Kulturtouristische Netzwerke im ländlichen Raum - Ostdeutscher ...
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kulturtouristische <strong>Netzwerke</strong> <strong>im</strong> l ändlichen R aum<br />
Gartenträume erkannt haben, war dies möglich. Und letztendlich sind es natürlich nicht die Institutionen,<br />
sondern vielleicht vier Hände voll engagierter Menschen, die voller Elan und Energie das<br />
Projekt ins Rollen gebracht und <strong>im</strong> Rollen gehalten haben.<br />
Was war nun zuerst da – sind die Gartenträume die Henne oder das Ei? Wie zur Zeit der Entwicklung<br />
der Straße der Romanik die gesellschaftlichen Tendenzen „back to the roots“ wiesen und der<br />
Mittelaltertourismus als Thema in der Luft lag, so war auf jeden Fall der Trend zum „Garten“ als<br />
kultur- und freizeittouristisches Thema europaweit spürbar. Gärten, sie nutzen und anzuschauen,<br />
sie zu bewirtschaften und zu besuchen, durchziehen die gesamte Menschheitsgeschichte,<br />
scheinen aber gerade <strong>im</strong> globalisierten und technisierten Heute ein tieferes Bedürfnis zu sein.<br />
„Lust auf Garten“ titelt schon das Lufthansa-Magazin 2000 und dokumentiert, was nicht nur in<br />
der sprunghaft angewachsenen Zahl von Gartenmagazinen deutlich wird: Freizeitgärtnern ist in<br />
Deutschland ein Wachstumsmarkt. Auch der dort zitierte Hamburger Trendforscher Peter Wippermann<br />
bescheinigt dem Thema Garten eine „große Zukunft“. Neben Gärtnern und Gartenlektüre<br />
erleben Gartenreisen in historische und neue Parks einen Boom. Für die Touristen sind Schauen<br />
und Nachmachen wichtige Gründe für einen solchen Besuch. Befragungen bestätigen die Prognosen<br />
der Experten: Die Gäste wollen in erster Linie Blumen sehen und Pflanzen bestaunen,<br />
spazieren gehen und Ruhe, Erholung und Entspannung empfinden sowie Kaffees, Restaurants<br />
und eventuell Veranstaltungen in Gärten besuchen.<br />
Wenn auch der wachsende Markt des Freizeitgärtnerns nicht direkt mit dem Gartentourismus verglichen<br />
werden darf, sind doch dessen Zahlen beeindruckend: Danach wurden 2001 <strong>im</strong> Bereich<br />
Gartenbedarf (Möbel, Geräte, Dekoration, Erden, Dünger etc.) rund sechs Mrd. und für lebendiges<br />
Grün (ohne Schnittblumen) rund vier Mrd., also insgesamt ca. zehn Mrd. Euro in Deutschland ausgegeben.<br />
Diese Werte decken sich auch mit den positiven Prognosen der Demoskopen, die den<br />
Deutschen 2002 eine ungebrochene Leidenschaft für Gärten attestieren: 58 % der Bevölkerung<br />
besitzen einen Garten, weitere 7,4 Mio. hegen einen bisher unerfüllten Gartenwunsch. Neben<br />
den traditionellen Gartenreisen nach England und Frankreich, in den vergangenen Jahren auch<br />
nach Holland und Belgien entstehen in Deutschland nunmehr in zunehmendem Maße Gartenrouten.<br />
Quer zum virtuellen Zeitgeist wächst also die Neigung zu Gärten – anschauen, genießen,<br />
gärtnern, kreativ sein. Dabei führt wie be<strong>im</strong> Mittelaltertourismus die ältere Generation deutlich<br />
die Zielgruppe an – dies aber konstant. Und das bedeutet, dass die Gartenbegeisterung wie der<br />
Kulturkonsum mit dem Alter zun<strong>im</strong>mt und damit das Gartenthema die einzige, in den nächsten<br />
zwanzig Jahren rasant wachsende Altersgruppe bedient.<br />
Parallel zu diesen allgemeinen Trends gab es in Sachsen-Anhalt die Initialzündung der Gartenträume,<br />
die Sehnsüchte und Bedürfnisse des post-postmodernen Menschen zumindest teilweise<br />
befriedigen möchten. Aus diesem Bewusstsein heraus wurde ab 2000 auf Initiative des Wirtschaftsministeriums<br />
das Landesprojekt „Gartenträume“ als einmaliges Bindeglied zwischen dem<br />
Kultur- sowie Naturerbe Sachsen-Anhalts entwickelt. Ausgehend von der Beschäftigung einerseits<br />
mit dem Gartenreich Dessau-Wörlitz und andererseits mit der Bundesgartenschau Magdeburg<br />
1999 sind die Gartenträume wie das Blaue Band und die Straße der Romanik nicht aus einem<br />
willkürlichen Akt oder allein von der Nachfrageseite her entstanden, sondern aus der endogenen<br />
und gewachsenen, einmaligen und authentischen Gartenkulturlandschaft, die sich über das ganze<br />
Bundesland zieht.<br />
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