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Cicero Ist der Islam böse? (Vorschau)

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TITEL<br />

<strong>Ist</strong> <strong>der</strong> <strong>Islam</strong> <strong>böse</strong>?<br />

und um Territorien, weniger um Religion. Isis aber<br />

kämpft bereits gegen Christen und an<strong>der</strong>e Min<strong>der</strong>heiten,<br />

sodass ich befürchte, die nächste Stufe <strong>der</strong> Eskalation<br />

wird <strong>der</strong> konfessionelle Kampf sein bis aufs Blut.<br />

Abdel-Samad: Es ist ein Kampf um Identitäten,<br />

und Religion ist <strong>der</strong> Hauptmotor je<strong>der</strong> Identitätsbildung<br />

in diesen Regionen. Sie bestimmt die Art und<br />

Weise, wie über Politik, über Bildung, über Familie<br />

und Erziehung nachgedacht wird.<br />

Kaddor: Es gibt ja auch keinerlei funktionierende<br />

Zivilgesellschaft. Zudem haben die Menschen in Ägypten<br />

und Syrien momentan an<strong>der</strong>e Probleme, als wir sie<br />

hier verhandeln.<br />

HAMED ABDEL-SAMAD<br />

Im Juli 2014 gab <strong>der</strong> Autor ( u. a.<br />

„Der islamische Faschismus“,<br />

„Mein Abschied vom Himmel“)<br />

bekannt, dass er Deutschland<br />

nach 19 Jahren verlassen werde:<br />

„Deutschland wird immer<br />

ungemütlicher für Menschen<br />

wie mich. Das ist kein Vorwurf, son<strong>der</strong>n eine<br />

Warnung. Ja, ich bin müde geworden und kann<br />

den Druck nicht mehr aushalten.“ Im Sommer<br />

2013 erließ ein ägyptischer Geistlicher einen<br />

Mordaufruf nach einem islamkritischen Vortrag<br />

Abdel-Samads in Kairo. Er habe den Propheten<br />

beleidigt<br />

Umfragen deuten darauf hin, dass auch hierzulande<br />

junge Muslime sich zunehmend radikalisieren. Sind<br />

das Rückkopplungseffekte?<br />

Kaddor: Solche Effekte gibt es. Allerdings werden<br />

da nicht fromme Menschen plötzlich beson<strong>der</strong>s fromm,<br />

son<strong>der</strong>n Menschen in Identitätskrisen, oft in <strong>der</strong> späten<br />

Pubertät, suchen nach einem Halt in <strong>der</strong> Transzendenz.<br />

Die Botschaft <strong>der</strong> Salafisten fällt bei solchen Jugendlichen<br />

auf fruchtbaren Boden.<br />

In <strong>der</strong> Regel sind es junge Männer, die sich radikalisieren.<br />

<strong>Ist</strong> <strong>der</strong> <strong>Islam</strong> eine Machoreligion? Sie, Herr<br />

Abdel-Samad, haben in Ihrem Buch „<strong>Islam</strong>ischer Faschismus“<br />

vorgerechnet, dass einem Gotteskrieger<br />

5040 Frauen zur Belohnung im Paradies versprochen<br />

werden.<br />

Abdel-Samad: In <strong>der</strong> Tat. Der Koran schweigt sich<br />

dazu aus, in den Sprüchen des Propheten aber wird<br />

mehrfach <strong>der</strong> Märtyrerlohn von 72 Jungfrauen erwähnt.<br />

Jede Jungfrau hat wie<strong>der</strong>um 70 schöne Dienerinnen,<br />

ergibt summa summarum 5040 Frauen pro<br />

Märtyrer.<br />

Kaddor: Der <strong>Islam</strong> ist nun einmal eine patriarchalisch<br />

ausgerichtete Religion, das lässt sich nicht weginterpretieren.<br />

Gott sprach vor 1500 Jahren zu einer<br />

männlich dominierten Gesellschaft.<br />

Abdel-Samad: Vielleicht sollten wir sagen, ein<br />

Mann sprach zu Männern. Von Gott hätte ich erwartet,<br />

LAMYA KADDOR<br />

legte soeben gemeinsam mit<br />

Michael Rubinstein „So fremd<br />

und doch so nah – Juden und<br />

Muslime in Deutschland“ vor.<br />

Sie schrieb auch „Muslimisch,<br />

weiblich, deutsch! Mein Weg<br />

zu einem zeitgemäßen <strong>Islam</strong>“<br />

und gab, gemeinsam mit Rabeya Müller, einen<br />

„Koran für Kin<strong>der</strong> und Erwachsene“ heraus. Sie<br />

ist Gründungsmitglied und Erste Vorsitzende<br />

des Liberal-<strong>Islam</strong>ischen Bundes e. V. und<br />

lehrte am „Centrum für Religiöse Studien“ <strong>der</strong><br />

Westfälischen Wilhelms-Universität Münster<br />

dass er genügend Weitsicht besitzt, um nicht nur die<br />

damalige Gesellschaft, son<strong>der</strong>n die Menschheit als solche<br />

im Blick zu haben.<br />

Haben Sie, Frau Kaddor, ein Problem mit diesem<br />

Patriarchalismus?<br />

Kaddor: Aber natürlich! Ich muss einfach in Rechnung<br />

stellen, dass Gott immer in Kontexten spricht,<br />

und dass <strong>der</strong> damalige Kontext eben eine Gesellschaft<br />

<strong>der</strong> Zeltbewohner war, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Mann das Sagen<br />

hatte. An<strong>der</strong>erseits hat <strong>der</strong> <strong>Islam</strong> die Position <strong>der</strong> Frau<br />

gestärkt. Frauen durften nun erben und vererben, arbeiten<br />

und Geld besitzen.<br />

Abdel-Samad: Der Koran erlaubt den Männern,<br />

wi<strong>der</strong>spenstige Frauen zu schlagen. Sie sollen den<br />

Männern immer zur sexuellen Verfügung stehen, sie<br />

werden als sein „Saatfeld“ bezeichnet. Tut mir leid,<br />

aber <strong>der</strong> Gott des Korans fällt hinter Aristoteles und<br />

Platon zurück, die Jahrhun<strong>der</strong>te vor Mohammed viel<br />

vernünftiger und aufgeklärter argumentiert haben.<br />

Kaddor: Noch einmal zum Mitschreiben, lieber<br />

Hamed: Mohammed wäre gar nicht angenommen worden,<br />

wenn er einer sehr patriarchalisch geprägten Gesellschaft<br />

die gleichen Rechte und Pflichten von Männern<br />

und Frauen verkündet hätte. Ich wun<strong>der</strong>e mich<br />

doch sehr, dass du die Aussagen des Korans genauso<br />

wörtlich interpretierst wie deine Gegner, die <strong>Islam</strong>isten<br />

und Fundamentalisten. Und gleichzeitig als aufgeklärt<br />

gelten willst. Wer sagt mir persönlich denn, dass ich<br />

mich 100-prozentig und in jedem Detail an den Koran<br />

binden muss? Die Sklaverei etwa und auch die Vielehe<br />

sind für mich heute inakzeptabel. Ich trage auch,<br />

wie du siehst, kein Kopftuch. Der Koran ist und bleibt<br />

eine Offenbarung, die den Menschen konsequent dazu<br />

auffor<strong>der</strong>t, selbst nachzudenken. Es gibt kein zentrales<br />

Oberhaupt mit <strong>der</strong> Autorität, dir eine solche gedankliche<br />

Arbeit abzunehmen. Zahlreiche Verse sind heute<br />

einfach nicht mehr anwendbar und erfüllen ihren Sinn<br />

auch nicht. Man kann ein guter Moslem o<strong>der</strong> eine gute<br />

Muslima sein, wenn man vielleicht nur 50 Prozent <strong>der</strong><br />

koranischen Bestimmungen erfüllt.<br />

Fotos: Antje Berghäuser<br />

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<strong>Cicero</strong> – 8. 2014

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