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Edgar Allan Poe<br />
Meister der Imagination – Mathematiker der Seele<br />
Edgar Allan Poe, eine<br />
herausragende Figur unter<br />
den amerikanischen<br />
Romantikern, kam aus<br />
dem Dunkel und verschwand<br />
nach 40 Jahren<br />
wieder in der Dunkelheit.<br />
Er ist nicht zu fassen, sein<br />
Werk aber ist und bleibt<br />
das Erstaunlichste, was<br />
die amerikanische Literatur<br />
hervorgebracht hat.<br />
Zu Lebzeiten eher umstritten<br />
als bekannt. Ame-<br />
Edgar Allan Poe<br />
rika war damals in seinen<br />
moralischen Vorstellungen nicht so weit, einen Literaten zu würdigen,<br />
der Fortschrittsglauben und Tugendterror verachtete und<br />
der Literatur jeglichen erzieherischen Anspruch absprach. Als<br />
Gelegenheitstrinker konnte der strauchelnde Außenseiter nur<br />
die Verachtung des amerikanischen Volkes verbuchen.<br />
Es war Baudelaire, ein Seelenverwandter, der ihn der<br />
völligen Versenkung entriss. Kafka kannte und Hitchkock<br />
liebte ihn.<br />
Literatur<br />
Edgar Allan Poe wurde am 19. Januar 1809 in Boston<br />
geboren. Er muss eine faszinierende Erscheinung gewesen<br />
sein: dunkles, fast schwarzes Haar, lang, hinter die Ohren<br />
gekämmt, graue, durchdringende Augen. Ein Herzensbrecher.<br />
Sein Vater verschwand früh, jung starben seine Mutter,<br />
seine Pflegemutter, die schöne Mutter eines Schulkameraden,<br />
in die er sich als 14-Jähriger verliebte, und jung<br />
starb seine zart-schöne Frau Virginia. Das Bild seiner schönen<br />
Mutter hat ihn nie losgelassen.<br />
Daher, vielleicht, sein transzendentaler Ästhetizismus,<br />
die innige Verstrickung zwischen Lebenden und Toten, der<br />
erotisierende Tod in seinen Liebesgeschichten, die Vision<br />
einer leeren Welt. Für ihn gab es nichts Wesentliches zu entdecken<br />
in ihr, das Abenteuer aber entspringt nur der Imagination.<br />
Dadurch sein spielerisches Erforschen des Jenseits,<br />
des Nichts, der Perversion, des Unbewussten. An banaler<br />
Wirklichkeit war Poe nur mäßig interessiert, ihm ging es<br />
um die Verschönerung der Welt, die Magie, mit der man die<br />
Realität verlässt, um sie zu ertragen. Er erschließt uns ein<br />
Universum der Angst, des Unheimlichen und des Grauens.<br />
Das Mystische lässt uns erahnen, dass die Entschlüsslung<br />
der Geheimnisse Zerstörung und Selbstauslöschung bedeutet.<br />
Die Erbsünde oder auch die menschliche Begabung zum<br />
Der Rabe<br />
Einst, um eine Mittnacht graulich, da ich trübe sann und traulich<br />
müde über manchem alten Folio lang vergessner Lehr,-<br />
da der Schlaf schon kam gekrochen, scholl auf einmal leis ein Pochen,<br />
gleichwie wenn ein Fingerknochen pochte, von der Türe her.<br />
„s` ist Besuch wohl, murrt ich, „was da pocht so knöchern zu mir her<br />
das allein, nichts weiter mehr.“<br />
Ah, ich kann’s genau bestimmen: im Dezember war’s, dem grimmen,<br />
und der Kohlen matt Verglimmen schuf ein Geisterlicht so leer.<br />
Brünstig wünscht ich mir den Morgen, hat umsonst versucht zu borgen<br />
Von den Büchern Trost dem Sorgen, ob Lenor wohl selig wär’<br />
Ob Lenor, die ich verloren, bei den Engeln selig wär –<br />
Bei den Engeln – hier nicht mehr –<br />
Und das seidig triste Drängen in den purpurnen Behängen<br />
Füllt, durchwühlt mich mit Beengen, wie ich’s nie gefühlt vorher;<br />
also dass ich den wie tollen Herzensschlag musst’ wiederholen:<br />
„s’ ist Besuch nur, der ohn’ Grollen, mahnt, dass Einlass er begehr´ –<br />
nur ein später Gast, der friedlich mahnt, dass Einlass er begehr’ –<br />
ja, nur das – nichts weiter mehr.“<br />
Augenblicklich schwand mein Bangen, und so sprach ich unbefangen:<br />
„Gleich, mein Herr – gleich meine Dame, um Vergebung bitt ich sehr.<br />
Just ein Nickerchen ich machte, und ihr Klopfen klang so sachte,<br />
dass ich kaum davon erwachte, sachte von der Türe her –<br />
doch nun tretet ein!“ – und damit riss weit auf die Tür ich – leer!<br />
Dunkel dort – nichts weiter mehr.<br />
Tief ins Dunkle späth’ich lange, zweifeln<br />
Träume träumend, wie kein sterblich Hi<br />
Doch die Stille gab kein Zeichen, nur ein Wo<br />
Durch die Nacht, das mich erbleichen ließ: da<br />
Selber sprach ich`s, und ein Echo murm<br />
Nur „Lenor“ – nichts we<br />
Da ich nun zurück mich wandte und mein<br />
hört` ich abermals ein Pochen, etwa<br />
„Ah, gewiss“ so sprach ich bitter: liegt’s<br />
Schaden tat ihm das Gewitter jüngst – j<br />
Schweig dann still, mein Herze, lass mich nach<br />
’s der Wind – nichts weite<br />
Auf warf ich das Fenstergatter, als he<br />
Schritt ein stattlich stolzer Rabe wie<br />
Grüßen lag ihm nicht im Sinne, keinen<br />
mit hochherrschaftlicher Miene flog<br />
setzt sich auf die Pallas – Büste überm<br />
flog und saß – nichts wei<br />
Doch dies ebenholzne Wesen ließ mein<br />
ließ mich lächelnd ob der Miene, die es m<br />
„Ward dir auch kein Kamm zur Gabe,“ sprach<br />
grauslich grimmer alter Rabe, Wandere<br />
sag, welch hohen Namen gab man Dir in<br />
sprach der Rabe, „Nimm<br />
10 durchblick 1/<strong>2009</strong>