Cicero Ist der Islam böse? (Vorschau)
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KAPITAL<br />
Report<br />
Martin Mihalovits, <strong>der</strong> neue Chef<br />
<strong>der</strong> Sparkasse Miesbach-Tegernsee,<br />
rüstet ab. Die goldene<br />
abstrakte Skulptur ist verschwunden,<br />
ebenso die Landschaftsgemälde – Preziosen<br />
im Wert von mehreren Zehntausend<br />
Euro. Sie schmückten das Büro des<br />
Landrats, Mihalovits Vorgänger hatte sie<br />
dem zur Verfügung gestellt. Nun lagern<br />
sie im Keller <strong>der</strong> Sparkasse und sollen<br />
verkauft werden. „Solche Investitionen<br />
machen wir nicht mehr“, sagt Mihalovits,<br />
45 Jahre, blon<strong>der</strong> Scheitel, feste Stimme.<br />
Für ihn sind die Skulptur und die Bil<strong>der</strong><br />
keine Kunstwerke. Son<strong>der</strong>n Altlasten.<br />
Von denen gibt es viele im Landkreis<br />
Miesbach-Tegernsee, dem wohlhabenden<br />
Postkartenidyll am Fuße <strong>der</strong> bayerischen<br />
Alpen. Denn die lokale Sparkasse steht<br />
im Mittelpunkt eines Skandals, <strong>der</strong> die<br />
scheinbar heile Welt <strong>der</strong> öffentlich-rechtlichen<br />
Kreditinstitute erschüttert. Mihalovits<br />
Vorgänger Georg Bromme hat<br />
jahrelang Spenden und Sponsorengel<strong>der</strong><br />
ausgeschüttet, als gäbe es kein Morgen.<br />
Vereine, Kirchen, Politiker, Verwaltungsräte<br />
– je<strong>der</strong> bekam etwas ab, teils<br />
auch jenseits <strong>der</strong> Kreisgrenzen. Rund<br />
20 000 Euro für einen Schießstand in<br />
Tirol; mehr als 30 000 Euro für die Beerdigung<br />
eines ehemaligen Landrats; fast<br />
200 000 Euro für die Renovierung des<br />
Rathaus-Sitzungssaals einer Gemeinde<br />
des Landkreises sowie Tausende von<br />
Euro für Gelegenheitsgeschenke: Verwaltungsräte<br />
und Vorstände <strong>der</strong> Sparkassen<br />
wurden bedacht, mit Blumensträußen,<br />
Geschenkkörben, Weinpräsenten,<br />
manchmal auch hochwertigem Schreibgerät<br />
und Silberdosen. Ein Anlass fand<br />
sich immer: Geburtstag, Betriebsjubiläum,<br />
Geburt eines Kindes.<br />
Doch so breit Bromme das Geld auch<br />
streute, einer erhielt stets eine Extraportion:<br />
Jakob Kreidl, Landrat und damit<br />
qua Amt Verwaltungsratschef <strong>der</strong> Sparkasse.<br />
Für exakt 293 191,49 Euro, so steht<br />
es im Untersuchungsbericht des bayerischen<br />
Innenministeriums, hübschte die<br />
Sparkasse das Büro des CSU-Politikers<br />
in den Jahren 2008 bis 2010 auf, mit teuren<br />
Möbeln und kostspieligen Gemälden.<br />
Als die Sache an die Öffentlichkeit kam,<br />
wurde Kreidl abgewählt und Bromme<br />
diskret in den Ruhestand geschickt.<br />
Aber <strong>der</strong> Rufschaden bleibt. Und<br />
Bromme-Nachfolger Mihalovits muss<br />
Eigene Exzesse,<br />
Skandale und<br />
Affären haben<br />
die Sparkassen<br />
bisher geschickt<br />
unter den Teppich<br />
gekehrt<br />
dafür sorgen, dass alles wie<strong>der</strong> in Ordnung<br />
kommt. Seit 2011 gehört er dem<br />
Vorstand <strong>der</strong> Sparkasse an, spät genug,<br />
um nicht auch verantwortlich gemacht<br />
zu werden. 2012 übernahm er Brommes<br />
Posten und trat sofort die Flucht nach<br />
vorn an. Er hat den Bericht des Ministeriums<br />
auf die Internetseite <strong>der</strong> Sparkasse<br />
gestellt.<br />
JEDER KANN DORT nachlesen, wie<br />
Bromme mit dem Geld <strong>der</strong> Sparkassen<br />
um sich geschmissen hat. Dass er<br />
dem Landrat nicht nur das Büro für<br />
fast 300 000 Euro aufmöbelte, son<strong>der</strong>n<br />
auch die Party zu dessen 60. Geburtstag<br />
schmiss, die mehr als 100 000 Euro kostete,<br />
ein mobiles WC inklusive. Da fallen<br />
die vielen Reisen kaum noch ins Gewicht,<br />
darunter ein Tirol-Wochenende<br />
mit Landrat Kreidl, 16 Bürgermeistern<br />
des Kreises nebst Partnerinnen, Übernachtung<br />
im Fünf-Sterne-Hotel inklusive.<br />
„Größtmögliche Transparenz“, darum<br />
geht es Mihalovits jetzt.<br />
Transparenz ist in <strong>der</strong> Welt <strong>der</strong><br />
Sparkassen bisher eher unüblich. Zwar<br />
sprengt <strong>der</strong> Fall Miesbach fast alle Grenzen;<br />
aber er ist das Ergebnis des eigenartigen<br />
Selbstverständnisses des öffentlich-rechtlichen<br />
Bankensektors: Mia san<br />
mia und niemandem verpflichtet – außer<br />
uns selbst.<br />
Spätestens seit <strong>der</strong> Finanzkrise haben<br />
Deutschlands Sparkassen Oberwasser.<br />
Publikumswirksam pflegen sie ihr<br />
Image von <strong>der</strong> lokalen Hausbank, <strong>der</strong>en<br />
Hauptzweck nicht das Erzielen von<br />
Gewinnen ist und die stattdessen das<br />
Allgemeinwohl im Auge hat. Keine Exzesse,<br />
saubere Bilanzen, zufriedene Kunden.<br />
Die Bösen, das sind immer die an<strong>der</strong>en,<br />
sei es die Deutsche Bank, die Wall<br />
Street o<strong>der</strong> die Aufsichtsbehörden. Dass<br />
die zum Sparkassensektor gehörenden<br />
Landesbanken am amerikanischen Häusermarkt<br />
Milliarden verzockten und mit<br />
Steuergeld gerettet werden mussten, haben<br />
die Sparkassen in <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Debatte geschickt wegmo<strong>der</strong>iert. Und<br />
genauso kehren sie die an<strong>der</strong>en Skandale,<br />
Eskapaden und Affären aus dem eigenen<br />
Lager unter den Teppich.<br />
„Die Sparkassen-Organisation hat<br />
ein massives Governance-Problem“,<br />
sagt Heinz Hilgert. Der frühere Bankmanager<br />
kennt sich aus im öffentlichrechtlichen<br />
Bankensektor. Mitte 2008,<br />
auf dem Höhepunkt <strong>der</strong> Krise, wurde er<br />
Chef <strong>der</strong> WestLB, bereits 2009 gab er auf,<br />
entnervt vom Kleinkrieg mit den Sparkassen,<br />
seinen Eigentümern. Er hält es<br />
für problematisch, dass Kommunen und<br />
Sparkassen „wechselseitig verflochten“<br />
und „voneinan<strong>der</strong> abhängig“ seien. Der<br />
Interessenkonflikt ist Teil des Systems:<br />
Ein Kassenloch beim Fußballverein, ein<br />
neuer Brunnen für den Dorfplatz? Da<br />
fragt <strong>der</strong> Bürgermeister schnell mal beim<br />
örtlichen Sparkassendirektor nach, ob<br />
dafür noch Geld in <strong>der</strong> Allgemeinwohlschatulle<br />
<strong>der</strong> Sparkasse ist. Man kennt<br />
sich, man hilft sich, heißt das Motto – und<br />
trifft sich ja auch regelmäßig bei den Sitzungen<br />
des Verwaltungsrats.<br />
In den Städten und Landkreisen haben<br />
sich die Sparkassen damit eine stabile<br />
Machtposition aufgebaut. Mit ihren<br />
244 000 Mitarbeitern gehören die 417 Institute<br />
zu den größten Arbeitgebern des<br />
86<br />
<strong>Cicero</strong> – 8. 2014