16.11.2017 Aufrufe

stahlmarkt 04.2012 (April)

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

8 K<br />

SEITENBLICK<br />

Mehr Arbeit für<br />

Insolvenzgerichte<br />

Die Statistik vermittelt ein trügerisches Bild: Im vergangenen Jahr sind in<br />

Deutschland deutlich weniger Unternehmen in Zahlungsnöte geraten als<br />

2011. Gut 30.000 Insolvenzen bedeuten den drittniedrigsten Wert seit<br />

2001. Aber der Trend dreht sich, denn die Konjunktur kühlt sich ab. Die<br />

Großpleiten der jüngsten Vergangenheit lassen Schlimmes erahnen. Und<br />

dann sorgt noch eine Gesetzesänderung dafür, dass die Insolvenzgerichte<br />

möglicherweise bald mehr zu tun haben werden.<br />

WW K Die Zahl der großen und prominenten<br />

Unternehmen, die wegen Überschuldung<br />

oder Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anmelden<br />

mussten, hat in den vergangenen Mo -<br />

naten stark zugenommen. Im November<br />

erwischte es den Druckmaschinenhersteller<br />

manroland, kurz darauf die Solartechnikspezialisten<br />

Solon und Solar Millennium. Es<br />

folgte die Heitkamp Bauholding GmbH, und<br />

im Januar stürzte die Drogeriekette Schlecker.<br />

Sind das die Vorboten einer schlechteren<br />

Konjunktur? Droht eine neue Insolvenzwelle?<br />

Experten winken ab. Chris toph<br />

Niering beispielsweise, der Vorsitzende des<br />

Verbands der Insolvenzverwalter (VID), weist<br />

darauf hin, dass die Großpleiten der vergangenen<br />

Monate alle unterschiedliche branchen-<br />

oder unternehmensspezifische Ursachen<br />

hatten. Aus diesem Grund sei die Entwicklung<br />

keineswegs symptomatisch für<br />

andere Wirtschaftszweige, meint er. Auch<br />

Helmut Rödl, Vorstand der Wirtschaftsauskunftsfirma<br />

Creditreform, die das Insolvenzgeschehen<br />

intensiv beobachtet, ist sicher,<br />

dass die jüngsten Fälle keine Anzeichen für<br />

eine drohende Rezession sind. Allerdings<br />

wird die Zahl der Unternehmen, die in Zahlungsnöte<br />

geraten, nach seiner Einschätzung<br />

in diesem Jahr wieder leicht zunehmen.<br />

Im vergangenen Jahr hatten in Deutschland<br />

erstmals seit längerer Zeit deutlich weniger<br />

Unternehmen Insolvenz anmelden müssen.<br />

Creditreform registrierte 30.200 Fälle –<br />

das bedeutete einen Rückgang von 5,8 %<br />

gegenüber 2010. Damit steht Deutschland<br />

im europäischen Vergleich glänzend da. Nur<br />

Österreich und Dänemark meldeten für 2011<br />

einen noch stärkeren Rückgang bei den<br />

»<br />

Im<br />

vergangenen Jahr hatten<br />

in Deutschland erstmals seit<br />

längerer Zeit deutlich weniger<br />

Unternehmen Insolvenz<br />

anmelden müssen.<br />

Insolvenzen. Dagegen sorgte die prekäre<br />

Situation der Volkswirtschaften in Griechenland,<br />

Spanien, Portugal und auch Irland<br />

dafür, dass dort zuletzt deutlich mehr Unternehmen<br />

ins Straucheln gerieten.<br />

Für Deutschland erwartet Rödl in diesem<br />

Jahr etwa 32.000 Unternehmenszusammenbrüche,<br />

knapp 2.000 mehr als 2011. Das sei<br />

eine Folge der Konjunkturabkühlung.<br />

Außerdem zeigten sich viele Banken zunehmend<br />

kritisch bei der Kreditvergabe, was<br />

manche Firma in Not bringen könnte. Nach<br />

Einschätzung von Creditreform könnte insbesondere<br />

für Unternehmen des Transportgewerbes<br />

und der Bauwirtschaft sowie für<br />

einige Dienstleister die Luft dünn werden.<br />

Sorgen müssen sich meist kleine Betriebe<br />

machen. Etwa 80 % der Insolvenzverfahren<br />

betreffen Unternehmen, die höchstens fünf<br />

Mitarbeiter beschäftigen. Insgesamt sieht<br />

Rödl Deutschlands Unternehmen jedoch in<br />

einer deutlich stabileren Verfassung als zu<br />

Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008. Die<br />

Ertragskraft sei in vielen Fällen gut und die<br />

meisten Firmen verfügten heute über eine<br />

sehr viel bessere Ausstattung mit Eigenkapital.<br />

Bei vielen Mittelständlern, insbesondere<br />

aus der verarbeitenden Industrie, beträgt<br />

der Anteil des Eigenkapitals an der Bilanzsumme<br />

mehr als 30 % – ein im internationalen<br />

Vergleich nur selten erreichter Wert.<br />

Gut möglich, dass die Insolvenzzahlen in<br />

den nächsten Wochen auch noch aus einem<br />

anderen Grund steigen, der mit der Konjunkturentwicklung<br />

nur mittelbar zu tun<br />

hat: der Reform des Insolvenzrechts. Die im<br />

März in Kraft getretene Novelle erleichtert<br />

insolventen Firmen die Sanierung sowie<br />

einen Neuanfang. Auch bietet sie Betroffenen<br />

größere Möglichkeiten, an der Sanierung<br />

mitzuarbeiten. Eine Sanierung in<br />

Eigenverwaltung – da bleibt das Management<br />

an Bord, arbeitet aber unter Aufsicht<br />

eines Insolvenzverwalters – ist nun deutlich<br />

leichter durchzuführen, als das früher der<br />

Fall war. Insolvenzexperten vermuten, dass<br />

manche Unternehmen, die sich in Zahlungsnöten<br />

befinden, gewartet haben, bis die<br />

Ge setzesänderung in Kraft tritt und erst<br />

jetzt zum Insolvenzgericht gehen. Somit<br />

könnte es unter Umständen schon bald zu<br />

deutlich mehr Insolvenzfällen kommen.<br />

Aber aus Sicht der Betroffenen ist das ein<br />

riskantes Spiel. Schließlich ist Insolvenzverschleppung<br />

kein Kavaliersdelikt.<br />

Mit der Novelle will der Gesetzgeber<br />

strauchelnden Firmen Anreize bieten, möglichst<br />

frühzeitig Insolvenz anzumelden.<br />

Denn die Aussichten auf eine Sanierung sind<br />

sehr viel größer, wenn der Unternehmer<br />

nicht bis zuletzt versucht, zu retten, was<br />

nicht mehr zu retten ist. ber (sm 120403553) K<br />

<strong>stahlmarkt</strong> <strong>04.2012</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!