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CITY GUIDE DORNBIRN RITUALE

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DIE BAUERNSTADT<br />

<strong>DORNBIRN</strong><br />

Rituale und vergessenes Brauchtum: Dornbirn ist nicht nur die größte Stadt sondern auch die<br />

größte Landwirtschaftsgemeinde Vorarlbergs: Von ihren über 12.000 Hektar Stadtfläche sind<br />

87 Prozent grün: Wald (4.800 ha), Wiesen, Weiden und Alpen (5.700 ha). Die „Bauernstadt“ ist<br />

historisch gewachsen. Dornbirns Dörfer schlossen sich erst 1901 zur Stadt zusammen. Auch<br />

wer „in der Stadt“ lebte, hatte früher seinen Hof, sein Vieh und seinen Acker oder die Wiese.<br />

Selbst die hochlöblichen Fabrikanten waren großteils Landwirte mit viel Grund, Vieh und Pferden.<br />

Die Alltagsrituale der Menschen waren einerseits geprägt von den Produktionsbedingungen<br />

der Landwirtschaft und andererseits von den Anlässen des Kirchenjahres. Inzwischen sind<br />

viele der alten Bräuche in Vergessenheit geraten, manches wird touristisch oder im Zuge des<br />

Esoterik-Booms wiederbelebt, nur vereinzelt werden noch alte Rituale gepflegt.<br />

Buschla: Das sorgfältige Zusammenlegen<br />

und Binden von dürren, dünnen<br />

Ästen und Zweigen, zu Bündeln, die im<br />

Kachelofen verfeuert wurden. Schöne Buscheln<br />

zu machen, geriet oft zum Ritual.<br />

Funkensonntag: Am Sonntag<br />

nach Aschermittwoch wird im alemannischen<br />

Raum der Winter mit einem großen<br />

Feuer beendet und damit der Frühling eingeleitet.<br />

Hochzeit: Bei den Verehelichungen<br />

bestand der Brauch, dass Jugendliche<br />

den Brautwagen anhielten, wobei die Hochzeiter<br />

einiges über sich ergehen lassen<br />

mussten. Zumeist hatten sie Getränke zu<br />

spendieren oder sonst eine Gebühr zu entrichten.<br />

Die Feier im Anschluss daran nannte<br />

man „braudtwagen auf hebungs zerig“;<br />

manchmal heißt es auch, man habe den<br />

Brautwagenwein „vertrunken“. Übernahm<br />

ein Sohn oder Schwiegersohn den Besitz,<br />

hatte er die Mutter oder Schwiegermutter<br />

ordentlich „auszusteuern“, das heißt ihre<br />

Versorgung zu garantieren. Dabei mussten<br />

die dazu erforderlichen Sachgüter traditionsgemäß<br />

in einer „Aussteuertruhe“ ausgehändigt<br />

werden.<br />

Türggabrätscha: Einst wurden<br />

die Äcker in der Dornbirner Ebene noch in<br />

strikter Wechselwirtschaft mit Riebelmais<br />

(„Türgga“) bebaut, dem neben der Kartoffel<br />

wichtigsten Rohstoff für die Ernährung<br />

der Bevölkerung. Zur Erntezeit zog man in<br />

Gruppen von Hof zu Hof, saß in geselliger<br />

Runde zusammen und schälte gemeinsam<br />

die Maiskolben bis auf drei Blätter („Brätscha“),<br />

verknüpfte zwei und zwei solchermaßen<br />

geschälte Kolben und hängte sie auf<br />

ein Dreiecksgestell zum Trocknen auf. Dazu<br />

wurde auch gesungen und musiziert.<br />

Landsredling: Einen Brauch, der<br />

an keine bestimmten Termine im Jahr gebunden<br />

war, bildete das „Landsredling“,<br />

das in den Akten zwischen 1704 und 1769<br />

belegt ist. Dabei handelte es sich um einen<br />

Notfeuerbrauch, welcher der Verhinderung<br />

oder Bekämpfung von Viehkrankheiten<br />

diente. Zunächst wurde in eingezäunten<br />

Viehtriften oder in Hohlwegen mühsam ein<br />

Feuer entfacht, woher das Bestimmungswort<br />

„Not-“ herrühren soll. Anschließend<br />

trieb man die Tiere, die nicht ausbrechen<br />

konnten, zumeist dreimal mit Gewalt durchs<br />

Feuer, um sie dadurch von Krankheiten zu<br />

reinigen bzw. gegen diese gefeit zu machen.<br />

Sowohl Feuer als auch Glut und Asche galten<br />

in verschiedener Weise als heilkräftig.<br />

Weihnachten, Advent: Geschenke<br />

wurden ursprünglich nicht am Heiligen<br />

Abend, sondern am Nikolausabend verteilt.<br />

In diesem Rahmen ging es aber nicht immer<br />

beschaulich her. Es kam regelmäßig zu „unfugen<br />

mit verklaidung der burger, nächtlichen<br />

tumulten, erschrecken der kinder“.<br />

Aufgrund etlicher Raufereien ist auch überliefert,<br />

dass um die Jahreswende die so genandte<br />

„laible nacht“ oder „ordinari laible<br />

nacht“ gefeiert wurde. Dabei dürfte es sich<br />

um einen Heischebrauch im Rahmen der<br />

so genannten Rauh- oder Gebnächte zwischen<br />

Weihnachten und dem Dreikönigstag<br />

gehandelt haben. Weniger archaisch wirkt<br />

die Aufstellung eines weihnachtlichen „kripelin“<br />

in der Kirche. Sie lässt sich in Dornbirn<br />

1721 das erste Mal nachweisen.<br />

Wetterläuten: Im Zusammenhang<br />

mit Hagel und Gewittern zählte das Wetterläuten<br />

zu einer der wichtigsten Aufgaben<br />

der Mesner. Durch den Klang der geweihten<br />

Glocken sollten die bösen Mächte, die<br />

in den Wolken drohten, vertrieben werden.<br />

Deshalb läutete man vielerorts auch in der<br />

Nacht vom 30. April auf den ersten Mai, in<br />

der berüchtigten Walpurgisnacht. Nach<br />

altem Glauben fuhren an diesem ihrem<br />

Hauptfest die Hexen aus und verfügten dabei<br />

über die höchste Macht.<br />

Siehe dazu auch: Manfred Tschaikner auf<br />

http://lexikon.dornbirn.at<br />

Literatur: TSCHAIKNER Manfred:<br />

Dornbirn in der frühen Neuzeit.<br />

In: Werner Matt, Hanno Platzgummer (Hrsg.):<br />

Geschichte der Stadt Dornbirn. Band 1, 2002<br />

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