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CITY GUIDE DORNBIRN RITUALE

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Text: Kurt Bracharz, Fotografie: Markus Gmeiner<br />

TRINKEN, FASTEN,<br />

SCHLEMMEN<br />

Essen und Trinken ist jener Bereich des Alltags, der am stärksten von Ritualen aller Art durchsetzt<br />

ist. Ein Ritual entschärft eine krisenhafte Entscheidungssituation, indem es sie durch die<br />

ewige Wiederkehr des stets gleichen, festgelegten Handlungsablaufes zur Routine macht. Man<br />

strukturiert zum Beispiel seinen Tag durch drei Mahlzeiten zu ziemlich präzise festgelegten<br />

Zeiten; mancher schiebt als zusätzliche Zeitmarken noch ein Gabelfrühstück und einen Fünf-<br />

Uhr-Tee ein. Wer dieses simple Schema einigermaßen einhält, dem läuft ein Tag niemals ganz<br />

aus der Form. Wer hingegen sehr unregelmäßig isst, der setzt eben andere Zäsuren in den<br />

amorphen Zeitstrom des Alltäglichen. Welche Rituale in der Dornbirner Gastronomie gepflegt<br />

werden, hat Kurt Bracharz erkundet.<br />

Das Ritual des Weinverkostens:<br />

An einem Schluck Wein aus einer soeben<br />

geöffneten Flasche zu schnuppern, ist vernünftig;<br />

falls der Wein zum Beispiel „korkt“<br />

– was leider immer häufiger vorkommt – , ist<br />

es nicht angenehm, wenn er schon in alle<br />

Gläser eingeschenkt worden ist, bis man<br />

den Fehler bemerkt. Weinfehler kann man<br />

riechen (und manche auch sehen) und somit<br />

ist eigentlich alles, was bei diesem ersten<br />

Probieren über ein Schwenken des Glases<br />

(damit mehr Geruch aufsteigt und man die<br />

über 80 verschiedenen Duftstoffe eines<br />

Weines deutlicher wahrnehmen kann) und<br />

dann am Wein Riechen hinausgeht, eher ein<br />

Ritual als eine sinnvolle Prüfung. Das Saugen,<br />

Schnauben und Schmatzen, das den<br />

Kenner ausweisen soll (bei Kennerinnen<br />

hört man es erheblich seltener), mag ja über<br />

Zunge und Trigeminusnerv Säure, Alkohol<br />

und Tannine besser erkennen lassen, aber<br />

beim geselligen Trinken danach sind solche<br />

Geräusche definitiv unerwünscht, ohne<br />

dass jemand glaubt, durch ihre Ächtung<br />

werde der Trinkgenuss vermindert. Sinnvoll<br />

ist das Ritual der Weinpräsentation, dass<br />

also das Etikett gezeigt und die Flasche vor<br />

dem Gast geöffnet wird. Damit ist sichergestellt,<br />

dass man auch tatsächlich das Bestellte<br />

bekommt. Die Präsentation des Korkens<br />

oder gar die noch ältere Sitte, ihn am<br />

Flaschenhals zu befestigen, bringen hingegen<br />

keinen Erkenntnisgewinn, ebenso<br />

wie die Serviettenschleife, die in manchen<br />

Etablissements um die Flasche geschlungen<br />

wird. Das Dekantieren ist bei den meisten<br />

aktuellen, auf baldige Trinkfähigkeit getrimmten<br />

Weinen ohne jeden Satz unnötig<br />

geworden, aber immer noch ein nettes Ritual,<br />

das der Sommelier gerne durchführt<br />

und die Gäste interessiert beobachten. Der<br />

Sommelier ist naturgemäß gegen Schraubverschlüsse<br />

(für die manches spricht) und<br />

andere Modernismen eingestellt, die ihn<br />

seine Professionalität nicht mehr so richtig<br />

vorführen lassen.<br />

Die schönste Weinbar in Dornbirn hat<br />

zweifellos das nach dem Patron Florian Mairitsch<br />

benannte M in der Lustenauerstraße,<br />

aber natürlich wird auch im eleganten Restaurant<br />

und im prächtigen Palmengarten<br />

des Foyers zu jedem Gang eines Menüs<br />

Weinbegleitung angeboten. Von jenen in<br />

Lech einmal abgesehen, kann man in Vorarlberg<br />

die Restaurants mit einem Michelin-<br />

Stern an den Fingern einer Hand abzählen,<br />

und das M ist eines von diesen wenigen<br />

Auserwählten. Seine Küche bietet österreichische<br />

Klassiker ebenso wie Mediterranes,<br />

Letzteres oft mit portugiesischer Akzentuierung:<br />

Wenn eine Fischsuppe auf der Karte<br />

steht, ist das keine Bouillabaisse, sondern<br />

eine Caldeirada da peixe, Bei den Mittagsmenüs<br />

verteilt sich das Angebot auf Österreichisches<br />

wie ausgelöstes Backhendl mit<br />

Kartoffel-Vogerl-Salat oder Kalbsbackerl<br />

mit Krautfleckerln und Gerichte wie Garnelen<br />

mit Tomaten-Kräuterrisotto oder Tagliatelle<br />

mit Lammsugo und Basilikum. In der<br />

Kategorie „M Klassiker“ findet man immer<br />

das Wiener Schnitzel vom Kalb mit Petersilkartoffeln,<br />

Preiselbeeren und Salat auf der<br />

Karte. Die Weinkarte verzeichnet über 150<br />

Österreicher, dazu lange Listen von Italienern<br />

und Franzosen plus einige Weine aus<br />

Australien. Die Flaschen lagern in begehbaren<br />

Weinschränken.<br />

M restaurant weinbar, Lustenauerstraße 64<br />

T 05572 210 396, www.m-dornbirn.at<br />

Mo bis Sa 10 – 14 Uhr und 17 – 1 Uhr<br />

So und Feiertag geschlossen<br />

In einem Punkt ist Haubenkoch Michael<br />

Ritter, Pächter und Küchenchef des Oberdorfer<br />

Restaurants und Hotel garni Zum<br />

Verwalter dem besternten Florian Mairitsch<br />

voraus: Ritter hat schon ein Buch über seine<br />

Küche publiziert, „Das kleine Buch der großen<br />

Küche“ im Hohenemser Bucher-Verlag.<br />

Der Untertitel „Jahrein, jahraus gut essen“<br />

trifft auch auf das Angebot im „Verwalter“<br />

zu. Ritter schreibt alle seine Lieferanten<br />

genauestens auf die Speisekarte, weil die<br />

Gäste ja immer mehr wert auf Regionalität<br />

legen. Auch hier ist die Küche teils österreichisch,<br />

teils mediterran. Das Restaurant<br />

wurde 2006 von Gault Millau mit der „Bierkrone“<br />

ausgezeichnet, aber auch wer Wein<br />

bevorzugt, ist hier am richtigen Ort, die Vinothek<br />

im Keller ist bestens bestückt und<br />

die Weinberatung sehr fachkundig.<br />

Zum Verwalter Restaurant-Vinothek-Garni<br />

Schlossgasse 1, T 05572 23379<br />

www.zumverwalter.at<br />

Bistro: Mo bis Sa ab 17.30 Uhr<br />

Restaurant: Do bis Sa ab 17.30 Uhr<br />

Das Ritual des Fastens: Das Fasten<br />

ist eine ritualisierte und freiwillige Verminderung<br />

der Nahrungsaufnahme. Gefastet<br />

wurde und wird in allen Kulturen. Die<br />

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