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Religion und Offenbarung - Orient-Institut Beirut

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Joachim Kügler<br />

<strong>Religion</strong> ist ein Angebot Gottes, sich ihm zu entziehen,<br />

ohne ihn zu vergessen<br />

Thesen zum Verhältnis von <strong>Religion</strong> <strong>und</strong> <strong>Offenbarung</strong> aus der Perspektive eines<br />

katholischen Bibelwissenschaftlers<br />

1. Einleitung: Die Unterscheidung von <strong>Religion</strong> <strong>und</strong> <strong>Offenbarung</strong><br />

Die Unterscheidung von <strong>Religion</strong> <strong>und</strong> <strong>Offenbarung</strong> ist keinesfalls selbstverständlich.<br />

Im europäischen Kontext setzt sie eine bestimmte Form der <strong>Religion</strong>skritik voraus.<br />

Die Gr<strong>und</strong>lage lieferte Feuerbach 1 (1804-1872) mit seiner These, <strong>Religion</strong> sei nur eine<br />

menschliche Projektion ohne jeden Realitätsgehalt. Wenn <strong>Religion</strong> aber nur ein<br />

Produkt menschlicher Phantasie ist, dann machen religiöse Aussagen keine Aussage<br />

über eine Wirklichkeit. Sie sagen allenfalls noch etwas über die Bedürfnisse,<br />

Wünsche <strong>und</strong> Träume der Menschen. Ihre Aussagen über Gott sind Aussagen über<br />

etwas, was es nicht gibt, so die Position dieses Stranges der <strong>Religion</strong>skritik. Die<br />

naheliegende Form, das Christentum gegen diese Kritik zu verteidigen, lag darin,<br />

das Christentum als etwas Besonderes zu sehen. Die Gr<strong>und</strong>these ist dabei: Alle<br />

anderen <strong>Religion</strong>en mögen nur Gebilde menschlicher Phantasie sein, für die<br />

christliche <strong>Religion</strong> kann das natürlich nicht gelten.<br />

Sie ist nämlich überhaupt keine <strong>Religion</strong>, so die Behauptung z.B. der Dialektischen<br />

Thologie zu Beginn des zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>erts. Das Christentum, so die These,<br />

unterscheidet sich von allen anderen <strong>Religion</strong>en dadurch, dass es keine Phantasie<br />

des Menschen über Gott ist, sondern die <strong>Offenbarung</strong> Gottes an die Menschen.<br />

Im Christentum träumt nicht der Mensch von Gott, sondern Gott spricht zum<br />

Menschen. Diese Reaktion auf Feuerbachs Kritik beruht auf einer weitgehenden<br />

Zustimmung zu seiner Einschätzung der <strong>Religion</strong>. <strong>Religion</strong>, so wird angenommen,<br />

ist in der Tat in der Regel nur menschliche Projektion, nicht mehr als ein Produkt<br />

menschlicher Phantasie. Sie redet von Dingen, die es nicht gibt, <strong>und</strong> zeigt uns nur,<br />

wovon Menschen träumen, worauf sie hoffen, wonach sie sich sehnen <strong>und</strong> wovor sie<br />

Angst haben. Feuerbachs Kritik stimmt für alle <strong>Religion</strong>en, aber sie kann das<br />

Christentum nicht betreffen, weil dieses eben gar keine <strong>Religion</strong> ist!<br />

Diese geschickte Verteidigungsstrategie lässt sich sehr schön graphisch<br />

verdeutlichen:<br />

1<br />

LUDWIG ANDREAS FEUERBACH, * 28. Juli 1804 in Landshut; † 13. September 1872 in Rechenberg bei<br />

Nürnberg, deutscher Philosoph, Hauptwerk: Das Wesen des Christenthums, Leipzig 1841.<br />

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