CITY GUIDE DORNBIRN RITUALE
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Die Vermutung, dass man die Euter der Kühe<br />
mit besonderen Mittelchen oder Wolle hegt,<br />
pflegt, streichelt und massiert, damit sie<br />
bessere Milch geben, ist eine Mär.<br />
tual – stelle der Umstand dar, dass nicht<br />
nur Schnaps gebrannt werde, sondern ein<br />
rituelles Getränk namens Schwarz. „Angeblich<br />
liegt im Brennen desselben ein<br />
gewisser Reiz - so hat mir das ein Kunde<br />
erzählt, dessen Freundin, deren Schwager<br />
den Wundertrank einst gebraut haben soll –<br />
aber verifizieren kann ich das nicht.“ Die<br />
Schwierigkeit der Bezeugung liege halt einfach<br />
darin, dass, selbst wenn man Schwarz<br />
brennt, es letzten Endes immer doch nur<br />
zu einem Klaren führe. Schlussendlich sei<br />
es auch ein Zeichen der Zeit, dass sich Gerüchte<br />
zu nicht näher geprüften Wahrheiten<br />
verdichteten. Räuchern sei beispielsweise<br />
ein nicht wirklich gelebtes Ritual der Dornbirner,<br />
aber auch die Vermutung, dass man<br />
die Euter der Kühe mit besonderen Mittelchen<br />
oder Wolle hegt, pflegt, streichelt und<br />
massiert, damit sie bessere Milch gäben,<br />
sei eine Mär. Ebenso die Annahme, dass in<br />
den Ställen fortlaufend Mozart aus dem<br />
Lautsprecher fiedle, um die Milchleistung<br />
zu erhöhen. Ein Radio im Stall, das ließe<br />
er sich gerne gefallen, aber die Musik, die<br />
die Jungen von heute hörten, führe gewiss<br />
nicht zu besserer Milchleistung, sondern<br />
geradewegs zu Schla grahm.<br />
Mondsüchtige Dornbirner<br />
„Aber – Schuld an allem ist der Mond.“<br />
An den Stammtischen der Gartenfreunde<br />
laufen seit Jahren die Debatten darüber,<br />
wie denn die Kraft des Mondes in den<br />
grünen Daumen überzuführen sei. „Bei<br />
den Experten der Experten geht es nicht<br />
nur darum, wann die Bohnen richtig gepflanzt<br />
werden müssen“, lächelt Werner<br />
verschmitzt, „sondern im Wettkampf um<br />
die schönste Frucht ist zu beachten, dass<br />
auch der Bohnenstickel zum richtigen Zeitpunkt<br />
in die Erde geschlagen werden muss!“<br />
Dieser sollte dann idealerweise aus Mondphasenholz<br />
geschlagen sein. „Das sind die<br />
wahren Rituale, denen die Dornbirner huldigen:<br />
die Arbeiten im Wald, im Garten und<br />
daheim in den behaglichen vier Wänden.“<br />
Sie lauschen im landesweiten Radio den<br />
Mondempfehlungen des Gartenexperten<br />
und fragen verstärkt Mondholz nach, da<br />
dieses besonders trocken, schwindarm,<br />
rissfrei, verwindungsstabil und unempfindlich<br />
gegen Fäulnis oder Insektenbefall sein<br />
soll. Die zahlreich erscheinenden Mondkalender<br />
sind im Warenlager Hatlerdorf der<br />
Verkaufsschlager und Werner weiß: „Die<br />
Dornbirner sind wahre Mond- und Gartenexperten.<br />
Nicht umsonst hieß es einst Gartenstadt<br />
Dornbirn. Wenn man etwas über<br />
den Mond erfahren möchte, dann genügt es,<br />
sich bei Ansicht eines Gartens anerkennend<br />
über den schön gewachsenen Kohl zu äußern.<br />
In diesem Fall beginnt die Lehrstunde<br />
damit, dass dieser kurz vor Vollmond im<br />
Zeichen des Krebs gesät wurde.“<br />
Die Dornbirner lieben es also, mit dem<br />
Mond zu leben, schweißtreibende Sportarten<br />
bevorzugt bei abnehmendem Mond zu<br />
betreiben, ihre Kräfte bei zunehmendem<br />
Mond aufzubauen und allfällige Operationen<br />
wie besonders unliebsame Zahnarzttermine<br />
vorzugsweise in die Zeit des abnehmenden<br />
Mondes zu verlegen. Gebügelt wird in Dornbirn<br />
an Blatttagen, tapeziert an Blütentagen<br />
und wenn die Dornbirner einmal aus ihrem<br />
geliebten Dornbirn weg müssen, planen sie<br />
ihre Reisen bevorzugt an Steinbock- oder<br />
Jungfrautagen, unter Berücksichtigung eines<br />
zunehmenden Mondes. Nehmen Sie<br />
sich somit diesen einfachen Tipp zu Herzen:<br />
Wenn Sie eine Dornbirnerin oder einen Dornbirner<br />
kennen und lieben lernen möchten,<br />
richten Sie sich nach dem Mond! Sonst müssen<br />
Sie wiederkehrend 27 Tage, 7 Stunden,<br />
43 Minuten und 42 Sekunden auf den passenden<br />
Zeitpunkt warten.<br />
Ob Werner all dem selbst Glauben<br />
schenkt? „Nun ja. Seit alters her achten<br />
die Menschen in der Land- und Forstwirtschaft<br />
darauf, dass bestimmte Arbeiten in<br />
der Natur in der richtigen Mondphase erledigt<br />
werden. Und wenn ich von den Kundschaften<br />
erfahre, wie sich der Erfolg durch<br />
die richtige Anwendung der Mondregeln<br />
im Garten niederschlägt, dann nehme ich<br />
das durchaus ernst. Da wird dann wohl was<br />
dran sein.“ Problematisch sei, so Werner,<br />
eben nur, wenn ein Nachbar zu unmöglichsten<br />
Zeiten seine Bohnenstickel ins Erdwerk<br />
ramme. „In solchen Nächten heulen dann<br />
nicht nur die Hunde den Mond an.“ Aber, und<br />
das kommt Onkel Werner dann doch etwas<br />
Spanisch vor: Wenn in den Mondkalendern<br />
die Zeugungstage für das Geschlecht des<br />
Nachwuchses festgelegt werden. „Also das<br />
ist doch wirklich der Gipfel“, japst er nach<br />
Luft, wohl deshalb, weil er stolzer Vater eines<br />
Zwillingspärchens ist.<br />
Da haben Werner und seine Elke wohl<br />
den exakten Zeitpunkt im Übergang zweier<br />
Mondphasen getroffen. Und wenn’s bei zunehmendem<br />
Mond passiert ist, werden die<br />
beiden auch kräftig gedeihen!<br />
Lagerhaus Hatlerdorf<br />
Werner Winsauer<br />
Schützenstr. 24<br />
T 05572 22677, F 05572 394296<br />
66