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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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Einheitliche Wenderichtung beim Pflügen<br />

In der Literatur ist es wenig bekannt, dass die Organisation der Bewirtschaftung<br />

der Ackerflur (Dreifelderwirtschaft) auch die jeweilige<br />

Wenderichtung der Scholle bzw. Erdkrume beim Pflügen innerhalb<br />

eines Gewannes vorschrieb'. Dies galt bei jedem Umbruch außer bei<br />

der Ziehung der Grenzfurche. Das Auseinander- (von der Ackermitte<br />

weg) oder Zusammenschlagen (Wendrichtung der Erdkrume beim<br />

Pflügen zur Mitte der Ackerparzelle hin) der Ackerfurchen war nur<br />

auf den Anwandäckern erlaubt. Damit wollte man verhindern, dass<br />

sich zwischen den einzelnen Äckern eines Gewannes Vertiefungen<br />

oder auf ihnen Wölbungen entstehen, insbesondere in Hanglagen<br />

konnten die unterschiedlichen Wenderichtungen beim Pflügen zu Erhöhungen<br />

der Ackerraine führen.<br />

Im schwäbischen Oberland, Schwarzwald und in Teilen von<br />

Ostwürttemberg gab es keine Bewirtschaftungsmethode der<br />

Ackerflur nach den Regeln der Dreifelderwirtschaft. Im<br />

Schwarzwald mit den Waldhufen und im Oberland mit den Einödgebieten<br />

hatte jeder Hof sein landwirtschaftliches Bewirtschaftungsgebiet<br />

unmittelbar um die Hofstellen. Zeigen und Gewanne kennen<br />

diese Landstriche nicht. Beim Pflügen und Eggen konnte jeder auf<br />

dem eigenen Acker, weil er genügend breit war, oder auf der ihm<br />

gehörenden angrenzenden Wiese wenden. Der Bereich auf dem<br />

Acker, auf dem mit dem Gespann gewendet wurde, wird seither als<br />

»Anwand« bezeichnet. In den zuvor genannten Gebieten gibt es bis<br />

heute im Erbfall nur die »gebundene« Besitzübergabe. Einer der<br />

Söhne - der jüngste oder der älteste, je nach örtlicher Gewohnheit -<br />

übernimmt ungeteilt den elterlichen Hof. In der Literatur wird ein<br />

solches Gebiet Anerbengebiet bezeichnet.<br />

Das Dorfgericht überwachte die Regelungen der Dreifelderwirtschaft<br />

2<br />

Die Bewirtschaftung der Flur des Altsiedeilandes unterlag seit dem<br />

frühen Mittelalter bis zur Neuzeit den Regelungen der Dreifelderwirtschaft.<br />

Das von den Dorfbewohnern auf der Gemeindejahrtag gewählte<br />

Feldgericht (Untergangsgericht) überwachte dessen strikte Einhaltung.<br />

Es überprüfte, ob jeder den vorgegebenen einheitlichen Fruchtstand<br />

auf den einzelnen Eschen einhielt, legte jährlich den Zeitpunkt<br />

der Öffnung und des Schließens der unbeständigen Wege innerhalb<br />

eines Esches fest und schlichtete Streitigkeiten unter den Besitzern<br />

der Ackerparzellen über die Öffnung der unbeständigen Wege und<br />

sah auf die möglichst schonende Ausübung des Anwenderechts. Die<br />

Öffnung der unbeständigen Wege, d.h. das Abmähen des Getreides,<br />

erfolgte in der Reihenfolge ausgehend vom Hauptwirtschaitsweg. Erst<br />

wenn der Vorneliegende den Weg vom Getreide frei gemacht hatte,<br />

durfte der Hinterhegende zu seiner Ackerparzelle fahren. Bei der<br />

Schließung des unbeständigen Weges nach der Aussaat galt die umgekehrte<br />

Reihenfolge. Erst wenn der Hinterhegende bei seiner Ackerparzelle,<br />

einschließlich des Bereiches des unbeständigen Weges, mit<br />

der Saat fertig war, durfte der Vornehegende mit der Arbeit beginnen.<br />

Die Bannung der unbeständigen Wege im Esch mit dem Wintergetreide<br />

geschah schon im November nach dem Pflügen und Einsäen<br />

des Brachlandes. Die Bannung der Wege des Eschs mit dem Sommergetreide<br />

geschah regional unterschiedlich zwischen dem Sankt<br />

Georgstag (23. April) oder bis zum 8. Mai. Dagegen war der Brachesch<br />

vom Zeitpunkt der Ernte des Sommergetreides bis zur Feldbestellung<br />

des Wintergetreides im folgenden Jahr offen.<br />

1 Friedrich Winterlin, Württembergische ländliche Rechtsquellen,<br />

zweiter Band. Das Remstal, das Land am mittleren Neckar und die<br />

Schwäbische Alb. Unter-Sielmingen, Gemeine alte Ordnungen, Gebräuche,<br />

Herkommen und Gewohnheiten, 1701: »1. Es soll keiner<br />

keinen Zusammenwurf machen, denn es sei ein Anwander«.<br />

2 Karl Siegfried Bader, Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde,<br />

Weimar 1962. Er beschreibt darin die Aufgaben der Untergangsgerichte<br />

im Mittelalter<br />

9<br />

Der Rechtsbegriff des Anwende-, Schwengel 3-, Tretoder<br />

Trepprechts 4<br />

Grenzen zwei Äcker an der Stirnseite unmittelbar aneinander, so<br />

bringt es das Eggen und Pflügen des Ackers bis zur Grenze mit sich,<br />

dass das Gespann (Pferde, Kühe oder Ochsen) den Nachbaracker<br />

zum Wenden betreten musste. Das Recht, den Pflug auf das Nachbargrundstück<br />

zu leiten (dessen Erdkrume darf aber nicht gewendet<br />

werden) und dort zu wenden, ist der Inhalt des Anwende-, Tret- oder<br />

Schwengelrechts, das für den Eigentümer des Anwandackers eine<br />

entsprechende Eigentumsbeschränkung mit sich bringt. Bei der<br />

Ausübung des Anwenderechts mussten die Pflanzen auf dem belasteten<br />

Grundstück möglichst geschont werden 5.<br />

Öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Eigentumsbeschränkung?<br />

Teilweise wird in der Literatur die Ansicht vertreten, das Anwenderecht<br />

sei eine »öffentlich-rechtliche« Eigentumsbeschränkung 6.<br />

Andere meinen, für eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung<br />

sprächen keine überzeugende Gründe und die hier in Frage<br />

stehende Rechtsnorm regele nur das Verhältnis zwischen zwei benachbarten<br />

Grundstückseigentümer 7,<br />

In der bisherigen Diskussion wurde nicht berücksichtigt, dass das<br />

Anwenderecht durch die Bewirtschaftungsmethode der Dreifelderwirtschaft<br />

entstand.<br />

3 Glaser-Dröschel, Nachbarrechte, S. 306. In Niedersachsen und in<br />

Kurhessen gab es das sogenannte Schwengelrecht (Pflugwenderecht).<br />

Es ermöglicht den Eigentümer landwirtschaftlich genutzter<br />

Flächen, sein Ackerland bis zur Grundstücksgrenze ordnungsgemäß<br />

zu bestellen und zu bearbeiten, zu diesem Zweck hat der Grundstücksnachbar<br />

auf seinem Gründstück einen Streifen von 50 bis60 cm<br />

Breite entlang der Grenze frei von Bäumen, Sträuchern, Stauden,<br />

Wällen oder dergleichen zu halten, die einen der die Grenze überragenden<br />

Zugschwengel, ein Pflugrat oder eine Radachse behindern<br />

könnten. Das Schwengelrecht beinhaltet das württembergische Tretoder<br />

Trepprecht und das württembergische Rädlesrecht.<br />

4 Franz Pelka, Das Nachbarrecht in Baden-Württemberg, Seite 171:<br />

In den württembergischen Landesteilen gibt es noch das unständige<br />

Überfahrtsrecht, sowie das Trepprecht, das ist das<br />

Recht, beim Pfigen und Eggen mit dem Spannvieh auf dem<br />

Grundstück des Nachbarn umzudrehen.<br />

5 Württembergisches Gesetz über Feldwege, Trepp- oder Überfahrtsrechte<br />

vom 5. April 1862 (Reg. Blatt 1862, S. 91), Art. 41: Bei der<br />

Ausübung des Trepprechts sind die angepflanzten oder zum<br />

Anpflanzen zugerichteten Grundstücke möglichst zu schonen.<br />

6 RdL 1957, S. 39: »Das Schwengelrecht ist eine öffentlich-rechtliche<br />

Grunddienstbarkeit und gilt nur für Grundstücke in der freien<br />

Feldmark. Es besteht nicht an der Grenze eines Grundstücks zur<br />

Dorfmark, selbst wenn dieses Grundstück erst später in das Bebauungsgebiet<br />

der Gemeinde einbezogen worden ist (Landgericht<br />

Hanau, 2. Zivilkammer, rechtskräftiges Urteil vom 6.11.1956 - 2 S<br />

62/56).<br />

7 Dehner, Nachbarrecht, B § 28, Seite 18: »Die hier in Frage stehenden<br />

Rechtsnormen regeln das Verhältnis zwischen zwei benachbarten<br />

Grundstückseigentümern, also das zwischen zwei Privatpersonen.<br />

Dass sie die landwirtschaftliche Nutzung des Bodens<br />

fördern und damit letzten Endes auch öffentlichen Interessen dienen,<br />

kann nicht entscheindend sein. Würde man es auf diesen<br />

Gesichtspunkt abstellen, so würde man den weitaus überwiegenden<br />

Teil des BGB zum öffentlichen Recht rechnen müssen, denn es<br />

gibt kaum eine privatrechtliche Vorschrift, die nicht in irgendeiner<br />

Weise auch dem Interesse der Allgemeinheit dient.

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