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Das Magazin für Funk Elektronik · Computer

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<strong>Funk</strong><br />

§15 FAG: Die stumpfe Waffe<br />

FRANK CHELVIER – DL9NDA<br />

<strong>Das</strong> Fernmeldeanlagengesetz (FAG) erfuhr durch das Gesetz zur Neuordnung<br />

des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz<br />

– PTNeuOG) [1] eine Novellierung, die zum 1.1.1995 wirksam wurde,<br />

interessant <strong>für</strong> die Rechtslage bei unbefugtem Abhören von <strong>Funk</strong>verkehr.<br />

In diesem Beitrag soll nicht auf alle Änderungen<br />

des FAG eingegangen werden, sondern<br />

nur eine einzelne besonders hervorgehoben<br />

werden: § 15 wurde wie folgt<br />

geändert:<br />

a) Absatz 1 wird wie folgt gefaßt:<br />

(1) Wer entgegen den Vorschriften dieses Gesetzes<br />

eine Fernmeldeanlage errichtet oder<br />

betreibt und dadurch Leib oder Leben eines<br />

anderen oder fremde Sachen von bedeutendem<br />

Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe<br />

bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.<br />

Der Versuch ist strafbar.<br />

b) In Abs. 2 wird Buchstabe b aufgehoben.<br />

Im Vergleich zu der bisherigen Fassung des<br />

§ 15 Abs. 1 wurde die Passage „und dadurch<br />

Leib oder Leben eines anderen oder<br />

fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet“<br />

eingefügt. Im ersten Gesetzentwurf<br />

war interessanterweise neben redaktionellen<br />

Änderungen, die sich aus der<br />

Änderung der Rechtsform der Nachfolgeunternehmen<br />

der Deutschen Bundespost<br />

ergaben, zunächst noch keine Änderung<br />

des § 15 FAG vorgesehen [2]. Die kam erst<br />

auf Initiative des Bundesrates in die Diskussion:<br />

Der Bundesrat bittet, das vorliegende Gesetzesvorhaben<br />

zum Anlaß zu nehmen, die<br />

Strafvorschriften des Gesetzes über Fernmeldeanlagen<br />

(§ 15 ff) zu novellieren.<br />

Begründung<br />

Es besteht breiter Konsens, daß die Strafvorschriften<br />

des § 15 FAG dringend novellierungsbedürftig<br />

sind. Beispielsweise ist nach<br />

geltender Rechtslage unklar, ob<br />

– Errichtung und Betrieb von Empfängern<br />

ohne die erforderliche Kennzeichung und<br />

– das Abhören nicht öffentlicher Sendungen<br />

wie die des Polizeifunks<br />

noch strafbar sind.<br />

Die Justizministerinnen und -minister haben<br />

bei ihrer Herbstkonferenz vom 4./5. November<br />

1993 in Leipzig vor diesem Hintergrund<br />

gebeten, daß die Novellierung der Strafbestimmungen<br />

des Fernmeldeanlagengesetzes<br />

so rasch wie möglich in Angriff genommen<br />

und insbesondere eindeutig geregelt<br />

wird, wie dem unbefugten Abhören nicht<br />

öffentlicher Aussendungen, insbesondere<br />

des Polizeifunks, entgegengewirkt werden<br />

kann.<br />

1048 • FA 10/95<br />

<strong>Das</strong> vorliegende Vorhaben sollte zum Anlaß<br />

genommen werden, die bestehenden Rechtsunsicherheiten<br />

zu beseitigen. [3]<br />

Dem Wunsch nach einer Änderung des § 15<br />

FAG wurde entsprochen und die Gesetzesänderung<br />

in der o. a. Form mit folgender<br />

Begründung verabschiedet:<br />

Zu § 15, Absatz 1<br />

Die Neufassung berücksichtigt einen Prüfauftrag<br />

des Ausschusses <strong>für</strong> Post und Telekommunikation<br />

des Deutschen Bundestages,<br />

der in Anbetracht des Strafrahmens (bis zu<br />

fünf Jahren Freiheitsstrafe) Bedenken gegen<br />

die weite Tatbestandsfassung der gegenwärtigen<br />

Strafvorschrift geäußert hat. Diesen<br />

Bedenken soll gefolgt werden.<br />

In der hier beschlossenen Neufassung ist der<br />

Tatbestand zu einem konkreten Gefährdungsdelikt<br />

umgeformt und der Anwendungsbereich<br />

der Norm damit erheblich eingeengt<br />

worden. Danach soll – vorbehaltlich der<br />

Vorschriften in Absatz 2 – das Errichten und<br />

Betreiben einer Fernmeldeanlage nur noch<br />

dann mit Strafe bedroht werden, wenn dadurch<br />

Leib oder Leben eines anderen oder<br />

fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet<br />

werden. Mit dieser Einschränkung<br />

orientiert sich der neue Tatbestand an dem<br />

ähnlich formulierten § 317 StGB (Störung<br />

von Fernmeldeanlagen).<br />

Absatz 2<br />

Der bisher unter Nr. 1b (gemeint ist § 15<br />

Abs. 2 Buchst. b FAG a. F., d. Verf.) aufgeführte<br />

Straftatbestand wird zur Ordnungswidrigkeit<br />

herabgestuft und unter die entsprechenden<br />

Tatbestände in § 22a Abs. 1 als<br />

Nr. 6 eingefügt. [4]<br />

Interessant ist insbesondere die Begründung<br />

zu Absatz 1. Es stellt sich dabei die<br />

Frage, ob die Forderungen der Justizministerkonferenz<br />

(s. o.), die vornehmlich auf<br />

Strafmöglichkeit des unbefugten Abhörens<br />

nicht öffentlicher Aussendungen, insbesondere<br />

des Polizeifunks, gerichtet war,<br />

mit dieser Gesetzesformulierung erreicht<br />

werden kann.<br />

Zum Begriff des konkreten Gefährdungsdelikts:<br />

Die Strafrechtslehre kennt verschiedene<br />

Arten von Delikten; darunter<br />

sogenannte Verletzungs- und Gefährdungsdelikte.<br />

Während Verletzungsdelikte eine<br />

Schädigung voraussetzen, genügt bei Gefährdungsdelikten<br />

bereits die Gefahr einer<br />

Schädigung. Innerhalb der Gefährdungsdelikte<br />

wird noch nach abstrakter und<br />

konkreter Ausprägung unterschieden. Die<br />

Ausprägungen unterscheiden sich dadurch,<br />

daß bei einem konkreten Gefährdungsdelikt<br />

die Gefahr im Einzelfall tatsächlich<br />

konkret in Erscheinung tritt (z. B. Verkehrsdelikte,<br />

§ 315 bis 315d Strafgesetzbuch<br />

(StGB), während abstrakte Gefährdungsdelikte<br />

Verhaltensweisen erfassen, die<br />

generell gefährlich sind (z. B. Trunkenheit<br />

im Verkehr, § 316 StGB) [5].<br />

Im Hinblick auf die Neufassung des § 15<br />

Abs. 1 Satz 1 FAG bedeutet dies, daß die<br />

Rechtsfolge (nämlich die Strafe) erst dann<br />

eintreten kann, wenn durch das Errichten<br />

und Betreiben einer Fernmeldeanlage Leib<br />

oder Leben eines anderen oder fremde<br />

Sachen von bedeutendem Wert in einem<br />

konkreten Falle gefährdet wurden.<br />

Die angebliche Parallele zu § 317 StGB<br />

(Störung von Fernmeldeanlagen) besteht<br />

allenfalls in einer rechtsstrukturellen Ähnlichkeit,<br />

keinesfalls in einem vergleichbaren<br />

Inhalt; schließlich erfaßt § 317 StGB<br />

völlig andere Tatbestände.<br />

Fraglich, wie bei einer derart engen Tatbestandsformulierung<br />

der Zielsetzung des<br />

Bundesrates, das unberechtigte Abhören<br />

nichtöffentlicher <strong>Funk</strong>dienste – insbesondere<br />

des Polizeifunks – unter Strafe zu stellen, entsprochen<br />

werden kann. Schließlich dürfte –<br />

wenn überhaupt – nur in Ausnahmefällen<br />

mit dem Abhören dieser Dienste eine konkrete<br />

Gefährdung von Leib, Leben oder<br />

bedeutenden Werten einhergehen.<br />

Bleibt festzuhalten, daß die frühere weite<br />

Tatbestandsfassung ersetzt wurde durch<br />

derart enge Voraussetzungen, daß die<br />

Rechtsfolge des § 15 Abs. 1 FAG wohl nur<br />

noch in Ausnahmefällen eintreten kann<br />

und sonstige Verstöße im Zusammenhang<br />

mit dem Errichten und Betreiben von Fernmeldeanlagen<br />

künftig strafrechtlich kaum<br />

mehr geahndet werden können; mit der<br />

neuen Vorschrift wurde somit das Ziel der<br />

Neuregelung ins Gegenteil verkehrt.<br />

Besonders pikant ist in diesem Zusammenhang,<br />

daß das Bundesministerium <strong>für</strong> Post<br />

und Telekommunikation (BMPT) offenbar<br />

beabsichtigt, diese kritische Vorschrift wortgleich<br />

in das ab 1998 das FAG ablösende<br />

Telekommunikationsgesetz zu übernehmen<br />

[6], so daß nicht damit zu rechnen ist, daß<br />

diese Unzulänglichkeit durch den Lauf der<br />

Zeit überwunden wird.<br />

Literatur<br />

[1] Bundesgesetzblatt 1994, Teil I, S. 2325 ff<br />

[2] vgl. Bundestagsdrucksache (Bt.-Ds.) 12/6718, S. 48<br />

[3] Bt.-Ds. 12/7270, S. 12<br />

[4] Bt.-Ds. 12/8060, S. 197<br />

[5] vgl. Wessels, J.: Strafrecht – allg. Teil; 12. Aufl.,<br />

§ 1 II 3<br />

[6] vgl. § 98 Abs. 1 des Diskussionsentwurfs <strong>für</strong> ein<br />

Telekommunikationsgesetz, Stand 31.5.95, Hrsg.:<br />

BMPT

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