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Visuelle Modelle - edoc-Server der BBAW - Berlin ...

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Das Spiel mit <strong>Modelle</strong>n<br />

113<br />

ebenfalls mit Fe<strong>der</strong> und brauner Tinte aufgetragen, mithilfe dessen <strong>der</strong> modello<br />

auf die Größe des cartone hinaufskaliert werden konnte. 53 Die Besiedelung des<br />

Blattes, in <strong>der</strong> die Zeichnung gewissermaßen wie in einem Sandwich zwischen<br />

zwei Rastern liegt, macht die Mittelstellung des modello zwischen den zwei Hauptetappen<br />

des Werkprozesses sichtbar: Mit <strong>der</strong> Übertragung des concetto in den<br />

modello ist die Entwurfsphase abgeschlossen. Von diesem abschließenden Schritt<br />

zeugt das erste Raster. Mit <strong>der</strong> Übertragung des modello in den cartone, <strong>der</strong> sich<br />

zum Tafelbild im Maßstab 1:1 befunden haben und auf den Bildträger durchgepaust<br />

worden sein dürfte, ist die Ausführungsphase des Gemäldes eingeleitet. Diesen<br />

Schritt bezeugt das zweite Raster.<br />

Die Entsprechungen zwischen dem modello und <strong>der</strong> Pala Baglioni sind weitreichend.<br />

Lediglich die im modello hinter Maria Magdalena stehende Figur und<br />

<strong>der</strong> angedeutete Segensgestus <strong>der</strong> herabhängenden rechten Hand Christi wurden<br />

nicht in das Gemälde übernommen. Vergrößert man den modello mit digitaler<br />

Hilfe auf die vermutete Größe des cartone und überlagert ihn mit dem Gemälde,<br />

so zeigt sich, dass einzelne Elemente, etwa <strong>der</strong> Kopf <strong>der</strong> Maria Magdalena, nahezu<br />

kongruent kopiert wurden und nur dessen Position geringfügig verschoben<br />

wurde (Abb. 5). Es scheint daher, als seien die gerasterten Elemente des modello<br />

bei <strong>der</strong> Übertragung noch leicht an die harmonische Anmutung im endgültigen<br />

Maßstab angepasst worden. So könnte die erwähnte Zurückverlegung des Kopfes<br />

<strong>der</strong> Maria Magdalena möglicherweise darin begründet sein, dass ihre Nähe zu<br />

Christus im großen Format allzu intim gewirkt haben könnte. Diese Verän<strong>der</strong>ungen<br />

sind j<strong>edoc</strong>h so geringfügig, dass sie keinen sinnvollen Zweifel daran begründen<br />

können, dass mit dem modello <strong>der</strong> Bildfindungsprozess <strong>der</strong> Pala Baglioni<br />

abgeschlossen war. Die Entwurfsphase stellt sich als ein komplexes Geflecht<br />

aus Vorbil<strong>der</strong>n, Anfor<strong>der</strong>ungen, Zeichnungen, Zurückweisungen und Teiladaptionen<br />

dar, die anschließende Ausführungsphase hingegen wird durch drei klar sukzessive<br />

Abschnitte geglie<strong>der</strong>t: durch die Übertragung vom modello zum cartone, die<br />

Übertragung vom cartone auf den Bildträger und schließlich den Farbauftrag.<br />

Rekapituliert man nun den Werkprozess <strong>der</strong> Pala Baglioni, so sieht man den<br />

modello als Endpunkt des Entwurfsprozesses und Ausgangspunkt des Ausführungsprozesses.<br />

Der modello vereint und verdichtet sämtliche Überlegungen, die<br />

für geeignet befunden worden waren, die lange Reihe <strong>der</strong> gestellten Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

zu erfüllen. Er konnte erst zum Vorbild für das Tafelbild werden, als<br />

Raffael durch ihn die vertraglichen Anfor<strong>der</strong>ungen ebenso erfüllt sah wie seine<br />

eigenen künstlerisch-ästhetischen Ansprüche. Wenngleich Vasari berichtet, Raffael<br />

habe den cartone nicht in Perugia, also in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Auftraggeberin, son<strong>der</strong>n<br />

in Florenz hergestellt, wurde <strong>der</strong> modello ihr doch möglicherweise zuvor<br />

noch einmal vorgelegt. Sofern dies <strong>der</strong> Fall war, muss auch sie ihre Vorstellung<br />

durch den modello erfüllt gesehen haben. Der modello unterscheidet sich nur sekundär<br />

durch Merkmale wie die große Sorgfalt, mit <strong>der</strong> er gezeichnet wurde o<strong>der</strong><br />

53 Carmen Bambach Cappel: »Modello«. In: Dictionary of Art, Bd. 21, New York 1996,<br />

S. 762–771; hier S. 763. Siehe auch Knab, Mitsch, Oberhuber 1983 (wie Anm. 32), S. 97.

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