Cicero Ist der Islam böse? (Vorschau)
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
WELTBÜHNE<br />
Russland<br />
„AMERIKA GEHÖRT<br />
VERNICHTET“<br />
Der Philosoph Alexan<strong>der</strong><br />
Dugin gilt als Einflüsterer<br />
<strong>der</strong> russischen Regierung.<br />
Aber was hat er eigentlich<br />
zu sagen? Eine Auslese<br />
Von ALEXANDER MARGUIER<br />
Um Alexan<strong>der</strong> Dugin zu beschreiben, sind<br />
schon etliche Begriffe bemüht worden,<br />
am häufigsten wohl „Eurasier“, „Nationalbolschewist“,<br />
„Esoteriker“, „Faschist“<br />
o<strong>der</strong> „Reaktionär“. Fest steht, dass man<br />
dem 1962 in Moskau geborenen Philosophen und Politologen<br />
mit den üblichen Kategorien aus dem ideologischen<br />
Werkzeugkasten kaum gerecht wird. Dafür<br />
sind viele seiner Aussagen zu wi<strong>der</strong>sprüchlich, die<br />
zwischen Kriegsrhetorik und pazifistischen Anwandlungen<br />
genauso oszillieren wie zwischen kühlen geopolitischen<br />
Analysen und apokalyptischen Prophezeiungen.<br />
Wer seine Schriften liest, könnte deshalb<br />
leicht den Eindruck gewinnen, dieser russische „Public<br />
Intellectual“ sei sich manchmal selbst nicht ganz<br />
geheuer und nehme deshalb ständig Renovierungsarbeiten<br />
am eigenen, noch unvollendeten Gedankengebäude<br />
vor, dessen Fundament freilich ein dezidierter<br />
Antiliberalismus ist.<br />
Dass Dugin seit einiger Zeit auch im Westen wie<strong>der</strong><br />
auf verstärktes Interesse stößt, hat einen einfachen<br />
Grund: Er gilt als eine Art ideologisches Mastermind<br />
hinter <strong>der</strong> russischen Einflussnahme in <strong>der</strong><br />
Ukrainekrise und als geistiger Vater <strong>der</strong> Krimannektion<br />
mit entsprechenden Kontakten in die höchsten<br />
Kreise <strong>der</strong> Moskauer Politik. Ob es sich bei Alexan<strong>der</strong><br />
Dugin tatsächlich um „Putin’s Brain“ handelt, wie die<br />
amerikanische Zeitschrift Foreign Affairs vor einigen<br />
Wochen glauben machen wollte, muss zwar bezweifelt<br />
werden. Aber weites Gehör findet <strong>der</strong> politische<br />
Theoretiker in seinem Land allemal – ob als Kommentator<br />
o<strong>der</strong> Talkshowgast. Als Dugin unlängst in einem<br />
Interview dafür plädierte, die Unterstützer <strong>der</strong> „Kiewer<br />
Junta“ zu „töten, töten, töten“, war das allerdings<br />
selbst im nationalistisch gesinnten Russland ein Tabubruch<br />
– zumindest für einen prominenten Gelehrten.<br />
Die Lomonossow-Universität entzog dem intellektuellen<br />
Brandstifter denn auch prompt die Funktion des<br />
stellvertretenden Leiters eines Soziologie-Lehrstuhls.<br />
Ob er an <strong>der</strong> berühmten Moskauer Hochschule dennoch<br />
weiter als Professor lehrt, ist seither umstritten:<br />
Dugin behauptet, man habe ihn entlassen; die Uni-<br />
Leitung bestreitet es.<br />
Das Faszinosum Alexan<strong>der</strong> Dugins, <strong>der</strong> Anfang<br />
<strong>der</strong> neunziger Jahre die Nationalbolschewistische Partei<br />
Russlands mitbegründete und diese später wie<strong>der</strong><br />
verließ, ist seine Mischung aus profun<strong>der</strong> philosophischer<br />
Bildung und einem nachgerade martialischen<br />
Antiamerikanismus. Dass <strong>der</strong> Chefpropagandist des<br />
„eurasischen Projekts“ mit seinem rauschenden Bart<br />
und dem Habitus des Wan<strong>der</strong>predigers überdeutlich an<br />
Rasputin erinnert, vervollständigt dabei auch noch äußerlich<br />
seinen Nimbus als messianischer Großdenker<br />
wi<strong>der</strong> die Mo<strong>der</strong>ne. Wenn ein Mann vom Schlage Dugins<br />
„mit seinen Ideen in die Führungsetagen zentraler<br />
Machtorgane, wesentlicher Massenmedien und Curricula<br />
renommierter Bildungseinrichtungen“ vordringen<br />
könne, „ist es schlechter um die Zukunft des Landes<br />
bestellt, als man ohne dies hätte annehmen müssen“,<br />
urteilten bereits 2007 die Blätter für deutsche und internationale<br />
Politik. Worum also geht es ihm?<br />
EINEN GUTEN ÜBERBLICK liefert Alexan<strong>der</strong> Dugins<br />
auch auf Deutsch im neorechten Londoner Arktos-Verlag<br />
erschienenes Manifest „Die vierte politische Theorie“.<br />
Das Buch ist alles an<strong>der</strong>e als einfach zu lesen, was<br />
nicht nur an <strong>der</strong> stellenweise hanebüchenen Übersetzungsarbeit<br />
liegt, son<strong>der</strong>n vielmehr an dem doch eher<br />
schwer verdaulichen metaphysischen Grundrauschen.<br />
„Was ist die vierte politische Praxis?“, fragt Dugin beispielsweise.<br />
Wer darauf eine halbwegs nachvollziehbare<br />
Handlungsanleitung erwartet, muss mit folgen<strong>der</strong> Erklärung<br />
zurechtkommen: „Sie ist Anschauung. Was ist die<br />
Manifestation <strong>der</strong> vierten politischen Praxis? Sie ist ein<br />
Prinzip, das offenbart werden soll. In welcher Hinsicht<br />
64<br />
<strong>Cicero</strong> – 8. 2014