68 K Recht Alles, was RECHT ist von Christoph Burgmer und Christian H. Fischer Christoph Burgmer (links) Christian H. Fischer (rechts) Fachanwälte für Arbeitsrecht Graf-Adolf-Straße 16 40212 Düsseldorf Tel. +49 211 586777-0 www.burgmer.com Kündigung eines Auszubildenden wegen Fehlzeiten in der Berufsschule Das unentschuldigte Fernbleiben vom Berufsschulunterricht kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Die Bank erteilte ihrem Auszubildenden eine Abmahnung, nachdem sie erfuhr, dass dieser 46 unentschuldigte Fehlstunden in der Berufsschule hat. Der Auszubildende war aber verpflichtet, die Bank über ein etwaiges Fernbleiben von der Berufsschule zu informieren. Einige Monate später erteilte die Bank dem Auszubildenden eine weitere Abmahnung. Nachdem der Auszubildende anschließend erneut unentschuldigt in der Berufsschule fehlte, kündigte die Bank schließlich außerordentlich mit sofortiger Wirkung. Die Kündigung hielt vor dem Arbeitsgericht stand, obwohl an die außerordentliche Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses besondere Anforderungen zu stellen sind. Erst nach dem Scheitern »aller möglichen pädagogischen Maßnahmen« kommt eine Kündigung als letztes Mittel in Frage. Liegen nicht ganz besonders gravierende Verstöße (insbesondere Straftaten) vor, kann regelmäßig erst nach einer Kette von Pflichtwidrigkeiten, vergeblichen Erziehungsversuchen und Abmahnungen an eine Kündigung gedacht werden. Dies sah das Arbeitsgericht darin, dass der Auszubildende trotz der vorherigen Abmahnungen die Berufsschule nicht mehr besucht und bis zum Zugang der Kündigung die Bank hierüber auch nicht informiert hatte. Nach dem Arbeitsgericht ist daher ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung gegeben. Dies bedeutet für die Praxis weiterhin, dass die Teilnahme am Berufsschulunterricht von nicht unerheblicher Bedeutung ist. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Verstoß gegen Berufsschulpflichten trotz wiederholter Abmahnung als außerordentlicher Kündigungsgrund in Betracht kommt. Wichtig ist die Berücksichtigung der besonderen Formvorschriften für die fristlose Kündigung von Berufsausbildungsverhältnissen. Nach § 23 Abs. 3 BBiG muss die Kündigung nicht nur schriftlich, sondern unter Angaben der Kündigungsgründe erfolgen. Das Ar - beitsgericht hielt die außerordentliche Kündigung wohl auch deshalb für wirksam, weil eine entsprechende Nachweispflicht bereits im Ausbildungsvertrag aufgeführt war. Die Parteien können im Ausbildungsvertrag wichtige Gründe näher konkretisieren. Insofern bietet es sich an, im Ausbildungsvertrag festzuhalten, dass der Auszubildende am Berufsschulunterricht teilzunehmen und Fehlzeiten dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen hat. Arbeitsgericht Magdeburg, Urteil vom 07.09.2011 – 3 Ca 1640/11 Kunstfreiheit hindert Kündigung wegen »indirekter« Beleidigung Veröffentlicht ein Arbeitnehmer einen sogenannten Büroroman, in dem er seinen Ar beitsalltag mit Kollegen und Vorgesetzten verarbeitet, ist eine darauf gestützte außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam, wenn sich der Arbeitnehmer auf die Kunstfreiheit nach Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 GG berufen kann. Der Arbeitnehmer veröffentlichte einen Ro - man mit dem Titel »Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht«. Der Arbeitgeber kündigte dem Arbeitnehmer wegen dieses Romans außerordentlich mit der Begründung, dass das Buch grobe Beleidigungen beinhalte und zahlreiche Arbeitnehmer und die Geschäftsleitung des Betriebs durch ausländerfeindliche, ehrverletzende, beleidigende und sexistische Darstellungen diskreditiere. Der Arbeitnehmer vermenge in seinem Buch Realität und Fantasie, da die ge - schilderten Personen und Handlungen nicht frei erfunden seien, sondern dem Betrieb zugeordnet werden können. Hierdurch werde der Betriebsfrieden gestört. Der Arbeitnehmer behauptete, der Roman sei ein ausschließlich fiktives Werk. Das Gericht hielt die Kündigung für un - wirksam. Bei der außerordentlichen Kündigung sind auch die grundrechtlich garantierte Meinungs- und Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zu beachten. In dem Roman beleidigte der Arbeitnehmer nicht direkt bestimmte Personen im Betrieb. Eine Anknüpfung an die Realität ist für Romane typisch. Eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten liegt nur dann vor, wenn eine Person ohne Weiteres identifiziert werden kann. Je stärker sich die Romanfigur von ihrem Vorbild löst, umso mehr bewegt sich der Autor im Rahmen der Kunstfreiheit. Entscheidend ist hier, dass der Begriff der Kunstfreiheit nicht voraussetzt, dass es sich um »richtige« Kunst handeln muss. Selbst talentloser »Schund« wird hiervon gedeckt. Auch wenn in einem solchen Fall reale Personen erkennbar sind, gilt eine Vermutung für das Vorliegen einer Fiktion, die widerlegt werden muss. Sollte der Arbeitgeber also ein Arbeitsverhältnis aus diesem Grunde kündigen wollen, so muss er im Kündigungsschutzprozess konkrete Tatsachen darlegen, die eine klare Identifizierbarkeit der in ihrer Ehre verletzten Personen belegen. Gerade in Zeiten von Internetblogs kann sich dies zu einer nicht unüblichen Problemsituation entwickeln. LAG Hamm, Urteil vom 15.07.2011 – 13 Sa 436/11 Unsere Seite »Alles was RECHT ist« informiert in loser Reihenfolge über Rechtsthemen. Die Fachanwälte von der Kanzlei Burgmer greifen an dieser Stelle aktuelle Themen und Urteile zum Arbeitsrecht auf. Bei Rückfragen erreichen Sie diese unter obiger Adresse. <strong>stahlmarkt</strong> <strong>04.2012</strong>
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