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Religion und Offenbarung - Orient-Institut Beirut

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Bileam: <strong>Offenbarung</strong> im Ostjordanland II: Altes Testament<br />

Die Wertschätzung Bileams zeigt sich nun auch in der jüdisch-christlichen Bibel. 16<br />

Denn an einer kompositionell wichtigen Stelle der Erzählung von Exodusgeschehen,<br />

Sinai-<strong>Offenbarung</strong> <strong>und</strong> Zug nach Kanaan begegnet ausgerechnet dieser Seher. Das<br />

Geschehen ist im Land Moab lokalisiert, gegenüber von Jericho, keine 100km südlich<br />

des späteren Deir Alla. Dem Gang der Erzählung nach fürchtet sich der moabitische<br />

König Balak vor den Israeliten. Er schickt Boten zu einem Seher namens Bileam ben<br />

Beor, der am Euphrat lebte, damit er komme <strong>und</strong> Israel verfluche. Bileams Fluch gilt<br />

als wirkmächtig: „Wen du segnest, der ist gesegnet, <strong>und</strong> wen du verfluchst, der ist<br />

בִּלְעָם בֶּן־בְעֹור verflucht.“ (Num 22,6). Der Konsonantenbestand des Eigennamens<br />

(bil‛am ben be‛or) stimmt mit dem des Textes aus Deir Alla überein, mit Ausnahme<br />

des Wechsels vom aramäischen בר (bar) zum hebräischen בן (ben). Es ist also<br />

offensichtlich die gleiche Person gemeint.<br />

Bileam teilt den Boten mit, dass er in der Nacht erst den Herrn befragen müsse,<br />

bevor er ihnen Antwort geben könne. Interessanterweise steht hier (Num 22,8) im<br />

hebräischen Text der Eigenname des Gottes Israels, JHWH; es wird vorausgesetzt,<br />

dass der fremde Prophet ihn kennt. Gott aber (hier steht nun das Appellativum<br />

elohim, 22,12) verbietet Bileam, mit nach Moab zu gehen, denn Israel sei ein<br />

gesegnetes Volk. Ein zweites Mal werden Boten geschickt, wieder sagt Bileam, dass<br />

er nichts tun könne ohne einen Auftrag JHWHs, des Herrn (22,19). Diesmal jedoch<br />

wird ihm erlaubt, mit den Boten zu gehen.<br />

Im Ablauf des Geschehens wird aber nun derselbe Gott, der eben noch erlaubt hat,<br />

dass der Seher mit den Boten zieht, zornig <strong>und</strong> schickt seinen Engel, um Bileams<br />

Weg zu verstellen (22,22 ff.). Doch nur Bileams Eselin erkennt den Engel <strong>und</strong> scheut.<br />

Bileam, der von Gott gesandte Prophet, erkennt den Boten des Herrn nicht, bis der<br />

Herr selbst ihm die Augen öffnet (V. 31) <strong>und</strong> ein weiteres Mal mit ihm redet. Er<br />

schärft dem Propheten ein – was bereits gesagt war –, dass er nichts weissagen<br />

möge außer dem, was Gott ihm eingegeben habe. Diese Unterbrechung im<br />

Geschehensablauf wird von den meisten Forschern, m. E. zu Recht, als sek<strong>und</strong>äre<br />

Einfügung betrachtet, die das positive Bild des fremden Propheten nachhaltig<br />

verändert 17 , denn Bileam kann eigentlich nicht JHWHs Prophet sein, wenn er seinen<br />

Boten nicht erkennt.<br />

16<br />

Vgl. dazu auch MARTIN RÖSEL, Wie einer vom Propheten zum Verführer wird. Tradition <strong>und</strong><br />

Rezeption der Bileamgestalt, Biblica 80 (1999), 506–524; HERBERT DONNER, Balaam pseudopropheta.<br />

In: ders. u.a., (Hrsg.), Beiträge zur alttestamentlichen Theologie (FS W. Zimmerli), Göttingen 1977,<br />

112-123.<br />

17<br />

Anders, aber nicht überzeugend <strong>und</strong> methodisch wenig klar z.B. ULRIKE SALS, Bileam - der<br />

lächerliche Falschprophet. Eine Widerlegung. In: EGBERT BALLHORN <strong>und</strong> GEORG STEINS (Hrsg.): Der<br />

Bibelkanon in der Bibelauslegung. Methodenreflexionen <strong>und</strong> Beispielexegesen, Stuttgart 2007, 163–<br />

188 (mit Literatur). S. auch JOHN VAN SETERS, From Faithful Prophet to Villain: Observations on the<br />

Tradition History of the Balaam Story. In: EUGENE E. CARPENTER (Hg.), A Biblical Itinerary - in<br />

Search of Method, Form and Content (FS G.W. Coats), Sheffield 1997, 126-132.<br />

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