24.07.2014 Aufrufe

Cicero Ist der Islam böse? (Vorschau)

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Der Arabische Frühling<br />

galt vielen als Wun<strong>der</strong>,<br />

als Gemeinschaft von<br />

Facebook-Freunden<br />

ganz ohne Dschihad<br />

von Facebook-Freunden in einer virtuellen, einer letztlich<br />

irrealen Welt den Frieden finden.<br />

Die Wirklichkeit hat sich gerächt: Während Ben<br />

Ali in Tunesien, Mubarak in Ägypten und Gaddafi in<br />

Libyen gestürzt wurden, wehrten sich die Regierungen<br />

im Jemen, in Bahrein und Syrien erfolgreich gegen<br />

die demokratische Welle. Auch die Arabische Halbinsel<br />

duldete keine soziopolitische Bewegung, die den<br />

Ölexport hätte gefährden können. Der Antagonismus<br />

zwischen sunnitischen und schiitischen Staaten, zwischen<br />

arabischen und iranischen Hegemonialbestrebungen<br />

siegte rasch über die Begeisterung <strong>der</strong> zivilen<br />

Gesellschaften und <strong>der</strong> Internetnutzer. Sogar in Län<strong>der</strong>n<br />

wie Tunesien o<strong>der</strong> Ägypten, in denen die Despoten<br />

abgesetzt wurden, endeten die ersten demokratischen<br />

Wahlen mit einem Erfolg <strong>der</strong> Muslimbrü<strong>der</strong>. Sie<br />

hatten die Revolution zwar nicht begonnen, aber ihre<br />

Wohltätigkeitsnetzwerke, Krankenstationen, Schulen,<br />

Moscheen und Essensverteilungen brachten die meisten<br />

neuen Wähler dazu, für sie zu stimmen.<br />

Untitled, 2013<br />

Untitled, 2013<br />

Völker“ von 1848, zwei Ereignisse, <strong>der</strong>en unmittelbare<br />

Folgen fatal waren: <strong>der</strong> Einmarsch russischer Panzer<br />

in die ehemalige Tschechoslowakei und <strong>der</strong> Triumph<br />

reaktionärer und autoritärer Mächte, von Napoleon III.<br />

bis Franz Josef I. Auf dem Tahrir-Platz in Kairo, auf<br />

<strong>der</strong> Avenue Bourguiba in Tunis, auf den Fernsehbildschirmen<br />

und bei Youtube hat man deshalb nur die jungen<br />

Leute <strong>der</strong> Mittelklasse und <strong>der</strong> Generation 2.0 sehen<br />

wollen. Sie sollten eine strukturelle Verän<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> arabischen Welt belegen, aus <strong>der</strong> <strong>der</strong> Dschihad<br />

und <strong>der</strong> Niqab, Al Qaida, Hamas und Hisbollah wie<br />

durch ein postmo<strong>der</strong>nes Wun<strong>der</strong> verschwunden wären.<br />

Stattdessen sollte eine universelle Gemeinschaft<br />

Nun schlug die Stunde <strong>der</strong> entgegengesetzten<br />

großen Erzählung, wonach es einen<br />

„Kampf <strong>der</strong> Kulturen“ gebe. In <strong>der</strong> Nachfolge<br />

Samuel Huntingtons sah <strong>der</strong> Westen<br />

einen Kampf zwischen unserer jüdisch-christlichen<br />

Demokratie und ihrer unausrottbaren islamischen<br />

Theokratie. Die Wirklichkeit ist komplexer. Die angeblich<br />

antiwestlich gesinnte islamische Zivilisation<br />

ist in Wahrheit tief gespalten. Schiiten stehen gegen<br />

Sunniten, Araber gegen Iraner. Auch Türken, Kurden,<br />

Alawiten, Muslimbrü<strong>der</strong> und Salafisten sind kaum auf<br />

einen gemeinsamen Nenner zu bringen.<br />

Wer die Massaker im Irak und die territoriale Neuvermessung<br />

am Persischen Golf verstehen will, muss<br />

den politischen <strong>Islam</strong>ismus begreifen. Dessen aktuelle<br />

Ausprägung ergibt sich unmittelbar aus den Wi<strong>der</strong>sprüchen<br />

bei <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong> Muslimbrü<strong>der</strong> – ob es<br />

nun die Feindschaft mit dem Westen ist o<strong>der</strong> die mit<br />

ihm geschlossenen Kompromisse sind und die tiefen,<br />

selbstzerstörerischen inneren Konflikte.<br />

Als Geburtsstunde <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen islamistischen<br />

Bewegungen gilt das Jahr 1928. Damals gründete <strong>der</strong><br />

ägyptische Grundschullehrer Hasan al Banna den Verein<br />

<strong>der</strong> Muslimbrü<strong>der</strong>. Er tat es in Ismailia, am Ufer des<br />

Suezkanals, am Sitz <strong>der</strong> internationalen Kanalgesellschaft,<br />

einem Symbol <strong>der</strong> europäischen Kolonisation.<br />

Die Muslimbrü<strong>der</strong> wollten auf den Ruinen <strong>der</strong> kolonialen<br />

Herrschaft einen islamischen Staat gründen. Die<br />

weltlichen Parteien hingegen traten für einen unabhängigen<br />

Staat ein, dessen Regierung von <strong>der</strong> politischen<br />

Philosophie <strong>der</strong> Aufklärung inspiriert sein sollte. Wie<br />

auch die sozialistischen, kommunistischen und faschistischen<br />

Bewegungen verdankt die Bru<strong>der</strong>schaft ihre<br />

Verbreitung sozialen und wohltätigen Aktivitäten. Sie<br />

verbündete sich mit <strong>der</strong> ägyptischen Monarchie gegen<br />

die große nationalistisch-laizistische Partei.<br />

17<br />

<strong>Cicero</strong> – 8. 2014

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!