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Religion und Offenbarung - Orient-Institut Beirut

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Sonia Lotfy<br />

Wahy als Bestandteil der menschlichen Geformtheit<br />

Das erste, was den Menschen ausmacht, ist, dass er ein denkendes Wesen ist. So gibt<br />

ihm das Denken eine vorübergehende Vorstellung von sich selbst, von der Welt um<br />

ihn herum <strong>und</strong> von seiner Beziehung zur wahrgenommenen Welt. All dies<br />

bewerkstelligt der menschliche Verstand mittels der drei Wahrnehmungsweisen<br />

(Sinneswahrnehmung, Vorstellungsvermögen, Fantasie), also um damit für sich<br />

selbst Antworten <strong>und</strong> Vorstellungen hervorzubringen. Diese Vorstellungen<br />

entwickeln sich bisweilen zu vorbehaltlos angenommenen Ideen, doch bleiben dem<br />

Verstand einige Fragen: Was ist die Ursache für das vergängliche Dasein? Wohin<br />

strebt es? Und was ist der Gr<strong>und</strong> seines Glücks, wenn es glücklich ist, <strong>und</strong> seines<br />

Unglücks, wenn es unglücklich ist? Warum glauben die Menschen von alters her,<br />

dass es für dieses Dasein einen Schöpfer gibt – im Unterschied zu ihren<br />

Vorstellungen – <strong>und</strong> dass, um zu seiner Erkenntnis zu gelangen, es des Strebens <strong>und</strong><br />

der Mühe bedarf? Warum stellen wir fest, dass sich die großen Gelehrten <strong>und</strong><br />

Denker seit langer Zeit über die Beschäftigung mit ihren Sinnen <strong>und</strong> ihrem<br />

Vorstellungsvermögen erheben <strong>und</strong> sich in grenzenlosen Raum begeben, indem sie<br />

nach diesem Schöpfer forschen, der zweifellos in Beziehung zu diesem Verstand<br />

<strong>und</strong> jener Seele steht, die sich nach seiner Erkenntnis sehnt?<br />

Die Antwort auf alle diese Fragen findet sich in einem Wort, nämlich: wahy.<br />

Wahrlich, derjenige, der das Dasein hervorgebracht hat, es geformt hat <strong>und</strong> die<br />

Menschen zum Edelsten darin gemacht, hat sie niemals diesen Verstandeskräften<br />

überlassen, weil er genau um deren Begrenztheit wusste. Deswegen ist wahy der<br />

menschlichen Geformtheit inhärent <strong>und</strong> mit ihr verknüpft wie das Unerlässliche<br />

mit dem, was es unerlässlich macht. Sobald das unerlässlich Machende<br />

verschwindet, verschwinden auch unweigerlich die unerlässlich gemachten Dinge,<br />

wie es jedem Vernunftbegabten bekannt ist. Gott (t) – Preis sei ihm - hat sich zu<br />

keiner Zeit von der Welt zurückgezogen <strong>und</strong> wird es nicht, solange Himmel <strong>und</strong><br />

Erde bestehen. Und die Verbindung ist immer <strong>und</strong> ewig wahy. Was ist aber die<br />

wahre Bedeutung von wahy?<br />

Die Sprachwissenschaftler nannten für das Wort wahy viele Bedeutungen, darunter:<br />

Zeichen (ishara), Schrift (kitaba), Botschaft (risala), Eingebung (ilham), verborgene<br />

<strong>und</strong> geschriebene Sprache (kalam), Befehl (amr), wahrhafte Schau (ruʾya),<br />

Dienstbarmachung (taskhir) 1 . Dann sagten sie, dass wahy sich auf die Eingebung<br />

(ilham) beschränkt <strong>und</strong> ihr Gebrauch in dem, was von Gott aus an die Propheten<br />

übertragen wird, überwiegt. Damit meinen sie die vorherrschende Bedeutung im<br />

1<br />

Siehe: al-ʿAin 3/320, Dschamhara al-Lugha 1/231, Tahdhib al-Lugha 5/192, Mudschmal al-Lugha von<br />

Ibn Faris 1/919, Maqayis al-Lugha 6/93, Muchtar as-Sihah 1/334, Lisan al-ʿArab 15/379.<br />

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