Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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OTTO H. BECKER<br />
Der Nachtwächter in Oberschmeien<br />
Das Staatsarchiv Sigmaringen betreut seit einigen Jahren auch die Archive<br />
der von 1972 bis 1975 nach Sigmaringen eingemeindeten Ortschaften.<br />
So wurden die Gemeindearchive Laiz und Gutenstein in das<br />
Depositum Stadtarchiv Sigmaringen (Dep. 1) übernommen und<br />
durch Findbücher erschlossen. 2003 konnte sodann die Inventarisierung<br />
des übernommenen Gemeindearchivs Oberschmeien zum Abschluss<br />
gebracht werden. Dabei wurden als Rarität auch Unterlagen<br />
über den Nachtwächter dieses Dorfes aus der Zeit von 1839 bis 1884<br />
ermittelt.<br />
Das schmale Aktenfaszikel weist zwei Dienstinstruktionen für den<br />
Nachtwächter zu Oberschmeien auf, eine des Fürstlich Fürstenbergischen<br />
Obervogteiamtes Jungnau vom 16. April 1839 und eine weitere<br />
des Königlich Preußischen Oberamtes Sigmaringen vom 24. Juli 1860.<br />
Die beiden Dokumente gewähren uns interessante Einblicke in die<br />
Tätigkeit eines Berufsstandes, der nahezu in Vergessenheit geraten ist.<br />
Nach der älteren Instruktion erstreckte sich die Dienstzeit des Nachtwächters<br />
in den Monaten November bis Februar jeweils von 9 Uhr<br />
abends bis 3 Uhr morgens und in den Monaten März bis Oktober jeweils<br />
von 10 Uhr abends bis 2 Uhr morgens. In seiner Dienstzeit hatte<br />
der Nachtwächter jede Stunde mit dem »gewöhnlichen Nachtwächterruf«<br />
anzukündigen.<br />
Aus Sicherheitsgründen hatte der Ruf jeweils an einer anderen Stelle<br />
zu erfolgen. Innerhalb jeder Stunde musste der Nachtwächter nämlich<br />
alle Gassen und Straßen des Dorfes begehen. Dabei hatte er alle<br />
Häuser in Augenschein zu nehmen und bei Verdacht der Feuergefahr<br />
sofort den Hausbesitzer zu wecken. Für den Fall, dass akute Feuergefahr<br />
bestand, musste der Nachtwächter gem. § 77 der Feuerordnung<br />
vom 12. April 1808 alle Dorfbewohner wecken und dem Ortsvorsteher<br />
davon Meldung machen.<br />
Sollten dem Nachtwächter bei seinem Gang durch den Ort fremde<br />
Personen begegnen, war der Ordnungshüter dazu verpflichtet, diese<br />
nach den Gründen ihres »Umherziehens« zu befragen. Konnten diese<br />
keine <strong>Heimat</strong>scheine oder Reisepässe vorweisen, musste der Nachtwächter<br />
diese festhalten und dem Schultheißamt zur Verwahrung<br />
übergeben.<br />
Für den Fall aber, dass der Nachwächter bei seinem Gang nach der<br />
Polizeistunde Einheimische antreffen sollte, war er dazu verpflichtet,<br />
diese nach Hause zu schicken und beim Schultheißenamt wegen<br />
»Nachtschwärmerei« anzuzeigen. Darüber war ein Protokoll aufzusetzen,<br />
das dem Obervogteiamt zur weiteren Veranlassung zugestellt<br />
werden musste.<br />
Sollten überdies nach der Polizeistunde Individuen auf Nebenwegen<br />
oder in der Nähe von Häusern und Wohnungen angetroffen werden<br />
und sich unlauterer Absichten verdächtig machen, war der Nachtwächter<br />
angehalten, diese festzunehmen und dem Schultheißenamt<br />
zu übergeben.<br />
37<br />
Nach der Dienstanweisung von 1839 unterstand der Nachtwächter<br />
ausdrücklich der Aufsicht und der Kontrolle des Gendarmen und des<br />
Polizeidieners. Dienstversäumnisse des Nachtwächters sollten mit<br />
Geldstrafen, die an die Ortskasse abzuführen waren, bis hin zur<br />
Dienstentlassung geahndet werden.<br />
Nach § 1 der knapper gefassten Dienstanweisung von 1860 war der<br />
Nachtwächter unmittelbar dem Bürgermeister zugeordnet und unterstand<br />
der Kontrolle des Gendarmen und Polizeidieners. Die genaue<br />
Dienstzeit wird darin zwar nicht angegeben, doch hatte der Nachtwächter<br />
in den Monaten Aprü bis September jeweils abends um 10<br />
Uhr und 12 Uhr und morgens um 2 Uhr und in den Monaten Oktober<br />
bis März abends jeweils um 10 Uhr und 12 Uhr und morgens jeweils<br />
um 3 Uhr die Stunden anzukündigen.<br />
In § 5 der Dienstinstruktion von 1860 lesen wir: »Der Nachtwächter<br />
hat nicht bloß gelegentlich des Stundenabrufens den Ort zu durchgehen,<br />
sondern auch in der Zwischenzeit alle Straßen und Gassen zu besichtigen.<br />
Begibt er sich aber in der Zwischenzeit in seine Wohnung,<br />
so hat er daselbst zum Zeichen seiner Wachsamkeit Licht zu brennen«.<br />
Das Tätigkeitsfeld des Nachtwächters wird in § 6 der Instruktion folgendermaßen<br />
umrissen: »Aufgabe und Pflicht des Nachtwächters ist<br />
es, jede Zuwiderhandlung gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung<br />
zu verhindern und zur Anziege zu bringen, namentlich gegen die<br />
Feuerpolizeiordnung, als da sind: das Herumgehen in den Häusern,<br />
Scheunen und auf den Straßen mit bloßem Lichte, das Erwärmen der<br />
Ställe mit Kohlenfeuer, der Gebrauch von Fackeln im Orte, das<br />
Schießen und Raketenwerfen in demselben«.<br />
Der Nachtwächter hatte überdies »Exzesse« jeglicher Art zu verhindern<br />
und zur Anzeige zu bringen. Insbesondere war ihm auferlegt, bei<br />
Feuergefahr die Hausbewohner zu wecken und dem Bürgermeister<br />
Anzeige davon zu machen. Zuwiderhandlungen des Nachtwächters<br />
waren nach der Instruktion mit Ordnungsstrafen und evtl. auch mit<br />
Entlassung zu bestrafen.<br />
Das Aktenfaszikel enthält ferner Informationen über die Besoldung<br />
des Nachtwächters in Oberschmeien. So wurden 1840 die Jahresbezüge<br />
des Nachtwächters Philipp Strehl von 34 Gulden auf 36 Gulden<br />
erhöht. 1849 erhielt der damalige Nachtwächter Matthias Sauter einen<br />
Sold in Höhe von 37 Gulden 15 Kreuzer. In den Jahren von 1879<br />
bis 1883 wird Hieronymus Steiner darin als Nachtwächter erwähnt.<br />
1884 hatte sodann Fidel Moser das Nachtwächteramt in Oberschmeien<br />
inne.<br />
Nach 1884 werden sowohl in dem angegebenen Aktenfaszikel als<br />
auch in den Jahresrechnungen der Gemeinde Oberschmeien keine<br />
Nachtwächter mehr genannt. Dieser Berufsstand war vermutlich infolge<br />
des verstärkten Ausbaus des Feuerlöschwesens und der Polizei<br />
durch Preußen in Hohenzollern entbehrlich geworden.<br />
Quellennachweis: StA Sigmaringen Dep. 1T 30 Nr. 6a