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CIMA 63 Titel Inhalt

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113<br />

und den „zaichen der natürleichen siten―, das heißt von den Eigenschaften des<br />

Menschen gedeutet nach der körperlichen Beschaffenheit, und eine der Quellen hierfür<br />

soll das ‚Liber ad Almansorem‘ des Rhazes sein, eine Autorität, die auch im Tübinger<br />

Kalenderbuch zitiert wird: Rais [Rhazes] pricht das dauon komet der teyn… (Bl.<br />

18ra), wo sich nach der Darstellung des Mikrokosmos wiederum ein Hinweis auf die<br />

Beschaffenheit von Mensch und Tier findet: Hye nach ol man mercken wie gedeilt<br />

ollen werden durch eynen iglichen menchen oder durch alles das Das den lip hat vnd<br />

das da viere fuße hat… Wyne nu getalt werden oder alle tiere die da vier fuße hant…<br />

Nach ußwionge der kunte Geomancia (Bl. 34va/35va), vielleicht ein versteckter<br />

Hinweis darauf, daß die deutschen Texte zeitlich doch weiter zurückliegen könnten. 71<br />

Aus einer übergeordneten theologisch-philosophischen Perspektive betrachtet, könnte<br />

die kunt der Astronomie/Geomantie, deren Ziel es ist, die Eigenschaften des<br />

menschlichen Individuums, Krönung der Schöpfung, zu ergründen – worauf in den<br />

Texten immer wieder verwiesen wird – im Ergebnis letztendlich als ‚Buch von den<br />

Menschen‘ komplementär zum ‚Buch der Natur‘ eines Konrad von Megenberg, das die<br />

Tiere, Pflanzen und Steine nach den Wesensmerkmalen ihrer Erscheinung oder Gestalt<br />

ordnet, zu bewerten sein. In diesem Sinn bilden beide Werke zusammen das<br />

vollkommene Ganze für die Darstellung und Erklärung der göttlichen Schöpfung – was<br />

zu beweisen bleibt.<br />

Die Hauptfunktion des Gelehrten-Ichs ist nach der Wissensrezeption die<br />

Wissensvermittlung an ein Adressaten-Du oder auch -Ihr: Nv olt [du] nehmen alle<br />

figuren jn der Geomantien nach den als die gefallent jn eyner iglichen quetion…<br />

…nach dem als ich mich vertan… (Bl. 285va/286ra). Zur Funktion des Lehr- oder<br />

Schulmeisters passt das stets präsente pädagogische Vokabular wie: Als vns alle<br />

naturliche meiter bechriben vnd leren…, Nu wil ich etwas chriben von nature vnd<br />

eigentchafft der zwolff zeichen…, leret vns hie dis Cappittel…, Man ol mercken…, Es<br />

it zu wien…, Dis ollent ir alo vertan vnd wien…. Allerdings werden diese<br />

Adressaten des Wissenstransfers, wie in deutschsprachigen Texten dieses Typs üblich,<br />

als die Ungelehrten, die Lateinunkundigen und (noch) Unwissenden angesprochen das<br />

it nit gut zu becheiden den vngelerten (Bl. 46va), vielleicht nur eine rhetorische<br />

Figur, die wohl auch als anstachelnder pädagogischer Topos eingesetzt wird, der sich<br />

selbst im noch viel anspruchsvolleren ‚Liber introductorius‘ des Michael Scotus findet.<br />

Die Lehrhaftigkeit des Textes bekommt einprägsame Unterstützung durch die bildliche<br />

Darstellung, die gleichzeitig auch der optischen Gliederung des Kompendiums als<br />

Wissensspeicher dient, das für den erfahrenen Lehrer zu einem übersichtlichen<br />

Handbuch wird.<br />

Die eindrucksvolle Lehrer-Schüler-Szene, die den Teil der kunt Geomantia von India<br />

eröffnet (Bl. 273v), ist durchaus programmatisch zu verstehen: Von der Sternensphäre<br />

überwölbt studieren die beiden imperialen Gestalten gemeinsam ein Bildwerk, ein<br />

gelehrtes Buch über die Astronomie und Geomantie. Mit einiger Gewissheit kann<br />

angenommen werden, daß die Einfügung dieses Schlüsselbildes zum Gesamtkonzept<br />

71 s. BRÉVART/FOLKERTS, Verfasserlexikon 2 , 1983, Bd. 4, Sp. 734ff. – HAYER, 1997, S. 13-14.

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