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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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OTTO BOGENSCHÜTZ<br />

Das <strong>Hohenzollerische</strong> Anwenderecht<br />

(Fortsetzung)<br />

Nachtrag zum 1. Teil in Nr. 1/2004: Auf Seite 10 wurde der Text zu<br />

Anmerkung 8 versehentlich weggelassen. Dieser lautet: Vermessungsamt<br />

Balingen, Dienststelle Hecbingen, Amtliche Unterlagen<br />

von der Landesvermessung von 1859-1863.<br />

Der Inhalt des Rädlesrechts<br />

Nur beim Pflügen, aber nicht beim Eggen, durfte das linke Zugtier<br />

und das linke Rad des Pflugwagens die seitlich angrenzende streifenförmige<br />

Ackerparzelle bei der Bildung der letzten Furchen beim<br />

Pflügen bis zur seitlichen Grenze der schmalen Ackerparzellen betreten.<br />

Weil eine Egge breiter als das Gespann war, galt dieses Betretrecht<br />

beim Eggen nicht.<br />

Das württembergische Gesetz über Feldwege, Trepp- und Überfahrtsrechte<br />

von 1862 hob das Rädlesrecht auf. Die Landwirte<br />

waren bei der Ziehung der Grenzfurchen gezwungen, anstatt von<br />

einem Gespann nur noch den Pflug von einem Zugtier ziehen zu<br />

lassen, sofern kein Einverständnis mit dem Nachbar bestand.<br />

Tatsächlicher Grund für die Einführung des Anwenderechts<br />

Durch Aufteilung der im Durchschnitt einen Jauchert großen (33<br />

ar) Äcker im Mittelalter in mehrere kleinere Einheiten, entstanden<br />

schmale Ackerparzellen, auf denen mit dem Gespann wegen fehlender<br />

Breite nicht gewendet werden konnte. Deshalb wurde das<br />

Anwenderecht nur in bestimmen Gemarkungen vom jeweiligen<br />

Dorfgericht eingeführt. In Gebieten mit breiten Ackerparzellen<br />

(doppelte Gespannlänge) war die Einführung des Anwenderechts<br />

nicht erforderlich.<br />

Quellen des Anwenderechts in den verschiedenen<br />

Dorfordnungen<br />

Im württembergischen Landesteil sind in mehreren Dorfordnungen<br />

die Grenzen der Belastungen der Anwandacker beim Pflügen<br />

und Eggen beschrieben. 2 In den beiden ehemaligen hohenzollerischen<br />

Fürstentümern Hechingen und Sigmaringen wurde das Anwenderecht<br />

in den Landesordnungen nicht behandelt. Dafür kann<br />

man Hinweise in der Feldpolizeiverordnung von 1845 3, in den Aufteilungsverträgen,<br />

den Kontraktbüchern oder in Gerichtsurteilen<br />

aus dem 19. Jahrhundert über dieses Recht finden.<br />

Streitobjekte über dieses Recht<br />

Solange die früheren Grundstücke als Acker vom Eigentümer bewirtschaftete<br />

wurden, gab es selten Streit über die generelle Ausübung<br />

des Wenderechts durch den Nachbarn. Über das »Wie« und<br />

durch die Art z.B. bei nassem Wetter) war aber öfter Streit zwischen<br />

den Eigentümern der beiden angrenzenden Grundstücke. Er<br />

wurde jedoch vom Dorfgericht geschlichtet.<br />

Wurde aber beim Anwandacker die landwirtschaftliche Nutzung in<br />

eine Baumwiese geändert, sah es schon anders aus. Anstatt über<br />

ein zuvor abgeerntetes Stoppelfeld muss der Anstößer über eine<br />

Wiese mit Obstbäume fahren. Das örtliche Herkommen verlangte<br />

einen Mindestabstand der Obstbäume von der Grenze von mindestens<br />

6 Fuss (1,72 m), welches durch mehrere Urteile bestätigt<br />

wurde. Auch durfte der Besitzer der Baumwiese auf der Grenze<br />

einen Zaun ziehen.<br />

25<br />

Das Aufsetzen des Pfluges auf fremden Grund<br />

Eine eingebürgerte Unart, das Aufsetzen des Pfluges auf fremden<br />

Grund beim Beginn der Ziehung einer Furche, wurde fast in allen<br />

Dorfordnungen behandelt.<br />

Es wurde verboten um Streit unter den Dorfbewohnern zu unterbinden."<br />

Selbst die Hechinger Feldpolizeiordnung musste sich<br />

dieser Sache annehmen. 5<br />

Das württembergische Trepprecht<br />

nach Art. 234 - 242 württ. AGBGB<br />

Die Regierungen des früheren Königreiches Württemberg sahen in<br />

dem Flurzwang der Dreifelderwirtschaft und in den vielen unbeständigen<br />

Wegen ein Hindernis zur Entwicklung zum modernen<br />

Agrarstaat." Mit dem Erlass des Gesetzes über Feldwege, Trepp- und<br />

Überfahrtsrechte von 1862 wollte sie die Umwandlung der vielen<br />

unbeständigen Wege in ausgemarkte beständige Wirtschaftswege<br />

erzwingen.<br />

Das bedeutete auch, dass auf den ausgemarkten Wirtschaftswegen<br />

mit dem Gespann beim Pflügen und Eggen gewendet werden musste.<br />

Auf Grund dieses Gesetzes durfte ein neues Trepprecht (Anwenderecht)<br />

nur begründet werden, wenn das Oberamt zustimmte. Das<br />

Gesetz beinhaltete Regelungen zur Ablösung der Trepprechte. Die<br />

gesetzliche Normen des Trepprechts nach dem Gesetz von 1862<br />

wurden in die Art. 234-242 des württ. Ausführungsgesetzes zum<br />

BGB übernommen. Seit dem 1.1.1975 können keine neuen derartigen<br />

Trepprechte mehr bestellt werden. Für die im Zeitraum bestehenden<br />

Rechte bleiben die bisherigen Vorschriften anwendbar. 7<br />

Das hohenzollerische Anwenderecht<br />

Im hohenzollerischen Landesteil von Baden-Württemberg gilt das<br />

gleiche Anwenderecht wie im benachbarten württembergischen<br />

Landesteil. Es beruht in der Mehrzahl auf örtlichem Herkommem<br />

(örtliches Gewohnheitsrecht). Es wurde nie in einem Landesgesetz<br />

beschrieben. Nur die Hechinger Feldpolizeiordnung und mehrere<br />

richtungsweisende Urteile des Amtsgerichts Hechingen aus dem<br />

letzten Jahrhundert zeigen die Existenz des Anwenderechts in bestimmten<br />

Gebieten in Hohenzollern auf.<br />

Wiedereinführung des Rädlesrechts durch § 11 des<br />

Gesetzes über das Nachbarrecht<br />

In § 11 dieses Gesetzes ist ein Grenzabstand von 50 cm von toten<br />

Einfriedungen gegenüber Gründstücken einzuhalten, die landwirtschaftlich<br />

genutzt werden. Diese Vorschrift stellt ordnungsgemäße<br />

und ungehinderte Bewirtschaftung der landwirtschaftlich<br />

genutzten Flächen sicher. Dieser Abstand ermöglicht den Landwirten<br />

mit einem Ein- oder Zweischarpflug die Grenzfurche zu<br />

einem eingezäunten Grundstück zu ziehen, praktisch eine begrenzte<br />

Wiedereinführung des Anwenderechts.<br />

Heutige Einschränkung des Anwenderechts<br />

a. im Baurecht<br />

In mehreren Urteilen wurde entschieden, dass das Anwenderecht<br />

sich dem Baurecht unterordnet. Eine Grenzgarage darf auf die<br />

Grenze eines Baugrundstück, welches durch Aufteilung eines ehemaligen<br />

Anwandacker entstand, erstellt werden. Wird später das<br />

Baugebiet in Richtung Gewand erweitert, würde bei Berücksichtigung<br />

des Anwenderechts zwischen der Garage und der Grenze ein<br />

ungenutzter Bereich entstehen.

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