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stahlmarkt 04.2012 (April)

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68 K Recht<br />

Alles, was RECHT ist<br />

von Christoph Burgmer und Christian H. Fischer<br />

Christoph Burgmer (links)<br />

Christian H. Fischer (rechts)<br />

Fachanwälte für Arbeitsrecht<br />

Graf-Adolf-Straße 16<br />

40212 Düsseldorf<br />

Tel. +49 211 586777-0<br />

www.burgmer.com<br />

Kündigung eines<br />

Auszubildenden wegen<br />

Fehlzeiten in der Berufsschule<br />

Das unentschuldigte Fernbleiben vom<br />

Berufsschulunterricht kann eine fristlose<br />

Kündigung rechtfertigen.<br />

Die Bank erteilte ihrem Auszubildenden eine<br />

Abmahnung, nachdem sie erfuhr, dass dieser<br />

46 unentschuldigte Fehlstunden in der<br />

Berufsschule hat. Der Auszubildende war<br />

aber verpflichtet, die Bank über ein etwaiges<br />

Fernbleiben von der Berufsschule zu informieren.<br />

Einige Monate später erteilte die<br />

Bank dem Auszubildenden eine weitere<br />

Abmahnung. Nachdem der Auszubildende<br />

anschließend erneut unentschuldigt in der<br />

Berufsschule fehlte, kündigte die Bank<br />

schließlich außerordentlich mit sofortiger<br />

Wirkung. Die Kündigung hielt vor dem<br />

Arbeitsgericht stand, obwohl an die außerordentliche<br />

Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses<br />

besondere Anforderungen zu<br />

stellen sind. Erst nach dem Scheitern »aller<br />

möglichen pädagogischen Maßnahmen«<br />

kommt eine Kündigung als letztes Mittel in<br />

Frage. Liegen nicht ganz besonders gravierende<br />

Verstöße (insbesondere Straftaten)<br />

vor, kann regelmäßig erst nach einer Kette<br />

von Pflichtwidrigkeiten, vergeblichen Erziehungsversuchen<br />

und Abmahnungen an eine<br />

Kündigung gedacht werden. Dies sah das<br />

Arbeitsgericht darin, dass der Auszubildende<br />

trotz der vorherigen Abmahnungen die<br />

Berufsschule nicht mehr besucht und bis<br />

zum Zugang der Kündigung die Bank hierüber<br />

auch nicht informiert hatte. Nach dem<br />

Arbeitsgericht ist daher ein wichtiger Grund<br />

für eine fristlose Kündigung gegeben.<br />

Dies bedeutet für die Praxis weiterhin,<br />

dass die Teilnahme am Berufsschulunterricht<br />

von nicht unerheblicher Bedeutung ist. Es ist<br />

in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein<br />

Verstoß gegen Berufsschulpflichten trotz<br />

wiederholter Abmahnung als außerordentlicher<br />

Kündigungsgrund in Betracht kommt.<br />

Wichtig ist die Berücksichtigung der besonderen<br />

Formvorschriften für die fristlose Kündigung<br />

von Berufsausbildungsverhältnissen.<br />

Nach § 23 Abs. 3 BBiG muss die Kündigung<br />

nicht nur schriftlich, sondern unter Angaben<br />

der Kündigungsgründe erfolgen. Das Ar -<br />

beitsgericht hielt die außerordentliche Kündigung<br />

wohl auch deshalb für wirksam, weil<br />

eine entsprechende Nachweispflicht bereits<br />

im Ausbildungsvertrag aufgeführt war. Die<br />

Parteien können im Ausbildungsvertrag<br />

wichtige Gründe näher konkretisieren. Insofern<br />

bietet es sich an, im Ausbildungsvertrag<br />

festzuhalten, dass der Auszubildende am<br />

Berufsschulunterricht teilzunehmen und<br />

Fehlzeiten dem Arbeitgeber unverzüglich<br />

mitzuteilen hat.<br />

Arbeitsgericht Magdeburg, Urteil vom 07.09.2011 –<br />

3 Ca 1640/11<br />

Kunstfreiheit hindert<br />

Kündigung wegen<br />

»indirekter« Beleidigung<br />

Veröffentlicht ein Arbeitnehmer einen<br />

sogenannten Büroroman, in dem er seinen<br />

Ar beitsalltag mit Kollegen und Vorgesetzten<br />

verarbeitet, ist eine darauf<br />

gestützte außerordentliche Kündigung<br />

des Arbeitsverhältnisses unwirksam,<br />

wenn sich der Arbeitnehmer auf die<br />

Kunstfreiheit nach Artikel 5 Abs. 3 Satz 1<br />

GG berufen kann.<br />

Der Arbeitnehmer veröffentlichte einen Ro -<br />

man mit dem Titel »Wer die Hölle fürchtet,<br />

kennt das Büro nicht«. Der Arbeitgeber kündigte<br />

dem Arbeitnehmer wegen dieses<br />

Romans außerordentlich mit der Begründung,<br />

dass das Buch grobe Beleidigungen<br />

beinhalte und zahlreiche Arbeitnehmer und<br />

die Geschäftsleitung des Betriebs durch ausländerfeindliche,<br />

ehrverletzende, beleidigende<br />

und sexistische Darstellungen diskreditiere.<br />

Der Arbeitnehmer vermenge in seinem<br />

Buch Realität und Fantasie, da die ge -<br />

schilderten Personen und Handlungen nicht<br />

frei erfunden seien, sondern dem Betrieb<br />

zugeordnet werden können. Hierdurch werde<br />

der Betriebsfrieden gestört. Der Arbeitnehmer<br />

behauptete, der Roman sei ein ausschließlich<br />

fiktives Werk.<br />

Das Gericht hielt die Kündigung für un -<br />

wirksam. Bei der außerordentlichen Kündigung<br />

sind auch die grundrechtlich garantierte<br />

Meinungs- und Kunstfreiheit des<br />

Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zu beachten. In dem<br />

Roman beleidigte der Arbeitnehmer nicht<br />

direkt bestimmte Personen im Betrieb. Eine<br />

Anknüpfung an die Realität ist für Romane<br />

typisch. Eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten<br />

liegt nur dann vor, wenn eine Person<br />

ohne Weiteres identifiziert werden<br />

kann. Je stärker sich die Romanfigur von<br />

ihrem Vorbild löst, umso mehr bewegt sich<br />

der Autor im Rahmen der Kunstfreiheit.<br />

Entscheidend ist hier, dass der Begriff der<br />

Kunstfreiheit nicht voraussetzt, dass es sich<br />

um »richtige« Kunst handeln muss. Selbst<br />

talentloser »Schund« wird hiervon gedeckt.<br />

Auch wenn in einem solchen Fall reale Personen<br />

erkennbar sind, gilt eine Vermutung<br />

für das Vorliegen einer Fiktion, die widerlegt<br />

werden muss. Sollte der Arbeitgeber also ein<br />

Arbeitsverhältnis aus diesem Grunde kündigen<br />

wollen, so muss er im Kündigungsschutzprozess<br />

konkrete Tatsachen darlegen,<br />

die eine klare Identifizierbarkeit der in ihrer<br />

Ehre verletzten Personen belegen. Gerade<br />

in Zeiten von Internetblogs kann sich dies zu<br />

einer nicht unüblichen Problemsituation entwickeln.<br />

LAG Hamm, Urteil vom 15.07.2011 – 13 Sa 436/11<br />

Unsere Seite »Alles was RECHT ist« informiert in loser<br />

Reihenfolge über Rechtsthemen.<br />

Die Fachanwälte von der Kanzlei Burgmer greifen an<br />

dieser Stelle aktuelle Themen und Urteile zum Arbeitsrecht<br />

auf.<br />

Bei Rückfragen erreichen Sie diese unter obiger Adresse.<br />

<strong>stahlmarkt</strong> <strong>04.2012</strong>

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