Religion und Offenbarung - Orient-Institut Beirut
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Aramäisch abgefasst 9 , aus stratigraphischen <strong>und</strong> paläographischen Gründen ist sie<br />
in das 9./8. Jh. v.Chr. datiert worden, was durch C-14 Messungen bestätigt wurde. 10<br />
Interessant ist, dass die Inschrift in zwei Farben ausgeführt wurde (schwarz <strong>und</strong> rot<br />
für Überschriften / Rubrum) <strong>und</strong> durch Linien gerahmt war. Offensichtlich ist die<br />
Repräsentationsform als Wandinschrift sek<strong>und</strong>är, ihr ging wohl eine Version auf<br />
Papyrus etc. voraus, deren Gliederung bei der Wandinschrift nachgezeichnet wird. 11<br />
Leider sind nur Fragmente der Inschrift erhalten, deren Lesung <strong>und</strong> Zuordnung<br />
untereinander nicht immer sicher sind 12 . Üblicherweise werden die Bruchstücke zu<br />
zwei Textkombinationen zusammengeordnet. Bei allen Fragen im einzelnen ist<br />
jedenfalls deutlich, dass die sogenannte 1. Kombination der Inschrift von einer<br />
Gestalt Balaam, masoretisch: Bileam, erzählt. Er wurde nachts visionär in eine<br />
Versammlung der Götter versetzt <strong>und</strong> erfährt dort Dinge, die er seinem Volk<br />
k<strong>und</strong>tun soll. Am nächsten Morgen erwacht er, weint bitterlich <strong>und</strong> tut dann dem<br />
Volk k<strong>und</strong>, was die Schadajin-Götter tun wollen (Z. 1-7). Dann wird eine „verkehrte<br />
Welt“ beschrieben, die Sonnengöttin wird nicht mehr scheinen, <strong>und</strong> die bekannte<br />
Ordnung der Dinge wird zusammenbrechen: „Hyänen hören auf die Worte der<br />
Fuchswelpen, Hochgestellte gingen als Getriebene aus der Stadt, Taugenichtse<br />
machen sich über Weise lustig“ (Z. 11; Übersetzung orientiert an Blum).<br />
Es liegt auf der Hand, an eine Parallele zu biblischen Visionsschilderungen wie<br />
1.Kön 22 oder Jes 6 zu denken, in denen sich die Gottheit einzelnen Propheten<br />
offenbart <strong>und</strong> ihnen bevorstehendes Unheil ankündigt. Unklar ist dabei, ob die<br />
„verkehrte Welt“ Inhalt dessen ist, was Bileam gezeigt wird, oder umgekehrt die<br />
historisch-kritischen Anmerkungen. In: INGO KOTTSIEPER u.a. (Hrsg.), Berührungspunkte. Studien<br />
zur Sozial- <strong>und</strong> <strong>Religion</strong>sgeschichte Israels <strong>und</strong> seiner Umwelt (FS R. Albertz), Münster 2008 (AOAT<br />
350), 573–601: 596f.<br />
9<br />
Dazu ÉMILE PUECH, Bala‛am and Deir ‛Alla, in: GEORGE H. VAN KOOTEN <strong>und</strong> JACQUES VAN RUITEN<br />
(Hrsg.), The Prestige of the Pagan Prophet Balaam in Judaism, Early Christianity and Islam, Leiden<br />
2008 (Themes in Biblical Narrative, 11), 25–47.<br />
10<br />
WENNING <strong>und</strong> ZENGER, Stadt (siehe Anm. 8), 193, fassen die jüngsten archäologischen<br />
Untersuchungen dahingehend zusammen, dass i.E. eine Datierung in die 2. Hälfte des 9. Jh.<br />
anzunehmen ist. Dazu passen auch die sprachgeschichtlichen Überlegungen von HANS-PETER<br />
MÜLLER, Die Sprache der Texte von Tell Deir ‛Allā im Kontext der nordwest-semitischen Sprachen<br />
mit einigen Erwägungen zum Zusammenhang der schwachen Verbklassen, ZAH 4 (1991), 1-31. Zu den<br />
C-14 Ergebnissen s. MEINDERT DIJKSTRA, Is Balaam also among the Prophets?, JBL 114 (1995), 43-64,<br />
hier: 45.<br />
11<br />
Vgl. MANFRED WEIPPERT, Der „Bileam“-Text von Tell Der ‘Alla <strong>und</strong> das Alte Testament. In: Ders.,<br />
Jahwe <strong>und</strong> die anderen Götter (FAT 18), Tübingen 1997, 163-188, hier: 185f., vgl. auch JAN CHRISTIAN<br />
GERTZ, Die unbedingte Gerichtsankündigung des Amos, in: FRANZ SEDLMEIER (Hg.), Gottes Wege<br />
suchend (FS R. Mosis), Würzburg 2003, 153–170, hier: 162.<br />
12<br />
Vgl. dazu die beiden wichtigen Aufsätze von Erhard Blum, der eine ganze Reihe plausibler neuer<br />
Lesungen vorschlägt (hier auch umfassende Hinweise zu früherer Literatur), neben BLUM,<br />
Kombination I (siehe Anm. 8), auch ders., "Verstehst du dich nicht auf die Schreibkunst…?". Ein<br />
weisheitlicher Dialog über Vergänglichkeit <strong>und</strong> Verantwortung: Kombination II der Wandinschrift<br />
vom Tell Deir ‛Alla. In: MICHAELA BAUKS u.a. (Hrsg.), Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst?<br />
(Psalm 8,5). Aspekte einer theologischen Anthropologie, (FS B. Janowski), Neukirchen-Vluyn 2008,<br />
33–53.<br />
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