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2009-01

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Aus dem Siegerland<br />

sich die Dörfer des Grundes zusammen, vereinbarten, sobald<br />

der Feind in Sicht käme, sich gegenseitig durch Glockenzeichen<br />

zu verständigen und die Heimat zu verteidigen. In aller<br />

Stille bewaffnete man sich mit allem, was einem Bauer zur<br />

Verfügung stand. Nicht lange sollte man zu warten haben, bis<br />

die Zeit kam, da sie in Aktion treten sollten.<br />

Eines Tages drang vom Kirchlein in Holzhausen der<br />

Glockenschall in die umliegenden Ortschaften, zeigte das<br />

Nahen des Feindes an und rief die Bauern auf zum Schutz<br />

ihrer Dörfer. Vor dem Dorf scharten sie sich zusammen,<br />

mit Sensen und Dreschflegeln die einen, die anderen mit<br />

Spießen und Hellebarden bewaffnet. Und als vom Walde<br />

her die Feinde nahten, wurden sie von den Bauern blutig<br />

zurückgeschlagen. Gar schlimm sausten die Hellebarden<br />

auf die Körper der Gegner, gar grausam mähten die Sensen,<br />

und was sich allzu nah heranwagte, fiel unter derben<br />

Fäusten. Eiligst suchten die Schweden das Weite und kamen<br />

auch nicht wieder. So blieb der Hickengrund verschont<br />

dank der mannhaften Gegenwehr des Volkes, während der<br />

Burbacher Grund völlig ausgeplündert wurde.<br />

Diese Sage, in der uns die Gestalten der Befreier sieghaft<br />

und strahlend entgegentreten, könnten wir als „Heldensage“<br />

bezeichnen. Sagen erzählen von geheimnisvollen,<br />

fantastischen und manchmal auch grusligen Ereignissen<br />

aus vergangenen Zeiten. So z. B. die nachfolgende Sage,<br />

die ich in gekürzter Form wiedergebe:<br />

„Wilde Weiber“ im Hickengrund<br />

Auf den Höhen bei Oberdresselndorf, in den Hohlräumen<br />

zwischen den mächtigen Steinen einer Blockhalde, hausten<br />

die Wilden Weiber. Es waren kleine braune Gestalten mit<br />

zerzausten schwarzen Haaren und zum Fürchten hässlichen<br />

Gesichtern. Die umwohnenden Waldleute, arme Köhler und<br />

Schweinehirten, waren diesen Wilden hilflos preisgegeben,<br />

hatten sie ihnen doch alles zu liefern, was jene zu ihrem<br />

Unterhalt brauchten. Niemand stellte sich ihnen entgegen,<br />

denn jeder fürchtete ihre Zauberkünste und ihre Hexerei.<br />

Je ängstlicher aber die Dörfler waren, umso unverschämter<br />

und zudringlicher wurden die Weiber. Sie holten die Eier<br />

aus den Nestern, den Schinken aus dem Rauch, das Brot<br />

frisch aus dem Backofen und molken am helllichten Tage<br />

die Ziegen in den Ställen. Die Hofhunde zogen bei ihrem<br />

Herannahen kläglich winselnd den Schwanz ein, und selbst<br />

der Hirte, der doch mit allerlei Abwehrzauber vertraut war,<br />

wusste keinen Spruch, dieses zudringliche boshafte Geistervolk<br />

zu bannen. Eines Tages stahlen die Wilden Weiber<br />

im Dorf ein Schwein und verlangten noch dazu von den<br />

Bewohnern Töpfe und Tiegel, um es zu kochen. Das war<br />

zu viel der Unverschämtheit, und die Dörfler gaben ihnen<br />

Gefäße aus Holz statt eiserner Geräte. Die standen, als die<br />

Weiber Fleisch darin kochen und braten wollten, plötzlich<br />

in Flammen. Da schworen sie Rache und steckten eines<br />

Nachts alle Häuser in Brand.<br />

Die Bewohner zogen nach Norden und gründeten eine<br />

neue Siedlung, die sie Rinsdorf nannten. Die Wilden<br />

Weiber mussten nun zusehen wie sie durchs Leben kamen.<br />

Einige von ihnen taten es auf redliche Weise und ließen<br />

sich unweit in einem Dorf nieder, das den Namen Wilden<br />

bekam. Andere spukten noch viele Jahre in den Kammern<br />

und Gewölben der Blockhalde, die von den Leuten „Wildweiberhäuschen“<br />

genannt wurde.<br />

Es gehört zum Wesen einer Sage, dass sie nie restlos zu<br />

erklären ist und auf Dichtung und Wahrheit beruht. Spuren<br />

aus alter Zeit, die mit der Entstehung dieser Sagen zusammenhängen,<br />

sind auch heute noch vorhanden, so z. B. der<br />

Große Stein in Holzhausen, auffällige Naturgebilde aus Stein<br />

in Oberdresselndorf, die Wilde-Weiber-Leye genannt.<br />

Ich erinnere mich gerne an Holzhausen, an die schöne<br />

Landschaft, an die lieben Menschen, insbesonders an<br />

Familie Peter Ernst aus der Hoorwaldstraße, die mir in<br />

schweren Zeiten mit Rat und Tat beigestanden hat. Ich erinnere<br />

mich an die „Alte Schule“, in der ich gewohnt habe,<br />

und an ihre gegenüberliegende Kirche, deren Kirchtum<br />

von Weitem zu sehen ist und der mir immer ein Gefühl<br />

der Geborgenheit gab.<br />

Die „Alte Schule“ wurde 1769 fertiggestellt und diente<br />

jahrhundertelang als Dorfschule und in der letzten Zeit als<br />

Wohnung. Vor elf Jahren wurde das alte Fachwerkhaus<br />

restauriert und zu einem kulturellen Dienstleistungszentrum<br />

des Ortes<br />

eingerichtet.<br />

Vieles hat sich<br />

in Holzhausen<br />

verändert, aber<br />

die „Alte Schule“<br />

und die ihr<br />

gegenüberliegende<br />

Kirche<br />

stehen noch<br />

immer inmitten<br />

des historischen<br />

Dorfkerns von<br />

Holzhausen.<br />

Fünfzehn Jahre<br />

sind vergangen,<br />

seitdem ich Holzhausen<br />

verlassen<br />

habe und nach<br />

Siegen gekommen<br />

bin. Die Erinnerungen<br />

an eine<br />

schwere, aber<br />

doch schöne Zeit<br />

in Holzhausen Dorfkirche in Burbach-Holzhausen<br />

sind geblieben.<br />

Dorothea Istock<br />

Quellen: Gernhard Görnig, „Sagen aus dem Siegerland“<br />

2 Bilder: Heimatverein Burbach-Holzhausen<br />

durchblick 1/<strong>2009</strong> 13

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