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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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Verantwortung zu übernehmen. Hervorzuheben ist dabei, daß in diesen<br />

Jahren eine Frau in der Schulleitung einer Grund- und Hauptschule<br />

sehr ungewöhnlich war und einen Ausnahmefall darstellte.<br />

1971 mußte Frau Petersen aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand<br />

treten. 35 Jahre Lehrerdasein, davon 25 Jahre an der Empfinger<br />

Schule und acht Jahre als Konrektorin waren geprägt von ihrer<br />

großen Liebe zu den Kindern. Der Lehrerberuf war für sie eine<br />

Berufung. Sie ging in ihrem Beruf auf, und sie machte die Schule zu<br />

ihrem Lebensmittelpunkt. Ich persönlich habe Frau Petersen bereits<br />

1965 als 10-jähriger kennengelernt. Ich erinnere mich noch gut<br />

daran, wie sie mir damals in ihrer fürsorglichen Art die folgenden<br />

Sätze auf den Weg gab: »Merke dir«, sagte sie, »alles kann man im<br />

Leben verlieren, Geld und Haus und Hof; aber was man gelernt hat,<br />

das kann einem niemand nehmen«. Ich weiß davon, daß Frau Elsa<br />

Petersen Kinder aus der Empfinger Schule Sonntag vormittags zu sich<br />

nach Hause bestellte und examinierte, ob sie für den Besuch des<br />

Elsa Petersen. Sie war von 1955 bis 1971 Lehrerin in Empfingen, davon Gymnasiums geeignet wären. Dies zeigt, wie sehr sie die Kriegsereig-<br />

die letzten acht Jahre als Konrektorin. Foto: Annemarie Strobel, Rottweil. nisse geprägt hatten.<br />

ner Frau an derselben Schule in Warthenau unterrichten. Vor den<br />

heranrückenden russischen Truppen mußte das Ehepaar Petersen<br />

mittellos durch Böhmen nach Westen fliehen. Sechs Monate dauerte<br />

der Irrweg, bis beide völlig mittellos bei den Eltern von Frau Petersen<br />

in Hechingen, wo ihr Vater seine Jugendjahre verbracht hatte, ankamen.<br />

Nur die Zeugnisse waren Ihnen gebheben, die sie in die Kleidung<br />

eingenäht hatten.<br />

Da Frau Petersen der Bildung einen so hohen Stellenwert beimaß,<br />

suchte sie im November 1945 beim Staatlichen Schulamt in Hechingen<br />

um die Einstellung als Volksschullehrerin nach. Dies führte dazu,<br />

daß das Ehepaar Petersen ab 1946 in Empfingen Wohnung nahm.<br />

Zunächst war Elsa Petersen hier als Aushilfslehrerin und erst später<br />

als Vertragslehrerin an der Volksschule tätig. Im Jahr 1952 wurde ihr<br />

wiederum gekündigt, da alle weiblichen, verheirateten Aushilfslehrkräfte<br />

im Interesse der Anstellung von 140 anstehenden Lehreranwärtern<br />

von ihrer Unterrichtstätigkeit zurücktreten mußten. Die Kündigung<br />

wurde jedoch bald zurückgenommen und von 1955 bis 1956<br />

konnte sie als Vertragslehrerin in Empfingen arbeiten. 1956 machte<br />

sie ihre 2. Dienstprüfung und erhielt damit ihre Anstellung auf Lebenszeit.<br />

Sie wurde zur Hauptlehrerin befördert und 1959 wurde sie<br />

zur Oberlehrerin ernannt. Ihr Mann, der 1962 starb, konnte den weiteren<br />

Aufstieg seiner Frau nicht mehr miterleben.<br />

Vom April 1963 bis Dezember 1963 war sie kommissarische Schulleiterin.<br />

Bei dem nachhaltigen Engagement in ihrem Lehrerberuf ist<br />

es nicht verwunderlich, daß sie schließlich auch bereit war, in der<br />

Schulleitung neben dem neuen Rektor Rudolf Pokorny ab Dezember<br />

55<br />

Frau Petersen verfügte insgesamt über eine natürliche Begabung für<br />

den Lehrerberuf. Diese kam bei ihr im einzelnen zum Ausdruck<br />

durch Eigenschaften wie Pflichtbewußtsein und Fleiß, durch ein vorbildliches<br />

Verhalten in allen Belangen. Ein vornehmes Auftreten, ein<br />

achtunggebietendes und doch bescheidenes Auftreten machten sie<br />

behebt. In ihren Dienstzeugnissen wird ihr auch bescheinigt, in der<br />

Schule und insbesondere im Lehrerkollegium durch ihr überlegtes<br />

Urteil ein Quell für Ausgleich und Harmonie gewesen zu sein. Mit den<br />

Schülern pflegte sie einen vertrauensvollen, wenn es sein mußte,<br />

auch mal einen fest mütterlichen Umgang. Sie schuf ein behagliches<br />

Arbeitsklima, was sie bei Kindern und Eltern zu einer sehr beliebten<br />

Lehrerin werden ließ. Die große Anteilnahme der Empfinger für die<br />

Verstorbene ist ein deutliches Zeichen dafür, wie sehr es ihr gelungen<br />

war, nicht nur Kopf und Verstand, sondern auch das Herz ihrer<br />

Schüler zu gewinnen.<br />

Frau Petersen war eine Frau, die sich den Herausforderungen in der<br />

Schule stellte. In der schwierigen Zeit nach dem 2. Weltkrieg hat sie<br />

mehrere Umzüge der Empfinger Schule in andere Gebäude miterlebt,<br />

bis zum Bau des heutigen Schulgebäudes im Jahre 1963. Frau Petersen<br />

wurden in dieser Hinsicht ausdrücklich Verdienste um die positive<br />

Entwicklung der Schulverhältnisse in Empfingen bescheinigt.<br />

Konrektorin Elsa Petersen hat sich große Verdienste um die Empfinger<br />

Schule und im Ort erworben. Wir nehmen Abschied von einer bemerkenswerten<br />

Kollegin und einem liebenswerten Menschen; wir<br />

werden ihr in der Schule ein ehrendes Andenken bewahren. Als<br />

Die 1963 neu gebaute Schule<br />

in Empfingen.<br />

Vorlage: Das Schulwesen in<br />

Empfingen einst und jetzt -<br />

Einweihung des Schulhauserweiterungsbaus<br />

1998,<br />

<strong>Heimat</strong>beiträge Heft 4, hgg.<br />

von der Gemeinde Empfingen,<br />

Horb 1998, Seite 38.

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