Visuelle Modelle - edoc-Server der BBAW - Berlin ...
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Einen alten Baum verpflanzt man nicht<br />
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Baums, mit aller verwirrenden diesbezüglichen Metaphorik, die eine Ordnung<br />
darin aufwerfen kann; etwa: vom Kopf zum Schwanz, von links nach rechts o<strong>der</strong><br />
gerade umgekehrt? Ist ein Kreis nicht genauso gut als Ausdruck einer hierarchischen<br />
Struktur geeignet wie ein Baum? Könnte <strong>der</strong> Kreis nicht auch Hierarchie<br />
ausdrücken, indem man konzentrische Kreise vom Mittelpunkt zur Peripherie<br />
nutzt?<br />
Die Frage, warum sich trotzdem die Baummetapher durchgesetzt hat, haben<br />
Hermann Schadt und Christiane Klapisch-Zuber beantwortet: Der Porphyrianische<br />
Baum ist unter dem Einfluss einer an<strong>der</strong>en Figur entstanden, nämlich <strong>der</strong><br />
arbor iuris in juristischen Texten, <strong>der</strong> schon oben im Kontext <strong>der</strong> Syndesmosgestalt<br />
vorgestellt wurde. 28 Auch von <strong>der</strong> arbor iuris wird manchmal behauptet, dass<br />
die Darstellung als Baum geeignet sei, da sie eine hierarchische Staffelung und<br />
zugleich eine organische Verbindung zwischen den Mitglie<strong>der</strong>n einer Familie visualisiere.<br />
29 Das älteste Beispiel für die Figur mit <strong>der</strong> Qualifikation »arbor iuris«<br />
datiert aus <strong>der</strong> Zeit um 800 und kommt vor am Rand <strong>der</strong> Etymologiae des Isidor<br />
von Sevilla aus dem 7. Jahrhun<strong>der</strong>t, j<strong>edoc</strong>h ohne pflanzliche Ornamentik. 30 Schon<br />
bald wurde die arbor iuris durch die Hinzufügung einiger Blätter, Blüten o<strong>der</strong><br />
Zweige mit vegetativen Elementen ausgestattet und ist letztlich als vollständiger,<br />
üppiger Baum gestaltet worden. 31 Die Zustimmung dazu, dass man die Figur mit<br />
Zweigen ausstatten durfte, gab <strong>der</strong> Autor selbst, <strong>der</strong> die arbor iuris vorstellte mit den<br />
Worten: »stemmata dicuntur ramusculi […] quorum figurae haec sunt«. 32 Die<br />
ramusculi (Zweige) und <strong>der</strong> Name »arbor« für die juristische Figur sind möglicherweise<br />
inspiriert vom griechischen Namen <strong>der</strong> Figur: stemma, was Kranz o<strong>der</strong> Laubwerk<br />
bedeutet. 33 Esmeijer aber argumentiert, dass <strong>der</strong> Kreis die am besten geeignete<br />
Figur ist, da Stemma »Kranz« bedeutet. 34 Hier wird deutlich, wie willkürlich<br />
Metaphern und Figuren miteinan<strong>der</strong> verknüpft werden können.<br />
Es scheint mir plausibel, dass die Baum-Nomenklatur des Porphyrianischen<br />
Baums <strong>der</strong> arbor iuris entstammt und dass die juristische Figur möglicherweise die<br />
Basis für die umfangreiche visuelle botanische Metaphorik ist. Wie bereits gezeigt<br />
wurde, war die Darstellung des Porphyrianischen Baums als Baum im 13. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
eine Neuentwicklung. Dass die Baummetapher gerade im 13. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
verstärkt verbreitet wurde, ist eine Folge <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ungen im juridischen Bereich,<br />
28 Schadt 1982 (wie Anm. 25), S. 84. Christiane Klapisch-Zuber: L‘ombre des ancêtres. Essai<br />
sur l‘imaginaire médiéval de la parenté, Paris 2000, S. 36 und S. 43.<br />
29 Evans j<strong>edoc</strong>h meint hier, dass die Arbor consanguinitatis im Gegensatz zum Porphyrianischen<br />
Baum keine Ähnlichkeit mit organischem Wuchs in <strong>der</strong> Struktur aufweist, weil er<br />
keine analytische Verzweigung kennt, aber vom Mittelpunkt aus analysiert werden soll.<br />
Evans 1980 (wie Anm. 6), S. 37.<br />
30 Escorial, Biblioteca del monasterio, ms. & I 14, fol. 51v. Schadt 1982 (wie Anm. 25),<br />
S. 15 und S. 80.<br />
31 Ebd., S. 68, S. 81 und S. 172–174.<br />
32 Isidor von Seville: Etymologiae, IX.vi.28.<br />
33 Klapisch-Zuber 2000 (wie Anm. 28), S. 20.<br />
34 Esmeijer 1973 (wie Anm. 24), S. 117.