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CIMA 63 Titel Inhalt

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115<br />

inhaltliches Konzept und die damit verbundene Ausstattung der Handschrift<br />

realisieren zu können. Die häufigen theologischen Textbezüge verweisen<br />

tendenziel mehr auf einen geistlichen als auf einen weltlichen Protagonisten.<br />

— ein Redaktor und Bearbeiter, der die praktischen Arbeiten der Herstellung leitete<br />

und koordinierte, der das Verhältnis von Text und Bild austarieren mußte, d.h.<br />

auch die Reihenfolge bei der Ausführung vorher bestimmte; teilweise mußten<br />

offenkundig vorliegende Texte gekürzt und besonders Tabellen der Seiten- oder<br />

Spaltenbreite mühevoll angepasst werden.<br />

— Eine Gruppe von untergeordneten Mitarbeitern, darunter ein „Hersteller―, der die<br />

Papierbogen vorbereitete, die Lagen zusammenstellte und das Seitenlayout mit<br />

dem Liniensystem einrichtete, möglicherweise auch die mehr oder weniger<br />

umfangreichen Tabellen mit ihren Spalten; ein Schreiber (oder Kopist) und<br />

Rubrikator, der z.B. Schreibfehler selbst bemerkte und korrigierte, der Rubriken,<br />

Strichelungen und Unterstreichungen eintrug, und eventuell auch die Initialen<br />

gestaltete; ein Korrektor, der am Rande Bemerkungen anbrachte wie der schryber<br />

ylt (Bl. 40ra) und andere Hinweiszeichen schrieb oder zeichnete.<br />

— ein sehr geübter und stilsicherer Zeichner, der sich bei voller Kenntnis des Textes<br />

und der Textstruktur in der klassischen Ikonographie auskannte oder Bildvorlagen<br />

souverän umsetzte, und sogar eigene Bilderfindungen zufügte; ein Kolorist, der<br />

auch den Farbenkanon z.B. bei der Verteilung der Elementarfarben kannte und<br />

richtig anwandte, und die entsprechenden Farbvorräte zur Verfügung hielt.<br />

Natürlich waren diese Tätigkeiten auch in Personalunion durchführbar, vom<br />

Herausgeber bis zum Redaktor, vom Schreiber bis zum Koloristen. Alle Mitwirkenden<br />

mußten sich möglichst an einem Ort befinden, was die Existenz einer wissenschaftlich<br />

ausgerichteten Bibliothek mit leistungsfähigem Scriptorium voraussetzt. Ein reges<br />

intellektuelles, monastisches Umfeld mit Einfluß auf die Text- und Bildgestaltung ist<br />

wahrscheinlicher als eine Kanzlei oder gar eine Werkstatt. 73 Zu bedenken ist auch, daß<br />

an einem solchen Zentrum eine Vorlage als „Arbeitsexemplar― zur Verfügung<br />

gestanden haben könnte, nach der Kopien je nach Bedarf und Anforderung hergestellt<br />

und an verschiedene Orte geliefert wurden, was etwa den gleichen Wortlaut in<br />

unterschiedlichen Handschriften erklären würde. Unsicher ist die Zeitdauer, die für die<br />

Gesamtherstellung einer Handschrift wie Tübingen Md 2 zu kalkulieren ist.<br />

Zu bedenken in diesen Zusammenhängen wäre übigens auch der Widerspruch<br />

zwischen dem bairisch-schwäbischen Schrifttypus und dem vermuteten Herstellungsort<br />

in der Gegend von Ulm 74 und dem niederalemannisch-rheinfränkischem<br />

Schreibdialekt, der auf eine (Text-)Vorlage hindeuten könnte.<br />

73 Ein solches Zentrum war das Benediktinerkonvent Wiblingen, das von HAUBER, 1916, S.<br />

254 in Erwägung gezogen wurde.<br />

74 Dazu BRINKHUS, ‚ Beschreibung der Handschrift…‘.

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