Das Magazin für Funk Elektronik · Computer
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Jersey, was ist das?<br />
Diese Frage beschäftigte mich fast 30 Jahre.<br />
Neugierig wurde ich, als ich damals GC2LU<br />
(später GJ2LU) bei seinen CW-DX-Verbindungen<br />
auf 80 m zuhörte. Aus eigener Erfahrung<br />
wußte ich nur zu gut, mit wieviel Geduld<br />
auch ich von meinem damaligen Wohnsilo in<br />
Berlin etwas DX auf den niederfrequenten<br />
Bändern machen konnte.<br />
Nach meiner Übersiedlung von Berlin-Ost nach<br />
Wolfsburg hatte ich zwar recht schnell eine<br />
Wohnung und eine bezahlte Tätigkeit. Der Amateurfunk<br />
mußte aber in den ersten Jahren hinten<br />
anstehen; die Arbeit und das ganz andere Wirtschaftssystem<br />
nahmen mich zu sehr in Anspruch.<br />
Allenfalls blieb mir etwas Zeit, um an<br />
der Klubstation DL0VW zu arbeiten.<br />
Nachts versuchte ich mit einer 27-m-Wurfantenne<br />
aus dem 10. Stock meines Wohnhauses<br />
das erste CW-DX auf 80 m. Nach mehreren<br />
Standortwechseln verbesserte sich meine Situation.<br />
1991 konnte ich sogar auf 160 m QRV<br />
werden und habe dort viele Stationen gearbeitet,<br />
die mit nur wenigen Watt funkten. Anlaß<br />
genug, es selbst mit QRP zu versuchen. Es ging<br />
– und nicht nur auf 160 m. Ich trat in die<br />
AGCW (2242) und in den G-QRP-Club (8353)<br />
ein.<br />
Jersey jedoch ließ mich auch nach so vielen<br />
Jahren noch immer nicht los und der Gedanke,<br />
von dort mit QRP zu funken. In der dortigen<br />
Tageszeitung inserierte ich meine QTH-Suche.<br />
Nach kurzer Zeit erhielt ich einen netten Brief<br />
von Jenny, 2J1CWG, und ihrem Mann Chris,<br />
GJ7UIT, die beide auf 6 m recht aktiv sind<br />
und mich herzlich einluden. Mit 20 kg Gepäck<br />
landete ich dann am 14.7.95 in Jersey.<br />
Ein warmherziger Empfang wurde mir zuteil,<br />
ich sollte mich wie zu Hause fühlen. Nachdem<br />
ich noch einen entsprechenden Netzstecker<br />
(mit Schutzkontakt) kaufte, konnte ich schon<br />
am selben Abend QRV werden. Um 1900 UTC<br />
hatte ich meine ersten Verbindungen auf 20 m.<br />
Meine Ausrüstung bestand aus Transceiver<br />
Ten Tec Delta 2 mit 2 W Output, Dual-DSP-<br />
Filter, Antennenanpaßgerät und elektronischer<br />
Taste. Die G5RV-Antenne konnte ich etwa 6 m<br />
über Grund am vorhandenen Antennenmast<br />
befestigen.<br />
Der AGCW-QRP-Sommercontest brachte mir<br />
über 100 Verbindungen, die ich natürlich auch<br />
bei Hartmut, DJ7ST, abgerechnet habe. Am<br />
18.7. hörte ich recht lautstark GJ/DL2ZAE/p<br />
und GJ/DL9ZBG/p, die ich umgehend auf ihrem<br />
Campingplatz besuchte. Mit ihrem Antennenaufwand<br />
hatten sie natürlich die besseren Kar-<br />
ten. Ich habe in den gesamten 10 Tagen meines<br />
Aufenthalts über 400 Telegrafieverbindungen<br />
von 80 m bis 10 m gehabt, einigen OMs vielleicht<br />
sogar zu einer Erstverbindung in Zweiweg-QRP<br />
mit GJ verholfen. Die Ausbeute auf<br />
80 m war jedoch eher mager, da ich zeitweilig<br />
starke Prasselstörungen hatte, die sich besonders<br />
auf diesem Band auswirkten. Natürlich<br />
blieben mir auch die Aktivitäten von Jenny und<br />
Chris nicht verborgen, die besonders das 6-m-<br />
Band betrafen. Es war sehr eindrucksvoll und<br />
begeisternd, so daß ich mich auch bemühe,<br />
eventuell auf 6 m QRV zu werden ...<br />
Meine weiteste Verbindung von Jersey reichte<br />
mit echten 4 W Output auf 30 m bis zu EY8AM.<br />
Nun, allmählich kann ich jetzt verstehen, wie<br />
die <strong>Funk</strong>amateure auf Jersey ihr Lowband-DX<br />
machen – nur barfuß. Es geht von dort einfach<br />
besser, so wie ich es schon früher bei GC2LU<br />
beobachtete.<br />
Neben dem Amateurfunk habe ich noch ein<br />
zweites Hobby – das Wandern. So saß ich morgens<br />
an der Station; tagsüber erkundete ich die<br />
Insel zu Fuß. Jersey ist mit etwa 15 km Länge<br />
Jürgen, GJ/DF3OL,<br />
an seiner<br />
QRP-Station<br />
Foto: DF3OL<br />
und 8 km Breite die größte der Kanalinseln.<br />
Bis auf eine Bustour erledigte ich alles von<br />
St. Saviour aus per pedes. Dabei konnte ich die<br />
abwechslungsreiche Vegetation bewundern; riesige<br />
Heideflächen wechseln sich mit grünen<br />
Tälern und efeuumrankten Bäumen ab, so daß<br />
es bei meinen Wanderungen niemals langweilig<br />
wurde. Die schmalen Straßen sind<br />
fast ausschließlich asphaltiert, jedoch als Wanderer<br />
auf der rechten Seite gehend, wird man<br />
von den Autofahrern durchweg sehr höflich<br />
behandelt.<br />
Jersey hat auch historisch einiges zu bieten.<br />
Die Orts- und Straßennamen zeugen davon, daß<br />
die Insel lange Zeit zu Frankreich gehörte. Viele<br />
Bewohner sprechen neben der Amtssprache<br />
Englisch auch das Jersey-French.<br />
Daß die Insel fast fünf Jahre von Nazideutschland<br />
besetzt war, erfuhr ich, als ein anno 1942<br />
Geborener, erst dort. Bei der Okkupation gab es<br />
kaum Widerstand – weil 50 % der Inselbewohner<br />
vorher ihre Heimat verlassen hatten. Zwangsarbeiter<br />
und Häftlinge verschiedener Nationalitäten<br />
mußten <strong>für</strong> die deutschen Besetzer Bunker<br />
und Festungswälle in den felsigen Untergrund<br />
bauen. Viele starben dabei unter unmenschlichen<br />
Qualen an Hunger und Auszehrung.<br />
In diesem Jahr feiert die Insel den fünfzigsten<br />
Jahrestag der Befreiung. Eine ganze Anzahl von<br />
Ausstellungen sind diesem Ereignis gewidmet.<br />
<strong>Das</strong> Interesse der Bevölkerung ist groß, hat<br />
doch in jener düsteren Zeit (black age) fast jede<br />
Familie Angehörige verloren.<br />
Jürgen Carow, DF3OL<br />
CW-QTC<br />
Amateurfunkpraxis<br />
Schaut man sich alles das so an, was über das<br />
Thema „pro und kontra CW“ vor allem in die<br />
Mailboxen hineingeschrieben wird, so kann<br />
wohl manch ein Leser vielleicht zu der Meinung<br />
gelangen, daß das Erlernen der Morsetelegrafie,<br />
um eine Genehmigung als Kurzwellenamateur<br />
zu erhalten, offensichtlich ein schier unüberwindliches<br />
Hindernis ist.<br />
Immerhin aber hat es fast die Hälfte aller in<br />
Deutschland Lizenzierten geschafft, die begehrte<br />
A- und/oder B-Lizenz zu erwerben, offensichtlich<br />
ein gutes Zeichen da<strong>für</strong>, daß es noch Begeisterte<br />
gibt, die sich das Ziel gesetzt hatten,<br />
einmal KW-<strong>Funk</strong>amateur zu werden.<br />
Wenn in manchmal polemischer Art und Weise<br />
damit argumentiert wird, warum man denn als<br />
„studierter Hochfrequenztechniker“ und Beherrscher<br />
von etlichen Fremdsprachen es auf sich<br />
nehmen muß, auch noch das Morsen zu erlernen,<br />
so wird sich manch einer fragen: Amateurfunk<br />
quo vadis?<br />
Geradezu fast lächerlich wirkt es dann doch<br />
auch wohl, wenn das Argument gebracht wird,<br />
daß mit der Forderung, das Morsen zu erlernen,<br />
die Schaffung eines Reservoirs von Reservisten<br />
verbunden ist, die in Zeiten eines kalten<br />
und warmen Krieges zur Verfügung stehen<br />
können. Natürlich hat mit der Installation leistungsfähiger<br />
und moderner Nachrichtenübermittlungs-Systeme<br />
die Wichtigkeit der Telegrafie<br />
im kommerziellen <strong>Funk</strong>verkehr einen anderen<br />
Stellenwert eingenommen, darüber braucht<br />
gar nicht diskutiert zu werden.<br />
Weshalb aber muß oder soll deswegen im rein<br />
privaten Amateurfunk die Telegrafie oder die<br />
Telegrafieprüfung abgeschafft werden? Irgendwann<br />
einmal – es dauert hoffentlich noch recht<br />
lange – werden die <strong>Funk</strong>amateure die vielleicht<br />
einzigen sein, die noch mittels dieser Betriebsart<br />
untereinander verkehren, mit der die ganze<br />
Nachrichtenübermittlung einmal angefangen<br />
hatte, nämlich mit der Morsetelegrafie vor<br />
150 Jahren.<br />
Ist ein CW-Enthusiast deswegen jemand, der<br />
nicht einsehen kann oder will, daß es heutzutage<br />
modernere Übermittlungssysteme gibt?<br />
Jedenfalls hat die Telegrafie Individualität,<br />
erlaubt dem Könner auch unter schwierigsten<br />
Bedingungen eine Verständigung – und allen<br />
Hindernissen zum Trotz eine Verbindung zu<br />
schaffen, was ja wohl einen echten <strong>Funk</strong>amateur<br />
auszeichnet. Eines steht jedenfalls<br />
fest: Opas CW ist noch lange nicht tot!<br />
Hans Dreyer, DL1ZQ, lis seit 1949<br />
Nicht vergessen: Am 3. 10. 95 von 0800 bis<br />
1000 UTC Deutscher Telegrafiecontest der<br />
AGCW-DL!<br />
FA 10/95 • 1123