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2009-01

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Philosophischer Essay<br />

Gegensatz dazu macht sich der Mensch im zweiten Fall<br />

kein Bild von Gott („Ihr sollt euch kein Bild machen“, Altes<br />

Testament Ex 20,1-5) und kennt auch nicht seine Absichten.<br />

Er hat nichts anderes als ein hoffendes Vertrauen auf ein<br />

bedingungsloses Angenommenwerden und die Geborgenheit<br />

in einem absoluten Gegenüber, nämlich in Gott. Das<br />

Einzige, was er über Gott zu wissen glaubt, ist, dass er ihn,<br />

seinem menschlichen Bedürfnis nach Nähe und Wärme folgend,<br />

mit DU anreden darf. (Auf das fährlässige Sprechen<br />

von Gott, das dazu führen kann, dass Menschen, weil sie<br />

über das Wort verfügen, meinen, auch über Gott verfügen<br />

zu können 4) , kann ich hier nur hinweisen.) Obwohl beide<br />

Arten der persönlichen Religiosität in ihren Ausgangspositionen<br />

sehr unterschiedlich sind, die eine mit und die andere<br />

ohne festen Glaubensinhalt, haben sie etwas Wichtiges gemeinsam:<br />

bei beiden verläuft, um den amerikanischen Psychologen<br />

und Philosophen Williams James (1842–1910) zu<br />

zitieren, „die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen<br />

direkt von Herz zu Herz, von Seele zu Seele“. 3)<br />

Halten wir auch hier fest: Religiosität ist nicht gleich Religiosität<br />

und religiös sein bedeutet nicht gleichzeitig, auch<br />

christlich-kirchlich gläubig zu sein. Hermann Hesse, der<br />

große deutsche Dichter und Nobelpreisträger (1877–1962),<br />

hat dies für sich so zum Ausdruck gebracht: „Ich habe nie<br />

ohne Religion (Religiosität, d. V.) gelebt und könnte keinen<br />

Tag ohne sie leben, aber ich bin mein Leben lang ohne<br />

Kirche ausgekommen“. (Hermann Hesse, Mein Glaube,<br />

Frankfurt 1987, S. 62). Diese Aussage von Hermann Hesse<br />

möchte ich aufnehmen, denn in meinen nachfolgenden<br />

Gedanken binde ich Religiosität nicht an eine Kirche, sondern<br />

sehe in ihr das natürliche Bedürfnis des Menschen,<br />

seinem Leben einen tiefgründigen und über den Tod hinausgehenden<br />

Sinn und Halt zu geben. Ob dabei das Christentum,<br />

insbesondere aber Jesus, der Mann aus Nazareth,<br />

Hilfestellung und Orientierungspunkte geben kann – ich<br />

denke dabei an die Bergpredigt (Mt. 5-7) –, steht auf einem<br />

völlig anderen Blatt. Und das Religiosität darüber hinaus<br />

viel mit unserem täglichen Leben zu tun hat, welche Verbindungen<br />

zu anderen Lebensbereichen bestehen, welchen<br />

Einfluss sie haben kann und überhaupt wozu Religiosität<br />

eigentlich gut ist, werden wir noch sehen, aber …<br />

… jetzt, wo es erst richtig spannend und interessant<br />

wird, muss ich feststellen, dass ich das Limit meiner Seitenzahl<br />

im durchblick schon (wieder mal) erreicht habe, ohne<br />

das Thema und die Fragestellung hinreichend behandelt zu<br />

haben. Deshalb muss ich hier leider unterbrechen und den<br />

interessierten Leser und die interessierte Leserin auf die<br />

Fortsetzung meines Beitrages in der nächsten Ausgabe des<br />

durchblick hinweisen, der Anfang Juni erscheinen wird.<br />

Damit Ihnen das Thema bis dahin aber nicht abhandenkommt<br />

und falls Sie daran interessiert sind zu erfahren, wie<br />

Ihr ganz persönliches Religiositätsprofil aussieht, empfehle<br />

ich Ihnen in der Zwischenzeit die Teilnahme an einer Online-Umfrage<br />

der Bertelsmann-Stiftung. Dort ist Ihre ganz<br />

persönliche Religiosität gefragt. Die Umfrage ist vollständig<br />

anonym, d. h. ohne irgendwelche Personenangaben und<br />

gilt ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken. Am Ende<br />

der Umfrage können Sie, gewissermaßen als Belohnung<br />

für die Beantwortung der vielen Fragen, kostenlos Ihr ganz<br />

persönliches Religiositätsprofil erstellen lassen. Ich habe<br />

es getan und kann Sie nur ermuntern, es ebenfalls zu tun.<br />

Unter www.religionsmonitor.com erfahren Sie mehr. Falls<br />

Sie interessiert sind, aber keinen PC mit Internetanschluss<br />

haben, kommen Sie ins Haus Herbstzeitlos; im Senecafé<br />

von ALTERAktiv haben Sie Gelegenheit, Ihr Religiositätsprofil<br />

zu erstellen. Die Öffnungszeiten können Sie telefonisch<br />

erfahren.<br />

Schließen möchte ich diesen ersten Teil mit einer Aussage<br />

des deutschen Kulturphilosophen und Dichters Friedrich<br />

v. Schlegel (1772–1829):<br />

„Religiosität ist die Wurzel des menschlichen Daseins,<br />

lasst sie frei, und es wird eine neue Menschheit geben.“<br />

Bis zur nächsten Ausgabe wünsche ich Ihnen eine farbenfrohe<br />

Frühlingszeit mit viel Sonne, in der Natur und in<br />

Ihren Herzen.<br />

Eberhard Freundt<br />

1) Michael Blume, Rüdiger Vaas, in: Gott, Gene und Gehirn (Hirzel-Verlag)<br />

2) Ulrich Schnabel, in: Die Vermessung des Glaubens (Karl Blessing Verlag)<br />

3) William James, in: Die Vielfalt religiöser Erfahrung (Insel Taschenbuch)<br />

4) Rupert Lay, in: Nachkirchliches Christentum (Econ-Verlag)<br />

taupadel<br />

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Meisterbetrieb für zuverlässige Grabpflege im Raum Siegen<br />

Vertragspartner der Gesellschaft für Dauergrabpflege<br />

Morgenstraße 1 | 57076 Siegen | Telefon 0271 - 4889921 | eMail: info@grabpflege-siegen.de | www.grabpflege-siegen.de<br />

56 durchblick 1/<strong>2009</strong>

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