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Cicero Ist der Islam böse? (Vorschau)

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SALON<br />

Hopes Welt<br />

VON GEIGEN UND ANDEREN MORDINSTRUMENTEN<br />

Wie ich einmal über den Lüften begriff, dass die Liebe zur Musik<br />

immer neue Hin<strong>der</strong>nisse bewältigen muss<br />

Von DANIEL HOPE<br />

An<strong>der</strong>s als Sänger müssen Instrumentalisten<br />

nicht nur für sich selbst, son<strong>der</strong>n<br />

auch für ihr Instrument auf <strong>der</strong> Hut sein.<br />

Wir Geiger wissen davon ein Lied zu singen,<br />

denn gute Violinen sind ebenso empfindlich und<br />

zerbrechlich wie wertvoll. Eine Beinahe-Katastrophe<br />

erlebte Geigerkollege Philippe Quint, als<br />

er seine Stradivari in einem New Yorker Taxi<br />

liegen ließ. Einen halben Tag lang blieb das millionenschwere<br />

Instrument unbemerkt auf dem<br />

Rücksitz liegen, ehe es Quint unter Freudentränen<br />

bei dem Fahrer abholen konnte.<br />

Wie ihm zumute war, kann ich leicht nachfühlen.<br />

Auf Reisen bleibt mein Instrument stets<br />

in meiner unmittelbaren Nähe. Es ist für mich<br />

völlig selbstverständlich, die Geige bei Flügen<br />

mit in die Kabine zu nehmen, statt sie den ruppigen<br />

Transportbedingungen von Koffern auszusetzen.<br />

Seit einiger Zeit ist das jedoch nicht mehr<br />

so einfach. Zum einen wurden Höchstmaße für<br />

Handgepäckstücke festgelegt, denen Geigen<br />

kaum gerecht werden können. Welcher Geigenkasten<br />

kommt schon mit <strong>der</strong> zulässigen Maximallänge<br />

von 45 Zentimetern aus? Einzelne Fluggesellschaften<br />

sind dazu übergegangen, nicht mehr<br />

nur für dickleibige Celli, son<strong>der</strong>n auch für die<br />

deutlich schlankeren Violinen eigene Sitzplätze<br />

vorzuschreiben.<br />

Die Einreise nach Amerika wird immer wie<strong>der</strong><br />

zum Erlebnis. Nachdem mich jüngst die<br />

Dame am Schalter mit <strong>der</strong> Frage begrüßt hatte,<br />

warum ich denn hier sei, und ich erklärte, Konzerte<br />

spielen zu wollen, antwortete sie: „Ich habe<br />

auch Geige gespielt.“ Dann streichelte sie die<br />

Pistole an ihrer Hüfte: „Aber ich habe sie gegen<br />

diese Waffe eingetauscht.“<br />

Auch die verschärften Sicherheitsbestimmungen<br />

im Luftverkehr sind problematisch. Es<br />

kam schon vor, dass Ersatzsaiten o<strong>der</strong> Cellostachel<br />

als mögliche Mordinstrumente konfisziert<br />

wurden. Seit dem 1. April 2014 gibt es ein neues<br />

Problem: Geigenbögen, die häufig an <strong>der</strong> Spitze<br />

mit Elfenbein verstärkt sind, dürfen aufgrund<br />

strenger Artenschutzbestimmungen in den USA<br />

ab sofort we<strong>der</strong> ein- noch ausgeführt werden. Es<br />

sei denn, man besitzt ein kaum zu beschaffendes<br />

Dokument, das bezeugt, dass das Material vor<br />

den Handelsverboten verbaut wurde o<strong>der</strong> aber<br />

aus registrierten Altbeständen stammt.<br />

Um es noch komplizierter zu machen, sind<br />

neben Elfenbein auch Schildpatt und geschütztes<br />

Rio-Palisan<strong>der</strong> verboten, ein Tropenholz, das gelegentlich<br />

im Geigenbau vorkommt. Die Münchner<br />

Philharmoniker erlebten es während ihrer<br />

US-Tournee im Mai 2014, als sämtliche Bögen<br />

am Flughafen beschlagnahmt wurden. Erst nach<br />

Einschalten <strong>der</strong> deutschen Botschaft wurden die<br />

Instrumente freigegeben.<br />

Dass gütliches Einvernehmen manchmal<br />

dennoch möglich ist, habe ich neulich auf einer<br />

Reise nach Toronto erlebt. Nach längerer Diskussion<br />

gab ein Pilot von Air Canada endlich<br />

das Einverständnis, meine Geige in <strong>der</strong> Kabine<br />

zu behalten. Allerdings unter einer Bedingung:<br />

„Ich muss Sie bitten, während des Fluges nicht<br />

zu spielen!“<br />

DANIEL HOPE ist Violinist von Weltrang und schreibt<br />

jeden Monat in <strong>Cicero</strong>. Sein Memoirenband „Familienstücke“<br />

war ein Bestseller. Zuletzt erschienen sein Buch<br />

„Toi, toi, toi! – Pannen und Katastrophen in <strong>der</strong> Musik“<br />

( Rowohlt ) und die CD „Spheres“. Er lebt in Wien<br />

Illustration: Anja Stiehler/Jutta Fricke Illustrators<br />

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<strong>Cicero</strong> – 8. 2014

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