CIMA 63 Titel Inhalt
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und durch wechselnde Farben den vier Elementen/Temperamenten/Komplexionen<br />
zugeordnet sind. Der schmale äußere Zahlenring unterteilt jedes Segment von 30° in<br />
5°-Schritten. Der nächste Ring bildet die Sphäre der zwölf Tierkreiszeichen und<br />
umschließt die beiden inneren Ringe mit den 36 Sternbildern. 48 Die Gradeinteilung des<br />
äußeren Ringes ermöglicht eine ziemlich genaue Positionierung der Sternbilder im<br />
Dekansystem und in ihren Konstellationen zueinander, so wie es im vorhergehenden<br />
Katalog für die einzelnen Sternbilder angegeben war BOetas it eyn bilde des hiemels<br />
vnd tet jn der junffrauwen bitz an das myttel der wage (Bl. 313vb u. 323v). Es handelt<br />
sich folglich um einen planisphärisch dargestellten Himmelsglobus, aber ohne die<br />
Planeten. Auch im Bild Ptolemäus/Pythagoras ist eine solche Planisphäre im<br />
Ausschnitt zu sehen, erkennbar nach der Gradeinteilung des äußeren Ringes (Bl.<br />
272va). Dieser Darstellungstyp wurde vermutlich aus der älteren Aratea-Tradition<br />
entwickelt. 49<br />
Zwischen der oben zitierten Beschreibung und den Sphärendarstellungen findet sich,<br />
fast zwei Drittel der Spalte einnehmend (Bl. 322rb), das Bild eines Gelehrten, der auf<br />
einem kirchturmartigen, auf einem Wiesenstück ruhenden Katheder steht und nach<br />
links gewandt mit erhobenen Zeigestock wie auf die folgenden Darstellungen weist.<br />
Über seinem Kopf schwebt ein Schriftband mit der rubrizierten Inschrift von gemünde<br />
in swaben. Die Einheit und Komposition von Text und Bild macht deutlich, daß dieses<br />
Gelehrtenbild zum Typ des Autorenbildes gehört. Die Inschrift legt nahe, den gelehrten<br />
Autor/Lehrer oder spiritus rector, der bildhaft anschaulich die Welt in kosmischen<br />
Zusammenhängen zu erklären scheint, mit Johannes von Gmunden (ca. 1380-1442) zu<br />
identifizieren, der von 1416 bis 1425 Professor für Astronomie und Mathematik an der<br />
Universität Wien gewesen war. 50<br />
Text und Bilder dieses abschließenden Teils wiederholen auf höherem Niveau<br />
Vorstellungen, die bereits Ausdruck gefunden hatten im Iatromathematischen<br />
Kalenderbuch im Kapitel über die Geomantie und über das Zusammenwirken und den<br />
Einfluß der Gestirne vor allem auf die Physis des Menschen. Auch dort wurden die<br />
kosmischen Sphären beschrieben: …Auch betutet die oberte figure an dem bilde die<br />
echte peren vnder dem critallen hiemel mit ynen planeten ternen vnd zeichen….<br />
Diesem Text gegenüber steht ein über die ganze Spalte reichendes Bildnis eines ihrer<br />
gelehrten Hochmeister, der als Attribut zwei Bücher in den Händen hält und erhöht am<br />
Ende einer neunstufigen Treppe steht, an der ein Zählbrett mit den Zahlen 1 bis 9<br />
hängt. Ein ungewöhnlich großes, senkrecht hängendes Schriftband verkündet wellicher<br />
48 HAUBER, 1916, Taf. 1 u. Abb. 1. – Saxl, 1927, Bd. 2, S. 27-28, Abb. 10-11. – HOLLÄNDER,<br />
Weltall, Weltbild, Bd. 4 (1972), Sp. 498-509. – KATALOG, 1991, Bd. 1, 11.43, S. 459-460, Text<br />
25. – GUNDEL, 1992, Kat.-Nr. 442 (Tübingen Md 2). – Zur Beschreibung der elf Himmelschöre<br />
im Kodex Schürstab: LENHARDT, 1983, S. 74-77 (Edition des Textes).<br />
49 EUW, 1989, S. 17-19 (Die astronomischen Weltbilder der Griechen und Römer). – BLUME,<br />
2000, S. 173 mit Verweis auf die ältere Aratus-Tradition. – Zu vergleichen ist auch der<br />
planisphäre Himmelsglobus mit den Sternbildern in der Handschrift Clm 210 der Bayerischen<br />
Staatsbibliothek München (Auf den Spuren des Mittelalters, 2005, Kat.-Nr. 2 mit Abb.).<br />
50 FOLKERTS, 1983, Sp. <strong>63</strong>0-<strong>63</strong>5.