Ausgabe 1/2011 - Deutsche Olympische Gesellschaft
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eschreibt, sprach Margaret Lambert alias Gretel Bergmann<br />
zum ersten Mal seit 67 Jahren wieder Deutsch: am Anfang<br />
vor den Kameras und Mikrofonen erst ein wenig holprig.<br />
Später im privaten Gespräch am Abend immer lockerer. Da<br />
ging es auch um Dora Ratjen, die Olympia-Vierte im Hochsprung.<br />
Erst nach mehr als sechzig Jahren erfuhren beide,<br />
dass Dora nicht, wie vermutet, intersexuell, sondern ein Mann<br />
war und von 1939 an mit dem Vornamen Heinrich weiter<br />
Die Zahl der Zeitzeugen, die über die Spiele von Berlin<br />
1936 aus eigenem Erleben berichten können, hat sich<br />
75 Jahre danach extrem verringert. Von der einst fast<br />
400-köpfigen deutschen Olympiamannschaft leben überhaupt<br />
nur noch zwei Frauen: die 90-jährige Susanne von<br />
Hartungen-Heinze, die Platz sieben im Turmspringen belegte,<br />
und die zwei Jahre ältere Dr. Grete Debus-Winkels, einstmals<br />
Ersatzläuferin der durch Stabverlust ausgeschiedenen Sprintstaffel.<br />
Nicht zu vergessen Guzzi Lantschner, der zuerst in Garmisch-<br />
Partenkirchen die Silbermedaille in der alpinen Kombination<br />
gewann und dann im Sommer als einer<br />
von drei Chefkameramännern Leni<br />
Riefenstahls Olympiafilm drehte. Sein<br />
101. Geburtstag am 12. August fällt<br />
mitten ins Olympia-Jubiläum.<br />
Jenseits jeder menschlicher Lebenserwartung<br />
existiert jedoch der Ort, an<br />
dem die Spiele stattfanden und der<br />
jährlich von rund 300 000 Touristen<br />
besucht wird. Vielen ist die Faszination<br />
anzusehen, der sie erliegen, wenn sie<br />
die Arena vom Osten her betreten und<br />
sich zu ihren Füßen plötzlich der riesige<br />
Kessel mit der blauen Laufbahn und<br />
dem sattgrünen Rasen ausbreitet.<br />
Gegenüber, wo sich das Dach zum<br />
Glockenturm hin öffnet, erblicken sie<br />
das Marathontor mit dem Dreifuß, auf<br />
dem das <strong>Olympische</strong> Feuer brannte.<br />
Rechts und links an den Türmen die<br />
olympischen Ehrentafeln, die mit dem<br />
lebte. Margaret Lambert, die heute noch 97-jährig in New<br />
York lebt, ist davon überzeugt, dass Dora Ratjen von den<br />
Nazis als "Geheimwaffe" eingesetzt wurde, um Gold zu<br />
gewinnen und ihr als Jüdin zu schaden.<br />
Helene Mayer und Gretel Bergmann sind sich niemals persönlich<br />
begegnet. Doch die Turbulenzen der Zeitgeschichte haben<br />
ihre Schicksale eng miteinander verknüpft.<br />
Ein herausragender Geschichtsort:<br />
Das Berliner Olympiastadion wird 75 Jahre alt Von Volker Kluge<br />
46<br />
Der Kuppelsaal im "Haus des <strong>Deutsche</strong>n<br />
Sports" gilt als bestes Werk von Architekt<br />
Werner March. Während der <strong>Olympische</strong>n<br />
Spiele von 1936 wurden hier die Finalwettkämpfe<br />
im Fechten ausgetragen.<br />
unvergessenen Namen des Siegers im 100-m-Lauf beginnen:<br />
Jesse Owens.<br />
Das Olympiastadion, das 2004 nach vierjähriger aufwändiger<br />
Sanierung wiedereröffnet wurde, ist eine multifunktionale<br />
Arena, die jährlich mit dutzenden Veranstaltungen dem großen<br />
Sport ebenso eine Bühne bietet wie Kultur und Show. Mit dem<br />
umliegenden Olympiapark ist es aber auch ein herausragender<br />
Geschichtsort, der mehrere archäologische Schichten aufweist.<br />
Ein Geschichtspfad führt von der 1909 eingeweihten Grunewaldrennbahn,<br />
inmitten der sich das <strong>Deutsche</strong> Stadion befand,<br />
über das für die <strong>Olympische</strong>n Spiele von 1936 auf Befehl<br />
Hitlers erbaute Reichssportfeld bis zum<br />
britischen Hauptquartier, das sich nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg bis 1994 im<br />
nördlich gelegenen Sportforum befand.<br />
Nach der Rekonstruktion des Glockenturms,<br />
in dessen Fuß sich ein Dokumentationszentrum<br />
befindet, harrt ein<br />
großer Teil des übrigen Geländes noch<br />
der Neugestaltung, die stufenweise<br />
erfolgen soll. Vieles davon ist jedoch<br />
schon jetzt sehenswert, allen voran das<br />
"Haus des <strong>Deutsche</strong>n Sports" mit dem<br />
17 m hohen Kuppelsaal, in dem sich<br />
Helene Mayer vor 75 Jahren die Silbermedaille<br />
im Florettfechten erkämpfte.<br />
Während Besucher nur gelegentlich<br />
Zugang erhalten, hat sich eine Sparte<br />
das eindrucksvolle Gebäude schon<br />
längst erschlossen: Die Zahl der Filme,<br />
die bisher hier gedreht wurden, ist kaum<br />
noch zu überblicken.