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Religion und Offenbarung - Orient-Institut Beirut

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„Landnahme“ Israels, wie sie das Buch Josua beschreibt, nicht gegeben haben kann.<br />

So ist festgestellt worden, dass die Städte Jericho <strong>und</strong> Ai zu der Zeit, in der die<br />

Landnahme stattgef<strong>und</strong>en haben soll (13./12. Jh.) gar nicht besiedelt waren.<br />

Ausgrabungen anderer Städte, die angeblich zerstört worden sein sollen, zeigen für<br />

diese Zeit keine Merkmale einer Eroberung. „Israel“ hat also Palästina nicht erobert,<br />

sondern ist im Land Israel/Kanaan in einem vielschichtigen Prozess entstanden. Mit<br />

dieser Erkenntnis wird aber auch das Buch der Richter viel besser verständlich, das<br />

genau diese Situation voraussetzt: Einzelne Stämme formieren sich zu größeren<br />

Einheiten <strong>und</strong> setzen sich mit der kanaanäischen Bevölkerung auseinander. Und es<br />

wird deutlicher, dass es sich um eine Glaubensgeschichte handelt: In der Rückschau<br />

auf die Frühzeit bekennen die Israeliten erzählerisch, dass ihr Gott es war, der ihnen<br />

das Land gegeben hat. Daraus resultiert die Verpflichtung Israels, sich an diesen<br />

einen Gott zu halten 2 .<br />

Das zweite Beispiel ist brisanter. Das Alte Testament behauptet in den meisten<br />

seiner Teile die Einzigkeit <strong>und</strong> Identität des Gottes JHWH von der Schöpfung der<br />

Welt an. Zwar gab es mehrere Phasen des Abfalls vom rechten Glauben, in denen<br />

sich die Israeliten fremden Göttinnen <strong>und</strong> Göttern zuwendeten, doch mit Heilstaten<br />

<strong>und</strong> Strafen schafften es Gott <strong>und</strong> die von ihm gesandten Propheten, die Menschen<br />

zur wahren Gottesverehrung zurückzubringen.<br />

Dieses Bild ist durch archäologische F<strong>und</strong>e erschüttert worden. Deren wichtigste<br />

sind die Ausgrabung von Kuntillet Adjrud im nördlichen Negev <strong>und</strong> ein Grab aus<br />

Chirbet el-Qom 3 . Hier wird, datierbar auf das 8./7. Jahrh<strong>und</strong>ert, eindeutig von<br />

„JHWH <strong>und</strong> seiner Aschera“ gesprochen; der Gott Israels wurde also mit einer<br />

Partnergöttin zusammengeordnet. Von daher bekamen die verschiedenen Stellen<br />

des AT, in denen von einer Aschera die Rede ist (als Göttin oder Kultgegenstand), ein<br />

neues Gewicht. Es war nun deutlich, dass in den früheren Phasen der Geschichte<br />

Israels JHWH nicht allein im Sinne eines Monotheismus verehrt wurde, sondern in<br />

einer polytheistischen bzw. später monolatrischen Religiosität. Erst in der exilischnachexilischen<br />

Zeit hat sich, vor allem durch die Theologie des „zweiten Jesaja“ (Jes<br />

40-55), der Glaube durchgesetzt, dass es nur den einen Gott als Schöpfer der Welt<br />

2<br />

Besonders deutlich für diese Sichtweise ist die Darstellung des „Landtages zu Sichem“ in Jos 24, vgl.<br />

v.a. V. 14+15, wo nach der geschichtlichen Rückschau die Konsequenz für das gegenwärtige Israel<br />

gezogen wird. Die komplexen Fragen nach Literar- <strong>und</strong> Redaktionskritik des Josuabuches können<br />

hier ausgeklammert bleiben, eindeutig ist jedenfalls, dass Jos 24 eine nachträgliche,<br />

deuteronomistisch beeinflusste Geschichtsdeutung darstellt, die die Zerstörung Jerusalems<br />

voraussetzt (V. 20).<br />

3<br />

Textedition bei: JOHANNES RENZ <strong>und</strong> WOLFGANG RÖLLIG, Handbuch der Althebräischen<br />

Epigraphik (HAE), Bd. I, II/1, III, Darmstadt 1995. Aus der nahezu uferlosen Literatur vgl.<br />

zusammenfassend v.a. OTHMAR KEEL <strong>und</strong> CHRISTOPH UEHLINGER, Götter, Göttinnen <strong>und</strong><br />

Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur <strong>Religion</strong>sgeschichte Kanaans <strong>und</strong> Israels aufgr<strong>und</strong> bislang<br />

unerschlossener ikonographischer Quellen, Freiburg, Basel, Wien 1998, § 129-147; 237-282; s. auch<br />

MARTIN RÖSEL, Inscriptional Evidence and the Question of Genre, in: MARVIN A. SWEENEY <strong>und</strong><br />

EHUD BEN ZVI (Hrsg.), The Changing Face of Form Criticism for the Twenty-First Century, Grand<br />

Rapids 2003, 107-121.<br />

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