CIMA 63 Titel Inhalt
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114<br />
des „Bild- und Textredaktors― gehörte, der, von dem klassischen Paar ‚lerneifriger,<br />
wissbegieriger König‘ (Ptolemäus) und ‚gelehrter Berater‘ (Pythagoras) ausgehend, die<br />
historische Linie verlängerte über die ihm wahrscheinlich bekannte Beziehung<br />
zwischen Kaiser Friedrich II. und dem Hofastrologen und Berater Michael Scotus und<br />
antizipierend weiterführte zu seiner eigenen gegenwärtigen Situation, denn das gelehrte<br />
Bild- und Text-Werk für das gemeinsame Studium legte er in Tübingen Md 2 vor. Eher<br />
unwahrscheinlich ist es, daß sich hinter dem großen Lehrervorbild nun der recht<br />
bescheiden wirkende und heute völlig unbekannte Meister Joseph versteckt. Wer aber<br />
könnte sein hochrangiges, wenn auch nur in schmeichelnd erhöhender Absicht so<br />
imposant dargestelltes Gegenüber sein? Ist damit gleichzeitig der Auftraggeber,<br />
Empfänger und Besitzer des Kompendiums gemeint, oder eine diesem nahestehende<br />
Person? Das Bild ist wohl eine eigenständige Zutat nur dieser aufwendig gestalteten<br />
Handschrift, jedenfalls ist ein Vorbild nicht bekannt, und es dürfte nicht ohne Grund an<br />
so prominenter Stelle erscheinen.<br />
Vermutlich ist es wieder nur eine zufällige Namensgleichheit zum Doctor dietheric(us)<br />
de gottinge(n), wenn unter dem Tierkreiszeichen Stier ein wohl durchaus<br />
realitätsbezogenes Bild einen vornehmen jungen Mann zeigt, der in untertäniger<br />
Haltung mit Federbarett in der linken und Schlüsselbund in der rechten Hand auf einem<br />
Grasflecken steht mit einem Schriftband diderich hus knecht. Die Figur wird links<br />
gerahmt von einem Schriftband Ich bins gedingt vmb groen lon / darumb muß ich<br />
orgen vnd fruw vff tan (Bl. 66vb). Weist das Dienstverhältnis und der Name (wenn es<br />
eine Genetiv-Konstruktion wäre) vielleicht auf den herrschaftlichen Besitzer der<br />
Handschrift hin? Die Ungewissheit hinsichtlich des Besitzers ließe sich wohl klären,<br />
wenn es gelänge, die heraldische Beziehung des Wappenensembles auf Bl. 13v zu<br />
deuten, da sich daraus ableiten ließe, für welche hochrangige Persönlichkeit diese<br />
bedeutende Handschrift bestimmt war. 72<br />
Es ist vielleicht ganz nützlich, sich die konkreten Voraussetzungen für die Entstehung<br />
der einmaligen Handschrift Tübingen Md 2, die ein überlieferungsgeschichtlich<br />
vielfältiges Werk enthält, bewußt zu machen. Viele Faktoren wären gründlich zu<br />
bedenken, einiges soll und kann nur stichwortartig angedeutet werden. An der<br />
Herstellung dieser Handschrift dürften außer den Übersetzern/Bearbeitern der<br />
Werkteile mitgewirkt haben:<br />
— ein aus eigenem Antrieb oder im Auftrag handelnder Gelehrter und „Herausgeber―,<br />
der die Autorität, die Kenntnis der Tradition und Übersicht der Materie, die<br />
Verbindungen zu klerikalen und gelehrten Kreisen und die praktischen<br />
Möglichkeiten hatte, ein Konzept für das Gesamtwerk zu entwerfen, der<br />
bestimmte, welche inhaltlichen Teile in das Kompendium aufzunehmen waren<br />
bzw. die Vorlage(n) für Texte und Bilder beschaffte oder Zugang dazu hatte, und<br />
der über erhebliche Ressourcen verfügte, z.B. für die Papierbeschaffung in großer<br />
Menge, oder der mit einem potenten Auftraggeber zusammenarbeitete, um sein<br />
72 Für die Hilfe bei der heraldischen Beschreibung danke ich Herrn Prof. Dr. Dr.<br />
Heydenreuter, Bayer. Hauptstaatsarchiv München.