Visuelle Modelle - edoc-Server der BBAW - Berlin ...
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als nutzlose, pathologische und schädliche Teile wahrgenommen und entsprechend<br />
behandelt. 31<br />
Eine weitere Eigenart <strong>der</strong> Organismus-Metapher besteht darin, dass sie ihre eigene<br />
Wirksamkeit verdeckt. Indem die gesellschaftlichen Zustände als natürliche, als<br />
empirische Wirklichkeit dargestellt werden, wird zugleich die Leistung <strong>der</strong> Metapher<br />
am Zustandekommen dieser sozialen Wirklichkeit ausgeblendet. Die Organismus-Metapher<br />
etabliert eine Grenze zwischen empirischer gesellschaftlicher<br />
Wirklichkeit und ihrer objektiven soziologischen Beschreibung. Dass diese Beschreibung<br />
wie<strong>der</strong>um ein Teil <strong>der</strong> Gesellschaft und damit selbst Teil des zu Beschreibenden<br />
ist, gerät aus dem Blick. Für die Organismus-Metaphorik gilt also, dass sie gerade<br />
auch durch die Ausblendung <strong>der</strong> eigenen Leistung wirksam werden kann.<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Metapher des Organismus in <strong>der</strong><br />
frühen soziologischen �eoriebildung sehr wirkungsvoll war und viele wichtige<br />
Funktionen ausgeübt hat. 32 Auch wenn die Metapher des Organismus als die<br />
wichtigste Metapher <strong>der</strong> frühen Soziologie gelten kann, ist sie nicht die einzige<br />
Metapher dieser Zeit und schon gar nicht aller soziologischen �eorien. Vielmehr<br />
gibt es sehr unterschiedliche Bil<strong>der</strong> des Sozialen, die das, was man jeweils unter<br />
»Gesellschaft« versteht, auch entsprechend unterschiedlich prägen. 33 Die Bil<strong>der</strong><br />
(Metaphern) generieren und fokussieren Wissen. Es liegt daher nahe, nach ihrem<br />
Modellcharakter zu fragen.<br />
Metaphern als <strong>Modelle</strong><br />
Tobias Schlechtriemen<br />
Im nächsten Schritt sollen nun die Konzepte ›Metapher‹ und ›Modell‹ aufeinan<strong>der</strong><br />
bezogen und gefragt werden, inwieweit Metaphern als <strong>Modelle</strong> verstanden<br />
werden können. 34 Damit wird auch danach gefragt, ob und auf welche Art und<br />
Weise Bil<strong>der</strong> <strong>Modelle</strong> sein können. Metapher und Modell in Verbindung zu setzen,<br />
31 Daraus lässt sich allerdings nicht allgemein die �ese ableiten, dass die organische Metaphorik<br />
ein Indiz für konservative politische Einstellungen ist. Denn geschichtlich stand die<br />
Organismus-Metapher sowohl für die Hoffnung auf politische Partizipation bis hin zum<br />
herrschaftsfreien System als auch für die Verteidigung einer antirevolutionären Politik des<br />
Nicht-Eingreifens. Siehe dazu Dohrn-van Rossum 1977 (wie Anm. 20), S. 17f.<br />
32 Es lässt sich zeigen, dass es einige Kontinuitäten zwischen <strong>der</strong> Metapher des Organismus<br />
und <strong>der</strong> des Systems (etwa bei Luhmann) gibt und die Organismus-Metaphorik in dieser<br />
Form weiter wirksam ist bzw. in die System-Metaphorik übergeht. Siehe Lüdemann 2004<br />
(wie Anm. 2), S. 18. Lüdemann 2007 (wie Anm. 13), S. 179f.<br />
33 Auch <strong>der</strong> vorliegende Text bewegt sich in bestimmten Metaphoriken, wie beispielsweise <strong>der</strong><br />
Rollen-Metapher, die zur �eater-Metaphorik gehört. Siehe Ralf Konersmann: »Die Metapher<br />
<strong>der</strong> Rolle und die Rolle <strong>der</strong> Metapher«. In: Archiv für Begriffsgeschichte 30 (1986/87),<br />
S. 84–137.<br />
34 Schon Ernest H. Hutten erwähnt – meines Wissens als erster – die Möglichkeit Metapher<br />
und Modell zusammen zu denken. Siehe Ernest H. Hutten: �e Language of Mo<strong>der</strong>n<br />
Physics. An Introduction to the Philosophy of Science, London, New York 1956, S. 84.