Visuelle Modelle - edoc-Server der BBAW - Berlin ...
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wird doch klar, dass <strong>der</strong> Nobelpreisträger keine mathesis singularis betreiben,<br />
son<strong>der</strong>n einen Typ von Strahlen sichtbar machen und untersuchen wollte. Das<br />
Typische und Verallgemeinernde dieser Fotogramme, für <strong>der</strong>en Genese ein Wissen<br />
um die Eigenschaften <strong>der</strong> Strahlen, wie zum Beispiel ihr Unvermögen, Blei zu<br />
durchdringen, wesentlich waren, gab Becquerel die Möglichkeit, weitere Schlüsse<br />
über die radioaktive Emission zu deduzieren. Die Visualisierungen erscheinen<br />
als <strong>Modelle</strong> <strong>der</strong> Emission, da sie »das Ergebnis einer in einem weiten Sinne verstandenen<br />
Induktion« sind. »Der in Form und Repräsentation gefasste Inhalt«<br />
lässt sich »bei <strong>der</strong> Anwendung des Modells wie<strong>der</strong> herauslösen und auf einen<br />
an<strong>der</strong>en Gegenstand übertragen.« 41<br />
Fazit – Anschaulichkeit und Wie<strong>der</strong>holbarkeit als Voraussetzung<br />
für Evidenz<br />
Die Frage, ob ein Fotogramm die auf ihm repräsentierten Fakten transportieren<br />
und somit zu einer Ikone des Wissens werden kann, scheint daran gebunden zu<br />
sein, ob das fotografische Bild anschaulich und wie<strong>der</strong>holbar ist. Während gegenständliche<br />
Fotografien in <strong>der</strong> Regel als anschaulich bezeichnet werden können,<br />
gilt dies nicht o<strong>der</strong> nicht ohne weiteres für Fotogramme, <strong>der</strong>en Referent unsichtbar<br />
ist. Ritters Visualisierung des Ultravioletts erhielt seine Glaubwürdigkeit dadurch,<br />
dass er die voranschreitende Schwärzung des Hornsilbers durch eigene<br />
Beobachtung bezeugen konnte. Die Gleichzeitigkeit von Experiment und Visualisierung<br />
machte die Aufzeichnung anschaulich. War diese direkte Beobachtung<br />
nicht möglich, so musste die Spur, welche die nichtsichtbaren Strahlen auf <strong>der</strong><br />
fotografischen Schicht hinterlassen hat, um eine »Zweitheit« 42 ergänzt werden. In<br />
den Radiografien <strong>der</strong> Röntgenoperateure machte <strong>der</strong> Gegenstand, <strong>der</strong> auf die<br />
Fotoplatte gelegt wurde, aus dem unlesbaren Zeichen eine visuelle Information.<br />
Auch die Ergänzung um einen weiteren Index, den <strong>der</strong> Bildunterschrift, konnte<br />
das Fotogramm des Unsichtbaren für den Betrachter verständlicher machen. Das<br />
Beispiel des »Magnetiseurs« Rohm zeigt j<strong>edoc</strong>h, dass diese Ergänzungen nicht<br />
ausreichend waren, wenn <strong>der</strong> fotografische Versuch nicht wie<strong>der</strong>holt werden<br />
konnte. Wesentlich für die epistemologische Funktion des Fotogramms ist, ob<br />
die Visualisierung unter gegebenen Umständen erneut hätte ausgeführt werden<br />
können. Dazu ist j<strong>edoc</strong>h erfor<strong>der</strong>lich, dass <strong>der</strong> Operateur weiß, wann, wo und<br />
wie ein Bild entstanden ist und was die Reaktion <strong>der</strong> lichtempfindlichen Schicht<br />
hervorgerufen hat. Ist dem Hersteller dies j<strong>edoc</strong>h, wie im Falle Goodspeeds o<strong>der</strong><br />
Rohms, nicht klar, so konnte man von <strong>der</strong> Visualisierung nur sagen, dass »irgendetwas<br />
[…] eine Spur hinterlassen hat. Doch hierbei läßt sich die Ursache nicht<br />
aus <strong>der</strong> erreichten Wirkung ablesen. Die Ursache beschränkt sich darauf zu<br />
41 Mahr 2004 (wie Anm. 8), S. 12.<br />
42 Peirce 1983 (wie Anm. 12), S. 71.<br />
Das Fotogramm als visuelles Modell?