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Modell AVIATOR Blitzschnell Kunstflugjet

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Wissen | Grundlagenserie | Teil 37<br />

OXMOX OXMOX<br />

Einen Doppeldecker aerodynamisch auszulegen, ist nicht<br />

leicht. Die gegenseitige Beeinflussung der Tragflächen und<br />

jeweils der beiden Flächen auf das Leitwerk sind mit klassischen<br />

Methoden kaum zu modellieren. Früher legte man<br />

im manntragenden Flug nach Erfahrung aus und überließ<br />

dem Testpiloten das Risiko eines Irrtums oder Fehlers.<br />

Um den Anspruch noch zu steigern, sollte zudem das<br />

<strong>Modell</strong> absolut sicher vor einem Strömungsabriss sein.<br />

Dazu musste die obere Tragfläche einen etwas höheren als<br />

den optimalen Anstellwinkel aufweisen als die untere.<br />

Damit erfolgt, so der Plan, der Abriss immer zuerst oben.<br />

Die untere Fläche sollte dabei noch gut angeströmt bleiben.<br />

In Folge dessen sollte das <strong>Modell</strong> wegen des quasi<br />

Ausfalls der vorgestaffelten oberen Fläche aufgrund der<br />

höheren effektiven Flächenbelastung nicht nur schneller<br />

werden, sondern auch noch ein kopflastiges Moment<br />

bekommen. Das sollte dazu führen, dass das <strong>Modell</strong> die<br />

Nase senkt und somit der kritische Anstellwinkel auch<br />

oben wieder unterschritten wird. Ein anspruchsvolles Ziel.<br />

Letztlich sollte das <strong>Modell</strong> ohne jedes Einfliegen und<br />

Trimmen auf Anhieb eigenstabil und ausgewogen – einem<br />

Oldtimer gerecht – langsam fliegen. Es bedurfte geschlagener<br />

drei Abende der Berechnung mit FLZ_Vortex, wobei<br />

hunderte von Lösungen durchgespielt, nachkorrigiert oder<br />

verworfen wurden, bis eine theoretische Lösung gefunden<br />

war, die versprach, den Ansprüchen gerecht zu werden.<br />

Dabei zeigte sich, dass, obwohl höher als optimal angestellt,<br />

die gegenseitige Beeinflussung der Flächen so groß zu sein<br />

schien, dass die obere Fläche immer noch einen geringeren<br />

Anstellwinkel aufweisen musste, als die untere. Wer hätte<br />

das für möglich gehalten. Zudem zeigte sich, dass ein maßstäbliches<br />

Höhenleitwerk wegen der sehr kleinen zu erwartenden<br />

Re­Zahl nicht ausreichend groß für einen stabilen Flug<br />

gewesen wäre. Es musste um zirka 50 Prozent vergrößert<br />

werden. So baute ich das <strong>Modell</strong> über drei Wochen hinweg<br />

streng nach den Vorgaben der FLZ_Vortex­Berechnung, um<br />

letztlich eines Sonntags morgen eine E­Mail an Frank Ranis zu<br />

schreiben. Darin kündigte ich lapidar an, dass ich jetzt zum<br />

Erstflug aufbrechen würde, ohne das <strong>Modell</strong> vorher irgendwie<br />

aerodynamisch zu testen. Entweder würde es vom Boden<br />

weg sofort stabil fliegen oder er müsse noch mal an die<br />

Programmierung ran. Später erfuhr ich, dass Frank wohl den<br />

Sonntagmittag mit dem Kauen von Fingernägeln zubrachte –<br />

in gebannter Erwartung der erlösenden E­Mail nach dem<br />

Erstflug. Hätte ich das geahnt, so hätte ich mir an dem Tag<br />

auf der Flugwiese nicht so viel Zeit gelassen.<br />

78 www.modell-aviator.de<br />

Abbildung 5: Die Curtiss<br />

Jenny, ein erster reiner<br />

FLZ_Vortex-Entwurf<br />

Lese-Tipp<br />

Warum kann ein Flugzeug<br />

überhaupt fliegen und<br />

welche Kräfte wirken auf<br />

ein Fluggerät am Himmel?<br />

Was ist eine Re-Zahl?<br />

Worin unterscheiden sich<br />

die verschiedenen Profile?<br />

Diese und andere Fragen<br />

beantwortet Tobias Pfaff<br />

in den aerodynamic<br />

Workbooks Volume 1 und<br />

2 mit anschaulichen<br />

illustrationen und informativen<br />

Diagrammen. Die<br />

Workbooks erhalten sie<br />

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Preis: 8,50 euro je<br />

exemplar.<br />

erstflug – Theorie und Realität<br />

Der Satz „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie und grün<br />

des Lebens goldner Baum“, wird Johann Wolfgang von<br />

Goethe zugeschrieben. Eine der wenigen Aussagen von<br />

ihm, die die Wissenschaft betreffend eine gewisse<br />

Richtigkeit haben. Gemeint ist nicht, dass Theorie und<br />

Praxis nichts miteinander zu tun hätten, wie der Satz<br />

immer wieder interpretiert wird, sondern vielmehr, dass<br />

eine Theorie nur wirklich taugt, wenn sie sich in der<br />

Realität bestätigt findet und überprüfen lässt. Ansonsten<br />

bleibt sie nur ein hypothetisches Gedankenspiel. Es wäre<br />

nicht Goethe, wenn er nicht selbst immer wieder gegen<br />

diese Erkenntnis verstoßen hätte.<br />

Konkret für das Projekt der Curtiss Jenny bedeutete das,<br />

dass sich die Genauigkeit der Software darin bestätigt finden<br />

müsste, dass ein aerodynamisch derart komplexes <strong>Modell</strong> in<br />

den Grenzen der Messgenauigkeit so fliegen sollte, wie es<br />

vorherberechnet ist. So stand das <strong>Modell</strong> also nach erfolgreichem<br />

Reichweitentest auf der Startbahn. Würde dieses filigrane<br />

Konstrukt aus Balsastäbchen und Gewebefolie wirklich<br />

fliegen? Ich zweifelte daran. Doch in einem Anflug von<br />

Fatalismus gab ich trotz drei Wochen zum Teil nervenaufreibender<br />

Arbeit beherzt Gas. Schnell kam sie ins Rollen, hob<br />

das Heck an und war nach wenigen Metern frei. Sie flog.<br />

Gutmütig und langsam wie berechnet. Ein Nachtrimmen<br />

war nicht nötig. Sie flog vollkommen eigenstabil und ruhig.<br />

Eigentlich ein <strong>Modell</strong> für den ungeübten Einsteiger. Spätere<br />

Messungen haben gezeigt, dass auch Flug­ und Sinkgeschwindigkeit<br />

mit nur wenigen Prozent Abweichungen<br />

den berechneten Werten entsprachen. Das Abrissverhalten<br />

zeigte sich genau wie vorherberechnet. Selbst<br />

beim Landen zeigte sie keine Tendenz zum Abkippen und<br />

keine Allüren. Sie flog wie auf Schienen an und setzte sanft<br />

auf der nur zwei Meter breiten Landebahn – ein geteerter<br />

Feldweg – auf. Zufrieden kehrte ich am Nach mittag nach<br />

Hause zurück, um Frank Ranis die erlösende Nachricht<br />

zu schicken.<br />

nur etwas für Profis?<br />

Für das Programm FLZ_Vortex bedeutet dies indes, dass<br />

es eine sehr hohe Verlässlichkeit besitzt. Bisher hat es sich<br />

in unzähligen Beispielen immer wieder bewährt. Zitternde<br />

Knie beim Erststart in Anbetracht der Ungewissheit, ob<br />

das <strong>Modell</strong> überhaupt stabil fliegen wird – von guten<br />

Flugleistungen mal ganz abgesehen – gehören seither der<br />

Vergangenheit an.<br />

Doch ist eine solch professionelle Software, wie in<br />

Abbildung 6 dargestellt, nicht nur etwas für den eingefleischten<br />

Aerodynamiker?<br />

Sicher waren zur Programmierung fundierte Kenntnisse<br />

der Aerodynamik und Informatik nötig. Doch gerade für<br />

den Anwender sieht das vollkommen anders aus. Denn<br />

das Ziel der Software war, dass es dem aerodynamischen<br />

Laien möglich sein soll, selbst komplizierte Konzepte zu<br />

berechnen und zu optimieren, ohne sich dabei in die<br />

Aerodynamik einarbeiten zu müssen. Natürlich schaden<br />

einige Kenntnisse aerodynamischer Konzepte, zum<br />

Beispiel aus dieser Grundlagenserie, nicht. Zwingend

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