STRASSENBAHN MAGAZIN Juwelenjagd in Esslingen - Die unvergessene END (Vorschau)
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Fahrzeuge<br />
Der erstgelieferte Mülheimer Großraumwagen – Tw 220 – hat im April 1957 mit e<strong>in</strong>em Beiwagen<br />
die Haltestelle Mülheim-Stadtmitte <strong>in</strong> Richtung Essen verlassen<br />
PETER BOEHM, SLG. AXEL REUTHER<br />
<strong>Die</strong> ersten Nachkriegsjahre <strong>in</strong> Mülheim<br />
Unmittelbar nach dem Ende der Kampfhandlungen<br />
im Ruhrgebiet begann <strong>in</strong> Mülheim der Wiederaufbau.<br />
<strong>Die</strong> Besatzungsmacht und Stadtverwaltung<br />
teilten die Bediensteten der Betriebe der Stadt Mülheim<br />
an der Ruhr am 14. April 1945 zu Reparaturarbeiten<br />
an den Gleisen und Fahrzeugen e<strong>in</strong>. Nur<br />
wenige Strecken waren befahrbar, von den 120<br />
Trieb- und Beiwagen waren 33 Fahrzeuge mehr<br />
oder weniger betriebsbereit. Zum Instandsetzen der<br />
Fahrzeuge mangelte es allerd<strong>in</strong>gs an Materialien.<br />
Hier war Improvisation gefragt. Mit Loren- und Güterwagen<br />
der Straßenbahn fuhren die Männer den<br />
Trümmerschutt ab. <strong>Die</strong> Mitarbeiter leisteten Unvorstellbares,<br />
da bis zum Ende des Jahres 1945 fast alle<br />
Straßenbahnstrecken wieder <strong>in</strong> Betrieb genommen<br />
werden konnten – bis auf e<strong>in</strong>ige Abschnitte im<br />
achsige Wagen. <strong>Die</strong> Entwicklung solcher<br />
Fahrzeuge setzte die ab 1935 zur Waggonfabrik<br />
Uerd<strong>in</strong>gen gehörende Düsseldorfer<br />
Waggonfabrik AG (Düwag) 1949 fort.<br />
Stadtteil Styrum, die nach Brückensprengungen<br />
nicht erreichbar waren. Im Jahr 1946 beförderte die<br />
Straßenbahn <strong>in</strong> Mülheim bereits wieder 27 Millionen<br />
Fahrgäste. Nach der Währungsreform am 20.<br />
Juni 1948 besserten sich die Verhältnisse. <strong>Die</strong> Wiederherstellung<br />
der Strecken gipfelten im Netzanschluss<br />
e<strong>in</strong>er neuen Siedlung <strong>in</strong> Oberdümpten im<br />
Jahre 1952, die heute noch von der L<strong>in</strong>ie 102 bedient<br />
wird. Der Kauf von zehn KSW-Trieb- und fünf<br />
passenden Beiwagen sowie fünf Aufbaumotorwagen<br />
l<strong>in</strong>derte bis 1949 die Kriegsverluste. Inzwischen<br />
zählte der Verkehrsbetrieb jährlich knapp 32 Millionen<br />
Fahrgäste pro Jahr, die er mit veralteten, oft<br />
notdürftig reparierten Zweiachserzügen beförderte.<br />
Ersatz sowie e<strong>in</strong> höheres Platzangebot durch Neubaufahrzeuge<br />
waren dr<strong>in</strong>gend notwendig.<br />
<strong>Die</strong> ersten Bestellungen aus Mülheim<br />
Nachdem der überarbeitete Tandemantrieb<br />
mit Achshohlwellen statt der zuvor verwendeten<br />
Pendelrollenlager die Serienreife erlangt<br />
hatte, bestellten die Betriebe der Stadt Mülheim<br />
an der Ruhr bei der Düwag zunächst<br />
sechs Großraumwagen für E<strong>in</strong>richtungsbetrieb<br />
zum Stückpreis von gut 160.000 DM,<br />
den elektrischen Teil fertigte Siemens. Zu dieser<br />
Zeit hielt man E<strong>in</strong>richtungswagen für<br />
komfortabler als Zweirichter, da sie durch die<br />
geschlossene Bauweise auf der l<strong>in</strong>ken Seite<br />
zugluftfrei waren und mehr Sitzplätze anboten.<br />
Ohne e<strong>in</strong>en zweiten Fahrerplatz samt<br />
Fahrschalter kamen sie auch etwas preiswerter<br />
daher. Der erste Wagen – <strong>in</strong> selbsttragender<br />
Stahlleichtbauweise hergestellt – nahm am<br />
19. Februar 1954 <strong>in</strong> Mülheim den <strong>Die</strong>nst auf.<br />
Zum E<strong>in</strong>satz kamen die neuen Fahrzeuge mit<br />
den Betriebsnummern 220 bis 225 auf den<br />
mit Essen betriebenen Geme<strong>in</strong>schaftsl<strong>in</strong>ien 8<br />
und 18 zunächst solo. An den Endstellen dieser<br />
L<strong>in</strong>ien – <strong>in</strong> Mülheim-Uhlenhorst und <strong>in</strong><br />
Essen-Steele bzw. bei der Verstärkerl<strong>in</strong>ie 8 <strong>in</strong><br />
Essen am Porscheplatz – gab es Gleisschleifen.<br />
Im Mülheimer Gebiet fuhren die neuen Wagen<br />
ab der zweiten Hälfte des Jahres 1954 auf<br />
der L<strong>in</strong>ie 13, nachdem an der Duisburger<br />
Straße/Akazienallee e<strong>in</strong> Gleisdreieck e<strong>in</strong>gerichtet<br />
war und die Endstelle Hauptfriedhof<br />
e<strong>in</strong>e Gleisschleife erhalten hatte. Zum Wenden<br />
<strong>in</strong> Dreiecken verfügten die Fahrzeuge<br />
über entsprechende Heckfahrschalter.<br />
Technische Details der Wagen<br />
Stolz erwähnten die Mülheimer die <strong>in</strong> ihrer<br />
Heimatstadt produzierten Bauteile der neuen<br />
Wagen: die von den Mülheimer Eisenwerken<br />
hergestellten Getriebe und die von der Firma<br />
Neumann gelieferten Lautsprecheranlagen.<br />
<strong>Die</strong> Großraumwagen boten 29 gepolsterte<br />
Sitz- und etwa 80 Stehplätze. Fahrer und<br />
Schaffner führten ihre Tätigkeiten jetzt im Sitzen<br />
aus, während sie zuvor ihre Arbeit täglich<br />
bis zu zehn Stunden stehend verrichtet hatten.<br />
Erstmals steuerten die Fahrer diese Fahrzeuge<br />
nicht mit e<strong>in</strong>er Fahrkurbel, sondern<br />
bedienten den Doppelnockenfahrschalter<br />
mit Schalthilfe über e<strong>in</strong>en Fahrknüppel, wobei<br />
die Bewegung nach vorne „Fahren“ und<br />
nach h<strong>in</strong>ten „Bremsen“ bedeutete (mit dem<br />
Nullkontakt <strong>in</strong> der Mitte der Knüppelführung).<br />
<strong>Die</strong>se Fahrschalter, ausgestattet mit<br />
20 Fahr- (davon elf <strong>in</strong> Serie, acht parallel<br />
und e<strong>in</strong>e mit 30 Prozent Feldschwächung)<br />
sowie 14 Bremsstufen, waren zu dieser Zeit<br />
die modernsten ihrer Art: Sie benötigten im<br />
Verhältnis zu ihrer Leistungsfähigkeit viel<br />
weniger Raum und Gewicht als die älteren<br />
Fahrschalter, weil durch die Doppelnockenschalterbauart<br />
auf die sogenannte Fahr-<br />
Brems-Walze verzichtet werden konnte, was<br />
wiederum Unterhaltskosten e<strong>in</strong>sparte.<br />
Als Antrieb kamen je zwei Motoren des<br />
Typs GB 191 der Siemens-Schuckert-Werke<br />
AG mit e<strong>in</strong>er Leistung von je 95 Kilowatt<br />
zum E<strong>in</strong>bau. <strong>Die</strong> Bremse<strong>in</strong>richtung bestand<br />
aus e<strong>in</strong>er elektrischen Kurzschlussbremse,<br />
elektromagnetischen Schienenbremsen und<br />
e<strong>in</strong>er Handhebelbremse, die durch hydraulische<br />
Druckübertragung auf die Bremstrom-<br />
Der Tw 224 kommt am 31. August 1974 von der<br />
unterirdischen Haltestelle Mülheim Hbf und erklimmt<br />
die provisorische Rampe zur Fahrt nach<br />
Mülheim-Heißen Kirche<br />
WOLFGANG MEIER<br />
38 <strong>STRASSENBAHN</strong> <strong>MAGAZIN</strong> 8 | 2014