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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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FRANZ-SEVERIN GÄßLER<br />

Die Vorgängerbauten des Sigmaringer<br />

Rathauses - Lage, Gestalt und Funktion<br />

Teil 1: Das Rathaus des 15. Jahrhunderts<br />

Dieses Frühjahr wurde in Sigmaringen die Rathauserweiterung abgeschlossen,<br />

und gleichzeitig sind genau 550 Jahre vergangen seit der<br />

erstmaligen urkundlichen Erwähnung des Sigmaringer Rathauses.<br />

Das damalige Rathaus ist längst verschwunden, ebenso wie die beiden<br />

bisher bekannten Nachfolgebauten aus dem 17. und aus dem 19.<br />

Jahrhundert. Das heutige Rathaus entstand nach den Plänen des Architekten<br />

Friedrich lmbery in zwei Bauabschnitten in den Jahren<br />

1925 - 27'. Lage und Gestalt der jetzigen Sigmaringer Rathauserweiterung<br />

sind, wie die zahlreichen Äußerungen aus der Bevölkerung in<br />

der Tagespresse widerspiegeln, äußerst umstritten. Die Auseinandersetzung<br />

mit der Rathauserweiterung unter städtebaulichen und architektonischen<br />

Aspekten wird an anderer Stelle stattfinden. Hier soll<br />

aufgezeigt werden, welche Funktion und welche Gestalt die untergegangenen<br />

Rathäuser besaßen, wie sie im Stadtgefüge plaziert und wie<br />

sie im Stadtraum eingebunden waren, welche Merkmale sie als Rathäuser<br />

erkennbar machten und von den bürgerlichen Bauten unterschieden<br />

und wie das Zusammenspiel von Lage und Gestalt das jeweilige<br />

Rathaus zum repräsentativen und herausragenden Gebäude<br />

im Stadtgefüge machte. 2<br />

Lage und Gestalt<br />

1454 schenkte Graf Johann zu Werdenberg Schultheiß, Rat und der<br />

ganzen Gemeinde »unsern Eig halbteil des Rathuses daselbs den wir<br />

erkouft und erbauen haben«; gleichzeitig verzichtete er für sich und<br />

seine Erben zu Gunsten der Stadt.' Aus zwei vermutlich annähernd<br />

gleichen Teilen bestand folglich damals das Rathaus, ohne daß sich<br />

erschließen lässt, welches der vom Grafen errichtete Teil war. 4 Doch<br />

kann man den vom Grafen errichteten Bau zumindest zeitlich eingrenzen,<br />

da der Werdenberger die Grafschaft Sigmaringen, die er ursprünglich<br />

als Pfand hatte und die erst 1459 in das Eigentum der Werdenberger<br />

überging, nach dem Tode seines Vaters 1416 bis 1465 regierte.<br />

5 Aus zwei Teilen bestand vermutlich auch zwei Jahrhunderte<br />

später noch das Rathaus, denn aus den Bauverträgen von 1644 geht<br />

hervor, daß das alte und das neue Rathaus zusammen mit dem Schulhaus<br />

neu eingedeckt wurden. 6 Ob das Rathaus aus dieser Zeit noch<br />

dieselbe Substanz besaß, wie dasjenige aus der Zeit des Grafen Johann<br />

von Werdenberg, und ob sich die Unterscheidung zwischen Altem<br />

Rathaus und Neuem Rathaus noch auf die werdenbergische Zeit<br />

bezieht, ist nicht überliefert. Doch kennen wir, wenn wir der Überlieferung<br />

vertrauen, die genaue Lage des zu Anfang des 17. Jahrhunderts<br />

bestehenden Rathauses, da das 1657 erbaute Rathaus auf dem »Mauerstock«<br />

des Vorgängerbaues errichtet wurde und seine Lage in den<br />

ersten bisher bekannten Stadtplänen Sigmaringens überliefert ist. 7<br />

Demnach stand das Rathaus mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest<br />

seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erstens immer auf der<br />

Südseite des wichtigsten Straßenzuges der Altstadt, der ehemals wohl<br />

einzigen Straße des Zwergstädtchens, zweitens auf derem Scheitel<br />

und drittens im Zentrum der nach Süden aufgeweiteten Straße, die<br />

Platz für den Markt bot (Abb. 1). Und wenn wir annehmen, daß die<br />

Länge des 1656 errichteten Rathauses mit demjenigen aus der Mitte<br />

des 15-Jahrhunderts übereinstimmt, so stand bereits das Rathaus der<br />

werdenbergischen Epoche nicht in einer Reihe mit den übrigen<br />

zurückgesetzten Häusern, sondern ragte weit in den Raum der<br />

39<br />

Straßenaufweitung vor, teilte diesen Raum in einen östlichen und<br />

westlichen Bereich, war ursprünglich wohl von den beiden Stadttoren<br />

aus sichtbar und öffnete sich als einziges Gebäude der Stadt mit drei<br />

Fassaden auf den öffentlichen Raum.<br />

Die bisher älteste bekannte Stadtansicht Sigmaringens, die auf einer<br />

Landtafel des ausgehenden 16. Jahrhunderts zu finden ist, zeigt den<br />

Blick auf Stadt, Schloß und Landschaft von Süden her (Abb. 3) 8 Gut<br />

erkennbar sind auf der linken Seite die Stadtpfarrkirche mit dem<br />

mächtigen Türm, in der Mitte die Burganlage mit ihrem differenzierten<br />

baulichen Gefüge sowie den beiden auf unterschiedlichem Niveau gelegenen<br />

Burghöfen. Auf der rechten Seite sind Dach und Dachreiter<br />

des Mühltores und im Vordergrund die Stadtmauer zu sehen. Fast<br />

gleichförmig und vermutlich schematisch dargestellt ist die Dachlandschaft<br />

der Bürgerhäuser. Doch fällt auf, daß die Häuser, die im Bereich<br />

zwischen dem Chor der Stadtpfarrkirche und dem heutigen Wilhelmsbau<br />

des Schlosses stehen, in Schrägansicht und mit Giebel gezeigt werden<br />

und um einen Platz herum angeordnet erscheinen. Ein einziges<br />

Gebäude ragt aus dieser Gruppe hervor, ausgezeichnet durch Länge,<br />

Höhe und Dachreiter auf dem First. Schräggestellt und den Fachwerkgiebel<br />

zeigend steht es zwischen dem Mühltor im Osten und dem<br />

Kirchturm im Westen, unweit der Stadtmauer. Dieses Gebäude dürfte<br />

das Rathaus sein. Anordnung und Stellung der wichtigen Gebäude und<br />

Gebäudeteile dieser Stadtansicht entsprechen dem Blick vom Josefsberg<br />

aus auf die Stadt und bilden die damaligen Gegebenheiten in wesentlichen<br />

weitestgehend wirklichkeitsgetreu ab. Auch die scheinbar<br />

nahe Lage des Rathauses an der Stadtmauer dürfte ihre Ursache in der<br />

genau wiedergegebenen Topographie haben. Denn aufgrund der<br />

hochgelegenen Stadtmauer verkürzt sich der Blickwinkel hin zum Rathaus<br />

und verschwinden die tiefergelegenen Häuser hinter ihr. Jedenfalls<br />

dürften dem Verfasser der Karte das Rathaus und der nördlich davon<br />

liegende Platz wichtig gewesen sein, denn ein Blick auf das Ölbild<br />

aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, das ebenfalls den Blick auf<br />

die Stadt vom Josefsberg aus zeigt und in seiner Darstellung äußerst<br />

präzise ist, läßt weder den Boden des Marktes sichtbar werden, noch<br />

die herausragende Stellung des Rathauses.<br />

Mit der giebeltragenden Hauptfassade war das Rathaus gegen die<br />

Straße gestellt und gegen die Burg- und spätere Schloßanlage gerichtet.'<br />

Den herausragendsten Ort der Stadt beherrschend, verkörperte<br />

das Rathaus folglich nicht nur das Zentrum des Straßenmarktes, sondern<br />

auch weit ausgeprägter als in den beiden benachbarten Städten<br />

- Veringenstadt im Norden und Scheer im Osten - das städtebauliche<br />

Zentrum der Stadt.<br />

Die Landtafel zeigt das Rathaus als langgestreckten Bau, mit einem<br />

Satteldach bedeckt, den südlichen Giebel als Fachwerkwand ausgebildet<br />

und auf dem nördlichen Teil mit einem Dachreiter bestückt.<br />

Und die Abbildung stellt das Rathaus nicht nur als größten Baukörper<br />

inmitten der bürgerlichen Gebäude dar, sondern auch als das die<br />

übrigen Häuser überragende. Wie viel Geschosse es tatsächlich aufwies,<br />

ist nicht überliefert und ebenso wenig, ob diese aus Fachwerk<br />

oder massiv hergestellt waren. Zumindest die Gebäudelänge, die drei<br />

dem öffentlichen Raum zugewandten Fassaden und der Dachreiter,<br />

möglicherweise aber auch die Gebäudehöhe unterschieden damals<br />

das Rathaus von den übrigen Gebäuden, machten es einzigartig und<br />

gaben ihm zeichenhafte Gestalt.<br />

Funktion<br />

Der Einfluß des Grafen auf Stadt und Rathaus ist u.a. dokumentiert in<br />

der Rathaushälfte, die jener kaufte und erbauen ließ, wobei ungeklärt<br />

bleibt, welche Funktion dieser Rathausteil besaß und ob dort vielleicht<br />

ursprünglich der herrschaftliche Vogt residierte. Wie das Rathaus<br />

des 15. Jahrhunderts insgesamt räumlich gefügt war und wie es

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