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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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vis«. Vermutlich wollte Lehmann eine Messe komponieren, die gut<br />

klingt und ohne Schwierigkeiten umzusetzen ist. Sie wurde im Juli<br />

2003 vom Hechinger Stiftschor erstmals wieder in der Stiftskirche<br />

aufgeführt. Ein Teil der Messe erklang zudem bei der feierlichen Einweihung<br />

der neuen Gockelorgel zum Patrozinium an der Stiftskirche<br />

St. Jakobus am 25- Juli 2004.<br />

Die Schirmherrschaft über die Patenschaftsaktion für diese Orgel<br />

hatte neben Erwin Teufel der Urenkel von Lehmanns Bruder Raphael<br />

übernommen: Kardinal Karl Lehmann, derzeit Vorsitzender der<br />

Deutschen Bischofskonferenz. Stellvertretend für Lehmanns Kompositionen<br />

soll diese Messe in Es-Dur hier genauer vorgestellt werden.<br />

Lehmann gibt an, dass die Messe zwei-, drei- und (oder) vierstimmig<br />

gesungen werden kann. Neben verschiedenen Tempovorgaben empfiehlt<br />

er den Vortrag mit guten Sopran- und Altstimmen. In den einzelnen<br />

Sätzen gibt es immer wieder Solostellen für die Frauenstimmen<br />

von Alt und Sopran, denen das Tutti des Chores gegenüber steht.<br />

Das »Kyrie« ist eine eher heitere Komposition, schwungvoll und freudig<br />

im Stil der Wiener Klassik. Das »Gloria« ist eine kräftige Dacapo-<br />

Komposition mit besonderer Ausdeutung von Textstellen wie »...miserere<br />

nobis...« (erbarme dich unser), das eine sehr leise Tonfolge<br />

hat, oder bei »...Jesu Christe...« in Moll-Harmonik erscheint. Das<br />

»Credo« ist gewissermaßen »glaubensstark« ausgelegt und eher der<br />

Frühromantik verpflichtet, mit ungewöhnlichen Harmoniefolgen<br />

(Anfang Es-Dur, dann C-Dur) und besonderer Ausdeutung von Textteilen.<br />

Das »Sanctus« ist erneut eine romantische Komposition, bei der im<br />

dreifachen Anruf (Sanctus) jeweils ein Ton höher eine dynamische<br />

Steigerung entsteht. Das Herzstück der Messe ist das »Benedictus«,<br />

das früher immer nach der Wandlung gesungen wurde. Der Satz steht<br />

in As-Dur und hat sehr ausdrucksstarke und innige Harmonien, wobei<br />

die Orgelbegleitung selbstständiger wird und Freiraum für Solopassagen<br />

hat. Schließlich das »Agnus Dei« als Dur-Komposition. Die<br />

Agnus-Dei-Melodien interpretieren in der Kirchenmusik häufig den<br />

leidenden Christus.<br />

In der Lehmann-Messe zeigen sie vielleicht eher den auferstandenen<br />

Christus, weil sich die Melodie wie eine Tonleiter nach oben bewegt,<br />

und zum Finale hin bei »...dona nobis pacem...« betörend leise wird.<br />

Als solle der Ausdruck einer bewusst devoten Bitte an Gott um Frieden<br />

auf der Welt mithilfe der Musik noch verstärkt werden.<br />

Rastloser Autor arbeitet schon im Morgengrauen am Stehpult<br />

Michael Lehmann hat seine unterschiedlichen Begabungen sicher<br />

nicht versteckt, sondern genutzt und ausgelebt. Betrachtet man nur<br />

seine enorme publizistisch-künstlerische Hinterlassenschaft, so<br />

muss ihm eine außerordentliche Effizienz bescheinigt werden. Allein<br />

die Tätigkeit als Stiftskantor ist heutzutage eine Vollzeitbeschäftigung.<br />

Roman Sauter schreibt in seinem Nachruf: »Ja in der Tat, Lehmann<br />

hat mit den ihm von Gott verliehenen Talenten gewuchert, alle hat er<br />

zur Geltung gebracht, er war ein ganzer Mann auf jedem Posten, auf<br />

den er gestellt war.« In Zeiten ohne Ablenkung durch Massenmedien<br />

wie Radio und TV oder Internet, als niemand sich vorstellen konnte,<br />

dass die eigene Stimme oder bewegte Bilder einmal durch den Äther<br />

und in Echtzeit über die Ozeane gehen, konnte kreative Arbeit vielleicht<br />

auch eher strukturiert, zielorientiert und effizient sein.<br />

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So wird Lehmanns Leben auch als arbeitsreich beschrieben: »Müßiggang<br />

war ihm fremd. Morgens bei Tagesgrauen stand er an seinem<br />

Schreibpult, mancher Leitartikel wurde von ihm geschrieben in den<br />

Stunden des Tages, in denen noch die meisten Menschen der Ruhe<br />

pflegten. Dabei war er mit einer staunenswerten Geistesfrische noch<br />

bis in die letzten Lebenstage hinein beschenkt, so dass er vielfach als<br />

die .lebendige Geschichte' galt.« Damit war der Gesellschafter Lehmann<br />

gemeint, der mit seinem »erstaunlichen Erinnerungsvermögen«<br />

noch im hohen Alter Freunde und Stammtische unterhalten haben<br />

soll. Noch etwas Aufschluss über Lehmanns Eigenschaften mit<br />

Bezug auf seine katholische Überzeugung gibt die Durchsicht von<br />

Nachrufen, etwa: »Er war ein Charakter von stählerner Festigkeit«<br />

oder: »eine kraftvolle, offene, gerade Natur, ein eiserner Charakter,<br />

der sich niemals von seiner Ueberzeugung etwas vergab, ein edler<br />

Mann«. Und das so oft gehörte Versprechen, »sein Andenken wird<br />

ehrenvoll bei uns fortleben«. Nach dieser Beteuerung im »Zoller«<br />

und den üblichen Seelenämtern vertieren sich seine Spuren allerdings<br />

fast schlagartig.<br />

Tod nach einer bösartigen Krankheit<br />

Bis wenige Monate vor seinem Tod war Lehmann als Chorregent an<br />

der Stiftskirche tätig. Die Redaktionsgeschäfte des »Zoller« verrichtete<br />

er noch Wochen vor seinem Tod. Er starb in Hechingen zwei Tage<br />

vor Vollendung seines 76. Lebensjahres am 3- Februar 1903 um<br />

14.15 Uhr nach einer »bösartigen Krankheit«. Ein Alter, das für jene<br />

Zeit eigentlich recht hoch war.<br />

Obwohl ihre monumentähnlichen Grabsteine auf dem Hechinger Heiligkreuzfriedhof<br />

darauf hinweisen, dass Lehmanns Gegenspieler Ludwig<br />

Egler und August Evelt, aber auch die Pfarrer Blumenstetter und<br />

Sprißler, anscheinend noch verehrt werden, so weist jedoch nichts<br />

mehr auf Michael Lehmann hin. Sein Grab existiert nicht mehr. Es verliert<br />

sich in einem Feld, in dem es, bedingt durch wiederholte Neuordnungen<br />

im Friedhofswesen, nicht mehr auffindbar ist.<br />

Seine Witwe Maria Lehmann, geborene Reiner, die 20 Jahre jünger<br />

als ihr Mann war, überlebte Lehmann um 22 Jahre. Sie starb am 19.<br />

August 1925. Die beiden hatten zwei Töchter: Gisela und Stephanie.<br />

Die ältere Tochter Gisela betrieb später mit ihrem Mann Friedrich<br />

Kramer ein Lebensmittelgeschäft am Rain, das spätere »Kaisers Kaffeegeschäft«.<br />

Lehmanns Haus in Hechingen, jetzt Firststraße 4 neben dem Café<br />

Klaiber auf der hinteren Seite des Obertorplatzes, ging an die Tochter<br />

Stephanie Heck. Deren Nachkommen verkauften das Haus in den<br />

60-er Jahren des vorigen Jahrhunderts.<br />

Vom »Zoller« zur »<strong>Hohenzollerische</strong>n Zeitung«<br />

Die Zeitung »Der Zoller«, deren Mitbegründer und leitender Redakteur<br />

Lehmann 30 Jahre lang war, hatte nach seinem Tod nur noch 33<br />

Jahre Bestand. Von den »<strong>Hohenzollerische</strong>n Blättern«, die sich auch<br />

nach Lehmann ständig mit dem »Zoller« befehdeten, wurde das Blatt<br />

1918 zeitweise als preußenfeindlich eingestuft.<br />

Gegen Antisemitismusvorwürfe der »<strong>Hohenzollerische</strong>n Blätter«<br />

wehrte sich der »Zoller« 1920 vehement. Als Redakteur folgten Lehmann<br />

Georg Rathgeber (1903-1906), Konrad Holderried (1906-<br />

1908), Bernhard Fehrecke (1908-1919) und ab 1919 August Pretzl.<br />

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