arbeiter (Textor- und<br />
Gibichstraße). All diese Bemühungen fanden<br />
mit dem Ausbruch des Krieges 1914 ein jähes<br />
Ende. Bereits zu Beginn des Jahres 1918 wurde<br />
in Worms in Presseberichten auf einen zunehmenden<br />
Wohnungsmangel aufmerksam gemacht.<br />
Jedoch erst am Ende dieses Jahres offenbarte<br />
sich die dramatische Dimension des Problems:<br />
Die Rückkehr der Soldaten aus dem<br />
Krieg, ein Rückstand des Wohnungsbaues seit<br />
1914, demographische Faktoren in Gestalt einer<br />
ganz erheblichen Zunahme von Heiraten und<br />
Familiengründungen durch geburtenstarke Jahrgänge<br />
sowie die Folgen der französischen Besatzung<br />
des Rheinlandes (ab Dezember 1919)<br />
mit umfangreichen Beschlagnahmungen von<br />
Wohnraum führten zu einer katastrophalen Zuspitzung<br />
der Lage. Da die bisher die Hauptlast<br />
der Wohnungsversorgung tragende Lederindustrie<br />
wegen der überaus schwierigen wirtschaftlichen<br />
Verhältnisse <strong>als</strong> Faktor des Wohnungsbaues<br />
nahezu vollständig ausfiel, oblag der Stadt<br />
plötzlich eine riesenhafte Aufgabe in einer Zeit,<br />
in der die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse<br />
sowie vor allem die kommunalen Finanzen<br />
alles andere <strong>als</strong> stabil waren.<br />
Im September 1918 bestellte die Stadtverordnetenversammlung<br />
eine neunköpfige Wohnungskommission,<br />
die im Zuge der Zwangsbewirtschaftung<br />
des Wohnraumes für die Zuteilung<br />
von Wohnungen zuständig sein sollte. Dieses<br />
Gremium hatte in den folgenden Jahren eine erhebliche<br />
Aufgabenlast zu bewältigen. Nach einer<br />
Verordnung des Bundesrates vom 23.9.1918<br />
über den Schutz der Mieter und Maßnahmen gegen<br />
den Wohnungsmangel folgten weitere entsprechende<br />
Verordnungen, deren Durchführung<br />
der Kommission übertragen wurden. Noch vor<br />
der Novemberrevolution (und von den politischen<br />
Umwälzungen unbeeinträchtigt), im Oktober<br />
1918, wurde von den Stadtverordneten der<br />
erste Beschluss über die Errichtung von Kleinwohnungen<br />
gefasst. Im Januar wurde dann die<br />
Errichtung eines städtischen Wohnungsamtes<br />
beschlossen, nachdem sich die bis dahin bestehende<br />
Wohnungsinspektion <strong>als</strong> nicht ausreichend<br />
erwiesen hatte. Trotz steigender Zahl der<br />
Wohnungssuchenden konnte nur das dringlichste<br />
und notwendigste geschehen, obwohl die Zahl<br />
der Beschäftigten bis 1923 kontinuierlich an-