Cicero Ist der Islam böse? (Vorschau)
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SALON<br />
Reportage<br />
Der Riss ist für Burgert das tägliche Leben: „Als Künstler<br />
muss ich stets einen Spagat beherrschen. Wenn ich mitspielen<br />
will, dann muss ich Schizophrenien ertragen.“ Burgert<br />
guckt schelmisch und spielt mit einer Zigarette. Sein<br />
blondes Haar fällt locker in die Stirn. Dann schwingt er sich<br />
auf zu einem nächsten Spagat: Reden über eine Arbeit, die<br />
in <strong>der</strong> Stille entsteht; erklären, was eigentlich nicht zu erklären<br />
ist. Changieren zwischen Maler und Marke.<br />
Jonas Burgert beherrscht diese Disziplinen souverän,<br />
trägt Dreitagebart und Pulli unter dunklem Sakko. Nicht<br />
gerade das Outfit von Best-Performern. Doch Jonas Burgert<br />
gehört jetzt zur Spitze. Zu denen, die es in <strong>der</strong> Kunst bis<br />
vor kurzem gar nicht gegeben hat: den „Shootingstars“, den<br />
„Hoffnungsträgern“, den „Supertalenten“. Selbst die Sprache<br />
hat auf sie reagiert. Die Kunstkritik hat umgeschaltet:<br />
von Ästhetik auf Ranking, von Diskurs auf eine Art Stadion-<br />
Slang. Gestern waren es Neo Rauch o<strong>der</strong> Tim Eitel, heute<br />
sind es Jorinde Voigt o<strong>der</strong> eben Jonas Burgert.<br />
Der Maler weiß den neuen Erfolg zu genießen: „Wenn<br />
Leute sagen, dass ihnen Erfolg nicht wichtig sei, dann glaube<br />
ich ihnen das in <strong>der</strong> Regel nicht.“ Burgert<br />
spricht mit schelmischer Freude. Je<strong>der</strong><br />
Satz eine klare Haltung. Der Ruhm habe<br />
ihn ruhiger gemacht. Er habe den großen<br />
Hype einmal durchlaufen: die wichtigen<br />
Magazine, die großen Museen. Nebenher<br />
hat <strong>der</strong> Meisterschüler von Dieter Hacker<br />
sogar Geld verdient. Manche sagen, dass<br />
es viel Geld gewesen sei. Doch dann fällt<br />
<strong>der</strong> Satz, <strong>der</strong> untypisch ist für Bestverdiener.<br />
Der Satz, den so nur Künstler sagen:<br />
„Selbst wenn mein ganzes Geschäft<br />
zusammenbräche, würde ich vermutlich<br />
trotzdem hier sitzen und glücklich sein.“<br />
Der mehrfache Kunstmillionär Gerhard<br />
Richter hat etwas ganz Ähnliches gesagt:<br />
Ihm sei das viele Geld eher unangenehm.<br />
Eigentlich fände er es sogar albern. Richters<br />
Kollege Erwin Wurm sprang dem Maler bei <strong>der</strong> Selbstbeschämung<br />
öffentlich bei. „Blödgesichter“ schimpft Wurm<br />
die großen Sammler und Investoren, die Leuten wie ihm<br />
die Sonnenseiten des Lebens finanzieren.<br />
Irgendwo muss die Wut wohl hin, die Wut über die verlorene<br />
Unschuld. Seit gut zehn Jahren schießen die Preise für<br />
Gegenwartskunst durch die Decke. Und die Kunst begehrt,<br />
nicht schuld daran zu sein. Die klammert sich lieber an innere<br />
Werte, an das Gute und Schöne bei aller Ware. Geld<br />
und Genius scheinen sich dabei mehr und mehr zu verhaken,<br />
spalten sich ab, reden sich schlecht: „Die Kunst ist das einzige<br />
Produkt, das im Kern nicht käuflich ist“, schwärmt etwa<br />
Jonas Burgert, während er die dritte Zigarette des Tages ansteckt.<br />
Jeden Ferrari könne man heute über Katalog erwerben,<br />
jede Luxusjacht könne man nachbauen. Kunst aber sei<br />
etwas Einmaliges. „Geist kann man nicht kaufen. Ein Bacon<br />
o<strong>der</strong> ein Pollock sind die letzten verbliebenen Statussymbole.“<br />
Wer dennoch kauft, <strong>der</strong> muss teuer bezahlen. Finanzkräftige<br />
Sammler legen für den „geilen Geist“ Millionen<br />
hin – wie Freier, die die letzte Jungfrau <strong>der</strong> Nacht umwerben,<br />
wie Kamele auf ihren Wegen durchs Nadelöhr. Erst<br />
jüngst wie<strong>der</strong> konnten sie Erfolge vermelden. Francis Bacons<br />
Triptychon „Three Studies of Lucien Freud“ erzielte<br />
bei einer Auktion in New York einen Erlös von 142 Millionen<br />
US-Dollar, ein „Balloon Dog“ von Jeff Koons hechelte<br />
für 58,4 Millionen Dollar hinterher. Wie<strong>der</strong> einmal zwei<br />
Weltrekorde. Wie<strong>der</strong> einmal <strong>der</strong> Sieg des Geldes. Die Spirale<br />
dreht sich immer weiter.<br />
AUCH JONAS BURGERT dreht sich in ihr mit. Das Doppelte<br />
<strong>der</strong> ursprünglichen Taxe erzielte im Juni 2013<br />
sein Bild „Fluchtversuch“ bei Christie’s in London, über<br />
130 000 Pfund. „Klar“, sagt er, „bei den Auktionen gewinnt<br />
am Ende immer <strong>der</strong> Stärkste. Am Markt zählt einzig<br />
das Bare.“ Dennoch sieht <strong>der</strong> Maler seine Arbeit vom<br />
Geld nicht bedroht. Seine Ideale, sagt er, seien nicht käuflich.<br />
Und dann erzählt Burgert eine kleine Geschichte; eine<br />
Geschichte vom Riss, den man als Künstler erträgt. Sie handelt<br />
von einem Sammler, <strong>der</strong> eines Tages zu ihm ins Atelier<br />
gekommen sei, mitten hierher zu den<br />
Ruinen und Brachen. Unsummen wollte<br />
<strong>der</strong> Sammler Burgert für eines seiner<br />
Seit zehn<br />
Jahren<br />
schießen die<br />
Preise für<br />
aktuelle Kunst<br />
durch die<br />
Decke<br />
Gemälde bezahlen. Und er – <strong>der</strong> Maler,<br />
<strong>der</strong> einfach nur „Bock hat auf gute Bil<strong>der</strong>“<br />
– er habe den großen Reibach lächelnd<br />
verschmäht. „Der Mann ist beinahe<br />
durchgedreht.“ Während Burgert<br />
all das erzählt, erwacht in seinem Gesicht<br />
wie<strong>der</strong> diese schelmische Freude.<br />
„Vielleicht sind wir Künstler die neuen<br />
Narren. Wir sind die Figuren, die alles<br />
dürfen.“<br />
Stefan Haupt wirkt nicht wie ein<br />
Mann für Narreteien; eher nüchtern<br />
und distinguiert. Dunkel <strong>der</strong> Anzug, gestreift<br />
die Krawatte. Haupt schaut aus<br />
dem Fenster seiner großen Anwaltskanzlei<br />
an Berlins Märkischem Ufer. Er blickt hinüber über<br />
die Spree. Alle Blicke scheinen hier von Geld zusammengehalten<br />
zu werden. Am an<strong>der</strong>en Ufer liegt die Finanzverwaltung<br />
von Berlin, nur ein Steinwurf ist es bis zur chinesischen<br />
Botschaft. Menschen, die an Flüssen wohnen, müssen<br />
sich um Wohlstand vermutlich nie wie<strong>der</strong> sorgen. Menschen<br />
an Flüssen genießen den Luxus.<br />
Haupt gibt es offen zu: Kunst, sagt er, sei reiner Luxus.<br />
Mit Kunst hole man sich etwas Schönes ins Leben.<br />
300 Werke zählt seine Sammlung des Schönen – darunter<br />
Arbeiten von Beuys, Balkenhol und Mathieu Mercier.<br />
Mal hängen sie gerahmt an kahlen Wänden, mal stehen sie<br />
als „Ready Mades“ sinnlos herum. Alle Ankäufe hat sich<br />
Haupt gut überlegt. Denn alle verhandeln den ganz großen<br />
Riss: das ambivalente Verhältnis von Kunst und Geld, den<br />
zwei Seiten <strong>der</strong>selben Medaille. Für Haupt ist dieses Sujet<br />
Provokation. Ein Tabu – wie Sex o<strong>der</strong> Tod. Als er angefangen<br />
habe, Kunst zu kaufen, habe er sich das Thema seiner<br />
Sammlung lange durch den Kopf gehen lassen. „‚Kunst<br />
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<strong>Cicero</strong> – 8. 2014