Jahresbericht 2015_final_2_web
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Nach Ansicht des Jobcenters müssten aber die Bruttokaltmiete<br />
und die Angemessenheit der Heizkosten getrennt<br />
betrachtet werden. Dies führe im Fall der Bürgerin<br />
dazu, dass zwar die Heizkosten angemessen seien, die<br />
Bruttokaltmiete aber unangemessen sei. Nach Ansicht des<br />
Jobcenters fehle es an einem Bruttowarmmietenkonzept,<br />
das genau solche Fälle regeln könnte. Dieses wäre zwar<br />
nach § 22 b Abs. 1 Satz 3 SGB II zulässig. Das Land Thüringen<br />
habe jedoch bisher keine gesetzliche Grundlage geschaffen,<br />
die es kommunalen Trägern erlaube, eine entsprechende<br />
Satzung zu erlassen.<br />
Mit diesem Zwischenergebnis zeigte sich der Bürgerbeauftragte<br />
jedoch nicht zufrieden und bat deshalb das zuständige<br />
Ministerium um rechtsaufsichtliche Prüfung einer<br />
Ermessensentscheidung. Außerdem wies er auf die – vom<br />
Jobcenter angeführte – bislang fehlende gesetzliche<br />
Grundlage hin und erfragte, wann diese zu erwarten sei.<br />
Dabei betonte der Bürgerbeauftragte, dass sich die Problematik<br />
der energetischen Sanierung und deren Auswirkungen<br />
auf die Höhe der KdU zukünftig verstärkt stellen<br />
werde. Das Ministerium wiederum delegierte die Prüfung<br />
an das Thüringer Landesverwaltungsamt.<br />
Dieses machte in seiner Rückäußerung deutlich, dass zwar<br />
im vorliegenden Fall die Nettokaltmiete die Angemessenheitsgrenze<br />
überschreite, allerdings § 22 Absatz 1 Satz 4<br />
SGB II dem Jobcenter einen Ermessensspielraum eröffne.<br />
Es sei die Aufgabe des Jobcenters, im Vorfeld einer Aufforderung<br />
zur Kostensenkung nicht nur die konkretindividuellen<br />
einmaligen Bedarfe wie z.B. Erstausstattung<br />
von Küchengeräten oder die Beauftragung eines Umzugsunternehmen<br />
zu bedenken, sondern auch die Entwicklung<br />
aller laufenden Leistungen – im konkreten Fall<br />
der Heizkosten – zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall<br />
würden die Betriebskostenabrechnungen der Bürgerin einen<br />
erheblichen Puffer ausweisen. Daher sei es wahrscheinlich,<br />
dass die Kosten der Unterkunft (= Miete + Heizkosten)<br />
trotz höherer Kaltmiete wenn überhaupt nur geringfügig<br />
steigen würden. Zudem zeige der Blick auf den<br />
Wohnungsmarkt, dass im derzeitigen Wohnumfeld der<br />
Bürgerin aktuell keine wirklich günstigere Wohnung verfügbar<br />
sei. Zudem sei hier der Gesundheitszustand der<br />
Bürgerin zu berücksichtigen.<br />
Das Interesse der öffentlichen Hand an einer zeitnahen<br />
Kostenminderung falle hier gegenüber dem Interesse der<br />
Bürgerin am Verbleib im bisherigen sozialen Umfeld geringer<br />
ins Gewicht. Die Forderung nach einem Umzug wegen<br />
der hier nur geringfügigen Überschreitung der Gesamtkosten<br />
für Unterkunft und Heizung sei daher im Ergebnis unverhältnismäßig.<br />
Das Jobcenter gab daher dem Widerspruch<br />
der Bürgerin im Einzelfall statt. Eine Absenkung der<br />
48