Ausgabe 1/2011 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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kümmert sich meist eine mehrköpfige Jury, sie bringt die<br />
Expertise mit, um aus preisverdächtigen preisgekrönte Leistungen<br />
zu machen. Was Kampfrichter beim Gerätturnen sind,<br />
beäugen Juroren bei Preisen. Nur arbeiten die meist unerkannt<br />
hinter verschlossenen Türen. Es kommt selten vor, dass<br />
die Namen der (oftmals prominenten) Jury und dazu noch<br />
deren Voten im Einzelnen bekannt gegeben werden, wie das<br />
neulich beim Sven-Simon-Preis für Sportfotografie der Fall<br />
war, der im Sport und Olympia Museum Köln zum zwölften<br />
Male vergeben wurde und wo z.B. Boris Becker und Franz<br />
Beckenbauer die meisten Punkte für das spätere Siegerfoto<br />
("Ein Tor für die Ewigkeit" von Markus Gilliar) vergeben hatten,<br />
während u. a. Heiner Brand und Katarina Witt als Jury-<br />
Mitglieder ganz andere Motive vorn auf ihrer Liste nominiert<br />
hatten.<br />
Apropos Jury: Das Preisthema außerhalb des Sports hat<br />
längst literarische Facetten gefunden. Im Roman "Preisverleihung"<br />
des Berliner Günter de Bryun geht es beispielsweise<br />
um die Frage, ob es moralisch verantwortbar ist, auch<br />
eine schlechte Leistung derart hochzuloben, dass es zur<br />
"Preisverleihung" kommt. Und der österreichische Schriftsteller<br />
Thomas Bernhard, der in diesem Jahr 80 Jahre alt<br />
geworden wäre, hat in seinem Selbstporträt als Preisempfänger<br />
die Auszeichnungen, die ihm zuteil wurden, prosaisch<br />
unter die Lupe genommen (Titel: "Meine Preise"). Da<br />
gerinnt dann auf einem Jahrmarkt der Eitelkeiten die Preisverleihung<br />
zur Peinlichkeit: "Ich hasste die Zeremonien, aber<br />
ich machte sie mit, ich hasste die Preisgeber, aber ich nahm<br />
ihre Geldsummen an." Apropos Geldsummen: Die schwanken<br />
im Sport natürlich auch und fangen bei jenen ideellen<br />
Preisen an, bei denen kein Bargeld, sondern "nur" eine<br />
künstlerisch wertvolle Trophäe vergeben wird. Der derzeit<br />
"teuerste" Preis im Sport dürfte Mission Olympic sein mit<br />
75.000 Euro. Aber diese Summe erhält dann auch nicht eine<br />
einzelne Person, sondern gleich eine ganze Stadt wie zuletzt<br />
Mannheim.<br />
Preisgelder hin oder her - Preise sind so oder so ein geradezu<br />
selbstverständlicher Teil unserer Gegenwartsgesellschaft.<br />
Der Sport ist darin gleichsam involviert - Tendenz steigend!<br />
Ist gar eine "Verpreisung des Sports" in Sicht? Diese Frage<br />
sollten am besten diejenigen beantworten, die sich immer<br />
wieder auf Preise bewerben. Gegenwärtig läuft beispielsweise<br />
gerade die Bewerbungsfrist für den Jugendfotopreis <strong>2011</strong><br />
des <strong>Deutsche</strong>n Kinder- und Jugendfilmzentrums, wo im<br />
Zuge der Frauenfußball-Weltmeisterschaft <strong>2011</strong> in Deutschland<br />
diesmal Fotos gesucht werden, auf denen "weibliche<br />
Kicker" eindrucksvoll in Szene gesetzt sind. Versucht man<br />
jedoch diese gegenwärtige Preiskonjunktur im Sport für<br />
eine zukünftige Preiskultur zu festigen und weiter zu pflegen,<br />
dann sind mindestens die folgenden vier Prüfsteine<br />
dabei als ein konstruktiver Preisskeptizismus in Anschlag zu<br />
bringen:<br />
34<br />
Der erste Prüfstein lautet Exzellenz und meint: Mit der stetig<br />
steigenden Anzahl der ausgelobten Preise muss nicht<br />
zwangsläufig die Qualität der Leistungen steigen, die ausgezeichnet<br />
werden (sollen). Anders und pauschal: Wer immer<br />
mehr und irgendwann alles bepreist, der missachtet am Ende<br />
das Kriterium der Exzellenz, das den Preisen per se den<br />
unaustauschbaren Stempel aufdrückt. Die Gefahr des Exzellenzverlustes<br />
bedroht so gesehen nicht nur die Vergabe eines<br />
neuen Preises, sie lauert im Grunde auch bei jeder neuen<br />
Vergabe eines schon etablierten Preises.<br />
Der zweite Prüfstein lautet Sättigung und meint: Mit der stetig<br />
steigenden Anzahl der ausgelobten Preise muss nicht zwangsläufig<br />
die Anzahl derjenigen ansteigen, die sich dem Wettbewerb<br />
um die Vergabe von Preisen immerzu stellen. Anstatt<br />
andauernd in der Erarbeitung von aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen<br />
zu versinken, kann man auch den Entschluss<br />
fassen, auf eine Bewerbung schlicht und einfach zu verzichten<br />
- zumal dann, wenn das Verhältnis von Bewerbungsaufwand<br />
und der Chance, den Preis hinterher zu erhalten, von vornherein<br />
nicht unbedingt Erfolg versprechend erscheint.<br />
Der dritte Prüfstein lautet Instrumentalisierung und meint:<br />
Mit der stetig steigenden Anzahl der ausgelobten Preise<br />
wächst die Anzahl derjenigen, die solche per se ausloben bzw.<br />
als Partner und Unterstützer auftreten. Viele Preise im Sport<br />
werden inzwischen von mehreren Organisationen und Unternehmen<br />
gemeinsam ausgeschrieben. Sie verbinden damit<br />
bestimmte und teilweise durchaus berechtigte Interessen.<br />
Damit einher geht prinzipiell jedoch die Gefahr der Instrumentalisierung<br />
von Preisen. Am Beispiel: Wer Kinder und<br />
Jugendliche über gesunde Ernährung aufklären will, der muss<br />
sich fragen lassen, ob es dazu notwendig und sinnvoll ist,<br />
einen Preis zusammen mit einer Fast-Food-Kette auszuloben<br />
oder ob es andere und bessere Maßnahmen und Möglichkeiten<br />
dafür gibt.<br />
Der vierte Prüfstein lautet Nachhaltigkeit und meint: Mit der<br />
stetig steigenden Anzahl von ausgelobten Preisen hierzulande<br />
und im Sport geht auch eine Kehrseite einher: Es scheint<br />
nämlich gleichzeitig die Anzahl derjenigen Wettbewerbe zu<br />
steigen, die nach kürzester Zeit wieder vom Preismarkt verschwinden.<br />
Ein Preis, der nur ein einziges Mal ausgelobt wird,<br />
bringt sich selbst um das Etikett der Nachhaltigkeit - zumal<br />
dann, wenn ausdrücklich mit der Preisvergabe "vorbildliche<br />
Leistungen" oder "modellhafte Projekte" ausgezeichnet werden,<br />
die andere zur Nachahmung animieren sollen. So hat<br />
sich - dies als süß-saures Sahnehäubchen ganz zum Schluss<br />
oben drauf - der Fotowettbewerb "Die marode Sportstätte"<br />
im Jahre 2009 selbst schnell als marode erwiesen. Er wurde<br />
nur ein einziges Mal vergeben: Wer hat denn schon Lust, sich<br />
Jahr für Jahr Bilder von (den gleichen) baufälligen Sportanlagen<br />
anzusehen und die aktuell schlimmsten für einen Preis<br />
auszuwählen. Ganz im Ernst: Da kommt jeder Preis zu spät.<br />
Da hilft nur noch Sanierung.