Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt, Ausgabe 9/2009
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MEDIZIN UND WISSENSCHAFT<br />
BMBF fördert Projekt zur molekularen Bildgebung<br />
Labordiagnostik stellt bildgebende<br />
Verfahren in den Schatten<br />
Das Forschungszentrum Borstel verspricht sich vom Einsatz innovativer Technik<br />
eine verbesserte Krebsdiagnostik.<br />
Mit einer neuen Technik will ein Konsortium unter Führung<br />
des Forschungszentrums Borstel (FZB) die Krebsdiagnostik<br />
verbessern. Ein so genanntes Mehrkanal-<br />
Fluoreszenz-Endoskop soll künftig die Detektion von Tumoren<br />
mit einem Durchmesser von weniger als einem<br />
Millimeter ermöglichen. Darm-, Lungen- oder Kehlkopfkrebs<br />
könnten früher erkannt und damit wahrscheinlich<br />
auch leichter geheilt werden. Das Bundesministerium<br />
für Forschung und Bildung (BMBF) fördert<br />
das ehrgeizige Forschungsprojekt mit 2,6 Millionen<br />
Euro, die Wirtschaftspartner investieren zusätzlich 1,75<br />
Millionen Euro.<br />
Ziel der Bemühungen ist es, die Bildgebung in der Medizin<br />
entscheidend zu verbessern. „Labordiagnostik<br />
ist sehr sensitiv und in der Lage, einzelne Moleküle<br />
nachzuweisen. Im Vergleich dazu befinden sich bildgebende<br />
Verfahren wie Röntgen, Ultraschall oder Magnetresonanztomographie<br />
beinahe noch in der Steinzeit“,<br />
erklärte PD Dr. Andreas Frey, Koordinator des Konsortiums<br />
am FZB. Gewebeunterschiede lassen sich derzeit<br />
nur verhältnismäßig grob nachweisen. Wird ein Tumor<br />
in der konventionellen Bildgebung erstmals sichtbar,<br />
könne er jedoch längst begonnen haben, maligne Zellen<br />
zu streuen und Metastasen zu bilden, so Immunologe<br />
Frey. „Mit dem neuen Endoskop wollen wir ähnlich<br />
wie die Labordiagnostik auf die molekulare Ebene<br />
vordringen und biologische Prozesse auf zellulärer<br />
Ebene sichtbar machen.“<br />
Dafür sind spezielle Kontrastmittel erforderlich, die derzeit<br />
in Borstel, einem Leibniz-Zentrum für Medizin und<br />
Biowissenschaften, entwickelt werden. Frey und sein<br />
Team arbeiten mit Peptiden, die vom Organismus toleriert<br />
werden, Gewebe schnell passieren und mühelos<br />
in Zellen eindringen können. Mit aufwendigen Analysen<br />
in einem selbst lernenden Computerprogramm werden<br />
derzeit Aminosäureketten identifiziert, die an spezielle<br />
Tumorarten andocken - für jede Krebsform muss<br />
ein passendes Erkennungsmolekül gefunden werden.<br />
Die Peptide werden anschließend mit Funktionen ver-<br />
sehen, die das An- und Abschalten dieser Sonden erst<br />
nach Bindung an die Zielstruktur ermöglichen. Langfristiges<br />
Ziel des Forschungsverbundes ist die Verfügbarkeit<br />
solcher peptidbasierter Sonden mit einem darauf<br />
abgestimmten Endoskop für die Detektion kleinster<br />
Darmtumoren, Kehlkopf- und Lungenkarzinome sowie<br />
für die OP-begleitende Schnelldiagnostik. Stößt<br />
der Arzt während der Untersuchung auf verdächtiges<br />
Gewebe, kann er bei dem neuartigen Endoskop auf einen<br />
anderen optischen Kanal wechseln - vom Farb- auf<br />
ein Fluoreszenzbild. Andreas Frey: „Im besten Falle ist<br />
bei einer Darmspiegelung dann alles dunkel. Leuchtet<br />
es an der betreffenden Stelle jedoch rot auf, hat sich der<br />
Verdacht bestätigt, und die Peptid-Sonden haben bösartiges<br />
Gewebe identifiziert.“<br />
Befindet sich die Tumorerkrankung im Anfangsstadium,<br />
wird über einen weiteren Arbeitskanal ein Laser eingeführt,<br />
der das entartete Gewebe sofort zerstört. „Auf diese<br />
Weise können kleinste Tumoren von unter einem Millimeter<br />
Durchmesser und Vorstufen einer Krebserkrankung<br />
in der Hoffnung entfernt werden, dass sie noch<br />
keinen größeren Schaden angerichtet haben.“ Herauszubekommen,<br />
ob dadurch eine Metastasierung<br />
verhindert werden kann, ist ebenfalls Ziel des Forschungsprojektes.<br />
„Keiner weiß, wie gefährlich ein<br />
Krebs in so frühem Stadium ist. Bislang wurden schließlich<br />
noch niemals so kleine Tumoren aufgespürt“, so<br />
Frey.<br />
Das Projekt, an dem neben dem FZB ein deutschlandweites<br />
Firmenkonsortium mittelständischer Unternehmen<br />
beteiligt ist, läuft über drei Jahre. In etwa fünf<br />
Jahren, so die Hoffnung der Wissenschaftler, können<br />
Kontrastmittel und Endoskop Marktreife erlangen. Frey:<br />
„Das Projekt ist nicht nur technologisch wegweisend,<br />
sondern wird dem Patienten unmittelbar von großem<br />
Nutzen sein.“<br />
Uwe Groenewold<br />
<strong>Ausgabe</strong> 9 I September <strong>2009</strong> 25