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Cicero Ist der Islam böse? (Vorschau)

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NEBENWIRKUNGEN<br />

am Siegeszug <strong>der</strong> Modedroge Crystal Meth?<br />

Von CONSTANTIN MAGNIS<br />

Illustrationen: Jens Bonnke<br />

Die Idee, dass ein Bundestagsabgeordneter<br />

Crystal-Meth-<br />

Konsument sein könnte, erschien<br />

mir bis vor kurzem noch<br />

genauso grotesk wie die Vorstellung, er könnte eine<br />

Sexaffäre mit einem tollwütigen Grizzlybären haben.<br />

Dass ich so dachte, liegt daran, dass ich alle fünf<br />

Staffeln von <strong>der</strong> Serie „Breaking Bad“ gesehen habe.<br />

Begeistert habe ich Walter Whites Weg vom Chemielehrer<br />

und fürsorglichen Familienvater zum skrupellosen<br />

Schwerverbrecher verfolgt.<br />

Was die Droge und ihre Folgen anbetrifft, wird<br />

uns nichts erspart: Wir sehen die Junkies so skelettartig,<br />

selbstmör<strong>der</strong>isch und seelenlos, als<br />

kämen sie direkt vom Set <strong>der</strong> Zombie-Serie<br />

„The Walking Dead“. Wir<br />

schauen zu, als Jesses Geliebte<br />

nach einer Überdosis an ihrem<br />

eigenen Erbrochenen erstickt.<br />

Wir erleben, wie Familien<br />

zerfallen, wie Crystal<br />

Meth zuliebe Helden<br />

verkrüppelt und Kin<strong>der</strong><br />

erschossen werden,<br />

wie – tatsächlich –<br />

Leichenteile über einer<br />

Vorstadt nie<strong>der</strong>regnen.<br />

Und mittendrin Walter<br />

White, <strong>der</strong> wohl deprimierendste<br />

Gangster <strong>der</strong><br />

Filmgeschichte. Er ist kein Vito<br />

Corleone, <strong>der</strong> auf prachtvollen<br />

Anwesen herrliche Familienfeste<br />

ausrichtet. Kein Tony Montana, <strong>der</strong><br />

in seiner Marmorvilla mit dem Gesicht im Koks versinkt.<br />

Kein Tony Soprano, <strong>der</strong> sich auf seiner Jacht<br />

mit nackten Flittchen vergnügt. Das hätte ja im Prinzip<br />

noch einen Reiz.<br />

Walter White aber ist ein schlecht angezogener,<br />

freudloser Spießer, <strong>der</strong> seine Seele verkauft hat, für<br />

Geld, das er in einer neonbeleuchteten Garage hortet.<br />

Nichts an seiner Existenz möchte man nachahmen, es<br />

sei denn, man steht auf nächtelange<br />

Chemieexperimente. Der alte Mann<br />

und das Meth: ein einziger Abturn.<br />

Nun kann man anführen, dass<br />

„Breaking Bad“ Crystal Meth überhaupt zum Thema<br />

gemacht hat. Dass <strong>der</strong> Kult um die Serie ihr Sujet –<br />

die Droge – glorifiziert. Aber wer das <strong>der</strong> Serie vorwirft,<br />

muss konsequenterweise finden, dass Shakespeare<br />

Meuchelmord und Inzest glorifiziert und Goethe<br />

den Pakt mit dem Teufel. Reiz und Schrecken des Bösen<br />

zu umschiffen, kann nicht Aufgabe <strong>der</strong> Kunst sein,<br />

im Gegenteil. Die Idee <strong>der</strong> Katharsis ist es ja, dass die<br />

Kunst den Menschen gefahrlos an die Abgründe <strong>der</strong><br />

Wirklichkeit heranführt, auf dass<br />

die Erfahrung ihn läutere. Wer<br />

sich von „Breaking Bad“ nicht<br />

läutern lässt, dem war schon<br />

vorher nicht zu helfen.<br />

Wer Crystal Meth allerdings<br />

bisher für Teufelszeug<br />

hielt, konnte<br />

seit dem Fall des SPD-<br />

Politikers Hartmann<br />

dazulernen:<br />

Dass beson<strong>der</strong>s<br />

„Schüler, Sportler und<br />

Berufstätige“ die Droge<br />

gerne nähmen, „zur Leistungssteigerung“,<br />

wie die<br />

FAZ schrieb. Dass Meth unheimlich<br />

„gut in den Zeitgeist“<br />

passe, wie <strong>der</strong> Stern erfuhr. Dass<br />

„die Lust am Sex“ zunimmt, aber<br />

„Hunger und Durst verschwinden“,<br />

wie Bild wusste. Dass die Droge sei „wie eine unendliche<br />

Glücksspritze“, wie die Zeit schwärmt.<br />

Die beste Therapie dagegen, dieses Zeug endlich<br />

mal ausprobieren zu wollen, sind fünf Staffeln „Breaking<br />

Bad“.<br />

CONSTANTIN MAGNIS leitet das Reportage-Ressort von <strong>Cicero</strong><br />

99<br />

<strong>Cicero</strong> – 8. 2014

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