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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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del erkennen, der von anfänglich aufmüpfiger Ablehnung zur<br />

Obrigkeitstreue gegenüber Preußen führte. Zu einer braven preußischen<br />

Untertänigkeit, wie dies beispielsweise sehr treffend in<br />

Heinrich Manns Roman »Der Untertan« beschrieben wird, in dem<br />

ein autoritätshöriger Spießer in der wilhelminischen Zeit auf seine<br />

Art Karriere macht: Nach oben buckeln und nach unten treten.<br />

Michael Lehmann und die vielen anderen Opfer des Kulturkampfs<br />

passen allerdings nicht so einfach in diese Schublade.<br />

Besonders die katholischen Zeitungen, ihre Redakteure und Autoren,<br />

die katholischen Buchhandlungen und viele Priester waren in<br />

Hohenzollern von den Sanktionen betroffen. Dazu gehörten viele<br />

Restriktionen und Verbote, Suspendierungen und Versetzungen von<br />

zentrumsnahen Lehrern und die Absetzung Geistlicher als Religionslehrer.<br />

Dem Verleger der »Hohenzollern'sehen Volkszeitung« in Sigmaringen,<br />

Peter Liehner, entzog die Regierung ab 1874 den Druck<br />

ihres Amtsblattes. Mehrere Geldstrafen wurden gegen ihn verhängt,<br />

beispielsweise über 60 Mark, weil er in Nummer 149 vom 2. Oktober<br />

1875 die »Segnungen« des Liberalismus aufgezählt hatte: die<br />

verschiedenen Kulturkampfgesetze, gerichtliche Verfolgung der<br />

Geistlichen, Aufhebung der Klöster, verkehrte Anschauungen auf<br />

volkswirtschaftlichem Gebiet. Nach dem »Jesuitengesetz« (4.7.<br />

1872) mussten die Jesuiten (Sigmaringen) im selben Jahr das Land<br />

verlassen. Die Franziskaner (Stetten bei Hechingen) und Benediktiner<br />

(Abtei Beuron) mussten 1875 wegen des von Bismarck erlassenen<br />

Gesetzes (31.5.1875) über die Aufhebung aller Orden und<br />

ordensähnlichen Kongregationen (außer den krankenpflegenden)<br />

Hohenzollern verlassen. Noch manch andere Gesetze während des<br />

Kulturkampfes, der Bismarcks persönhehes Werk war, machten den<br />

Zentrumsanhängern und dem Klerus das Leben schwer. Der Kulturkampf<br />

ergriff ganz Preußen und einige Nachbarstaaten. Eine<br />

Oase des Friedens blieb dabei Württemberg, das die umkämpfte<br />

preußische Exklave Hohenzollern umschloss.<br />

In den beiden katholischen Buchhandlungen Hohenzollerns, in Sigmaringen<br />

und Hechingen, wurde wiederholt nach »staatsgefährlichen<br />

Schriften« gefahndet. Derartig erklärte Publikationen wurden<br />

beschlagnahmt. Hier war auch wieder Michael Lehmann betroffen,<br />

in dessen Buchhandlung christlich-katholische Schriften und Devotionalien<br />

wie Heiligenbilder erhältlich waren. Anzunehmen ist, dass<br />

sich der Laden in Lehmanns Haus befand, dort, wo auch die Druckerei<br />

und die Redaktion des »Zoller« war.<br />

Beispielhaft für viele Einzelschicksale sei hier noch der Benefiziat<br />

Dr. theol. Johannes Evangelista Maier genannt, der als geistlicher<br />

Professor am Sigmaringer Gymnasium infolge einer Verurteilung<br />

wegen Verstoßes gegen den »Kanzelparagraphen« suspendiert und<br />

schließlich aus dem Staatsdienst entlassen wurde. Auf der Festung<br />

Ehrenbreitstein in Koblenz musste er 1875 vier Wochen Festungshaft<br />

absitzen. Das Reichsgesetz vom 10. Dezember 1871, der sogenannte<br />

Kanzelparagraph, leitete den Kulturkampf der Bismarckregierung<br />

gegen den Klerikalismus ein. Er war eine Art »Maulkorberlass«,<br />

damit sich die Geistlichen nicht von der Kanzel aus gegen die folgenden<br />

Kulturkampfgesetze wehren konnten. Der gemaßregelte<br />

Benefiziat Maier siegte allerdings ein Jahr nach seiner Festungshaft<br />

über den höchsten Justizbeamten des Landes (August Evelt) und<br />

wurde, wie auch der Gammertinger Hirschwirt Schmid, Mitglied des<br />

preußischen Abgeordnetenhauses. Bei den Reichstagswahlen 1877<br />

gewann Maier ebenfalls das Mandat des Wahlkreises Hohenzollern.<br />

Dem Kulturkampf hat Hohenzollern durch passiven Widerstand erfolgreich<br />

entgegen gewirkt. Klerus und Medien erreichten durch<br />

27<br />

Aufklärung und Agitation eine Abwendung vom Liberalismus. Oder<br />

anders ausgedrückt: Durch Wahlbeeinflussung für das Zentrum. Jedenfalls<br />

hat sich das Land im Kulturkampf zu einer Hochburg des<br />

politischen Katholizismus entwickelt. Ab 1876 schickte Hohenzollern<br />

nur noch Zentrumsabgeordnete nach Berlin.<br />

Das »Magazin für Pädagogik« schrieb 1903 in einem Nachruf über<br />

Michael Lehmann, dass die vielen Gefängnis- und Geldstrafen seine<br />

katholische Überzeugung und Treue zum »Zentrum« nicht erschüttern<br />

konnten. Er habe »ganz wesentheh dazu mitgewirkt, dass die<br />

hohenzollerischen Lande für das Zentrum erobert wurden, und<br />

wenn von den heißen Kämpfen jener Kulturkampfjahre die Rede<br />

sein wird, wird sein Name ehrenvoll genannt werden«.<br />

Das Hechinger Gefängnis. Als dieses Ende des 19• Jhs. eröffnet wurde,<br />

soll Michael Lehmann der erste Insasse gewesen sein. Foto: Willy Beyer.<br />

Das Zupfen am Rock kostet einen Kronentaler<br />

Abschließend noch einmal eine Anekdote nach Roman Sauter, der<br />

Lehmann als »anregende[n] Gesellschafter... voll Geist und Urwüchsigkeit«<br />

bezeichnet und berichtet: »Lehmann war Großdeutscher, den<br />

Ausschluß Oesterreichs aus dem Verband der deutschen Staaten konnte<br />

er nie verschmerzen und die großen Waffenerfolge des neuen<br />

Deutschlands unter Preußens Führung vermochten ihn nicht so zu<br />

begeistern, daß er alles Vergangene vergessen und rücksichtslos zujubeln<br />

konnte, wie es so viele taten. Er war stets ein aufrechter Mann,<br />

der das Mäntelchen nicht nach jedem Wind drehte. So gab es an den<br />

Gesellschaftsabenden, wo stets viel in Politik gemacht wurde, auch<br />

mal Kollisionen. Ein Fall, unwichtig an und für sich und kleinstädtisch,<br />

trotzdem aber bezeichnend für die Verhältnisse des täglichen<br />

Lebens, ist folgender: Im Abendverein, einer geselligen Vereinigung<br />

der besseren Bürger bei Konrad Sträßle, war rege Unterhaltung.<br />

Das Preußische Militär mit seinen heldenhaften Führern im deutschfranzösischen<br />

Krieg wurde himmelhoch erhoben, so daß Lehmann<br />

mit alleiniger Unterstützung durch den alten Ochsenwirt [Wilhelm]<br />

Seitz - ein anerkannter 48er Heckerverehrer - sich zur Aeußerung<br />

veranlasst sah, man könnte bald meinen, daß nur noch der Wehrstand<br />

Geltung habe im neuen Reich und dass der Nähr- und der Lehrstand<br />

gar keine Bedeutung mehr hätten und doch seien diese Stände<br />

die Grundlage des Ganzen und der Wehrstand komme erst in zweiter<br />

Reihe in Betracht zum Schutze der andern, verdiene also doch eine<br />

solche Bevorzugung nicht, das sei Ueberhebung und Hochmut. Im<br />

weiteren Verfolg der Unterhaltung hat nun der auch anwesende<br />

Bezirksfeldwebel Bechtold gesagt: ,Ich trage dasselbe Portepee, wie<br />

Seine Majestät und mein Kleid ist ein Ehrenkleid, ich trage den Rock<br />

des Königs.' Da zupfte Lehmann ihn etwas energisch am Aermel,<br />

sagte: ,Herr Feldwebel, das Kleid zahlen wir, ihren Rock zahle ich'<br />

und fuhr ihm mit der Schnupftabaksdose etwas unsanft an der Nase<br />

vorbei. Das war ein Kapitalverbrechen in jener Zeit und musste g'

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